Fachstelle für Demokratie:Vorurteile sind der Nährboden für die neue Rechte

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"Das geschlossene rechtsextreme Weltbild, zu dem Holocaust-Leugnung und Führerverehrung gehören, nimmt eher ab", stellt Heigl fest, "aber menschenverachtende Tendenzen, das Stigmatisieren bestimmter Gruppen, werden stärker." Vor allem der Flüchtlinge. "Sie stellen eine Projektionsfläche für die eigenen Ängste und Frustrationen dar. Sie werden als fremd wahrgenommen, und immer, wenn ich mit Menschen nicht so einfach in Kontakt treten kann, ist es leichter, mir Vorurteile über diese Menschen zu bilden", sagt die Wissenschaftlerin.

Es geht aber nicht nur um Flüchtlinge und Vorurteile, sagt Heigl, sondern um eine grundlegende Tendenz in der Gesellschaft. "Kurz nachdem ich meine Stelle angetreten habe, ist die Sarrazin-Debatte explodiert. Da wurden Akzente gesetzt, auch im medialen Diskurs, nach dem Motto: ,Das wird man doch noch sagen dürfen'." Von diesem "Das wird man doch noch sagen dürfen" bis zur "Lügenpresse" war es dann nicht mehr weit.

Die extreme Rechte schiebt die Politik vor sich her

Heigl beobachtet: "Die Gesellschaft spaltet sich immer mehr, da geht es um Abstiegsängste, um Konkurrenz und das Bewusstsein, dass das soziale Netz immer dünner wird." Sie sieht eine Parallelwelt entstehen von Menschen, die meinen, nicht mehr gefragt zu werden, die sich in einer Notstandssituation begreifen - siehe Bürgerwehren - "und meinen, selbst handeln zu müssen. Das ist ein gefährlicher Nährboden."

Heigl spricht ungern über Politik, denn als Mitglied der Verwaltung ist sie zu Neutralität verpflichtet. Aber eines beobachtet sie durchaus: "Dass die extreme Rechte es geschafft hat, die etablierte Politik vor sich herzutreiben. Und dass es dabei einen europaweiten Trend gibt, dass sich die Rechte gegenseitig stabilisiert, macht es noch schlimmer. Wir brauchen jetzt wirklich Demokraten, die aufstehen und für demokratische Werte plädieren."

München, so hat es Christian Ude betont, als er sich für die Einrichtung dieser Stelle einsetzte, habe als ehemaliges Zentrum der NS-Bewegung eine besondere Verantwortung, die Demokratie in der Stadt zu schützen. Zumal es immer wieder Gewaltakte von Neonazis gab. Das Oktoberfestattentat 1980, mit 13 Toten und 211 Verletzten. Das geplante Attentat auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Zentrums auf dem St.-Jakobs-Platz 2003, die Morde des NSU. Das ist die Spitze einer Bewegung, die sich wandelt, aber heute nicht minder gefährlich ist, sagt Heigl.

Heute heißen sie "Die Rechte" und "Der dritte Weg", sie fangen Neonazis von der NPD oder vom Freien Netz Süd auf, und sie haben in München Fuß gefasst. "Es gibt etwa 1000 gewaltbereite Rechtsextremisten in Bayern", sagt Heigl, dazu kämen zahlreiche bekannte Salafisten. Wer eine Bedrohung wahrnimmt, dem rät Heigl zur Anzeige, wohl wissend, dass sich viele davor scheuen, aus Angst, oder auch, weil sie meinen, die Polizei würde Täter nicht immer mit der nötigen Konsequenz verfolgen.

Jede Anzeige, die in die Polizeistatistik eingeht, ist wichtig

"Es ist auf jeden Fall sinnvoll, alles, von dem man denkt, dass es strafrechtlich relevant sein kann, zur Anzeige zu bringen. Jede Anzeige, die in die Polizeistatistik eingeht, ist wichtig. Denn oft spiegelt die Statistik ja nicht das reale Problem wider. Das haben wir im Zusammenhang mit den NSU-Morden gesehen", sagt sie. Gegen die Hetze im Internet sind die Behörden ohnehin oft machtlos. Da gibt es Seiten wie von Pegida-Bayern, die im Ausland angemeldet sind und ohne Impressum auftreten. Urheber lassen sich dort kaum verfolgen.

Für Heigl selbst gilt: "null Toleranz." Mit strammen Neonazis, denen es nur darum gehe, die Gesellschaft zu spalten, lasse sich nicht diskutieren. Das gilt auch für den Stadtrat Karl Richter von der rechtsradikalen Bürgerinitiative Ausländerstopp, einstiger NPD-Bundesvize, der sie immer wieder persönlich angreift. Sie steht so etwas durch, sie sieht sich auf der richtigen Seite, das macht sie stark.

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