Stickoxide:München verzichtet auf Fahrverbote für Dieselautos

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Die Stadt hat die Messungen des Landesamts für Umwelt - hier eine seiner Messstellen am Stachus - durch eigene Erfassungen korrigiert. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Der Umweltausschuss des Stadtrats hat Fahrverboten auf Münchner Straßen offiziell eine Absage erteilt.
  • Die Situation sei nicht mehr dieselbe wie noch im Januar 2018, als der Stadtrat angesichts beunruhigender Schadstoffprognosen vorsorglich eine Verschärfung der Umweltzone beschlossen hatte.
  • Stadt und Freistaat würden dennoch gezielte Maßnahmen ergreifen, um an den immer noch stark belasteten Stellen die Luft zu verbessern.

Von Dominik Hutter

Es darf weitergedieselt werden: Der Umweltausschuss des Stadtrats hat Fahrverboten auf Münchner Straßen offiziell eine Absage erteilt. Hintergrund sind die Stickstoffdioxid-Messungen an 20 städtischen Stationen, die deutlich harmloser ausgefallen sind, als Experten ursprünglich befürchtet hatten. Fahrverbote seien daher unverhältnismäßig und rechtswidrig, urteilt Umweltreferentin Stephanie Jacobs. Die Situation sei nicht mehr dieselbe wie noch im Januar 2018, als der Stadtrat angesichts beunruhigender Schadstoffprognosen vorsorglich eine Verschärfung der Umweltzone beschlossen hatte. Sie trat allerdings nie in Kraft, da der Bund nicht bereit war, die für Kontrollen notwendigen Schadstoffplaketten einzuführen.

Der Beschluss, der noch von der Vollversammlung bestätigt werden muss, hat eher symbolische Bedeutung. Denn für den Luftreinhalteplan ist nicht die Stadt, sondern der Freistaat zuständig. Und der weigert sich trotz eines rechtskräftigen Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ohnehin schon seit Jahren, ein Konzept für Diesel-Fahrverbote auszuarbeiten. In der nächsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans, Nummer sieben ist es inzwischen, tauchen daher weder die Sperrung einzelner Straßenabschnitte noch eine Verschärfung der Umweltzone auf.

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Trotz der insgesamt positiven Tendenz ist die Stickstoffdioxid-Belastung an einigen Stellen in München noch immer zu hoch. Die Grünen fordern eine umfassende Verkehrswende, die CSU eine verschärfte Umweltzone.

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Maßgeblich für die geänderte Haltung der Stadt ist neben den Messergebnissen auch eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Demnach ist die Sperrung einzelner Straßen nur dann ein geeignetes Mittel, wenn der damit verursachte Ausweichverkehr nicht an anderer Stelle zu Grenzwertüberschreitungen führt. Dies aber wäre nach Einschätzung des Umweltreferats an sämtlichen Münchner Brennpunkten der Fall: an der Landshuter Allee (im Jahresmittel 66 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft), der Tegernseer Landstraße (57µg) und der Chiemgaustraße (58µg). Untersuchungen im Auftrag des Landesamts für Umwelt belegten, dass selbst eine per Diesel-Veto verursachte Reduzierung des Verkehrs nicht ausreichen würde, um die Grenzwerte einzuhalten. Zumal andere Autofahrer die entspanntere Verkehrslage sofort ausnutzen würden.

An den drei anderen Messstationen mit Grenzwertüberschreitungen verweist Jacobs auf die geplante Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes: Liegen die Messergebnisse zwar über dem Limit von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid im Jahresmittel, aber unterhalb der 50er-Marke, sollen nach Willen der Bundesregierung Fahrverbote künftig unverhältnismäßig sein. In diesem Korridor liegen der Stachus (48µg), die Frauenstraße (49µg) und die Steinsdorfstraße (44µg). Alle anderen Messstationen können die 40er-Marke einhalten. Was zusammenfassend bedeutet: Aus Sicht der Stadt gibt es in München keine einzige Stelle, an der Diesel-Fahrverbote gerechtfertigt wären.

Maßnahmen sollen Luft an belasteten Stellen verbessern

"Wir können Entwarnung für die Wohngebiete geben", freut sich Umweltreferentin Jacobs. Stadt und Freistaat würden dennoch gezielte Maßnahmen ergreifen, um an den immer noch stark belasteten Stellen die Luft zu verbessern. Denkbar seien Tempolimits, neue Luft- und Lärmschutzwände, eine Verflüssigung des Verkehrs über optimierte Ampeln oder aber die Umstellung von Bussen und Müllautos auf Elektroantrieb. Zudem müssten sämtliche bereits beschlossenen Maßnahmen für saubere Luft forciert werden.

Aus Sicht der Rathaus-Grünen ist dies alles jedoch "nicht befriedigend", erklärte Umweltsprecherin Sabine Krieger. Es gebe trotz allem immer noch Straßen, die deutlich über dem Grenzwert liegen - "wir halten am Wert 40 Mikrogramm fest". Um die Luft sauberer zu bekommen, helfe nur eine radikale Verkehrswende, betonte Krieger, deren Fraktion deshalb gemeinsam mit der ÖDP gegen die Vorlage des Umweltreferats stimmte. Aus Sicht des CSU-Kollegen Sebastian Schall ist die Stadt jedoch "auf dem richtigen Weg". Es sei richtig gewesen, noch einmal explizit nachzumessen - die 21 zusätzlichen Messstellen, die letztlich die flächendeckenden Berechnungen des Landesamts für Umwelt korrigierten, wurden von der Stadt eigenmächtig und freiwillig aufgestellt.

Damit sei nun klar, dass München von den einst an die Wand gemalten Horrorszenarien weit entfernt sei, erklärte SPD-Stadtrat Jens Röver. Richard Progl (Bayernpartei), der seit langem gegen Fahrverbote wettert, zeigte sich zufrieden, dass nun endlich Vernunft einkehre. Berechnungen des Umweltamts hatten München gravierende Grenzwertüberschreitungen auf weiten Teilen des Straßennetzes prophezeit. Sie wurden offiziell für das Jahr 2017 ermittelt, beruhten aber tatsächlich auf Daten von 2015, als die Münchner Fahrzeugflotte noch etwas anders aussah.

© SZ vom 13.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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