Fachstelle für Demokratie:Auf der richtigen Seite gegen rechts

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Fachstelle für Demokratie: Miriam Heigl ist überzeugt, dass ihre Arbeit München friedlicher machen kann.

Miriam Heigl ist überzeugt, dass ihre Arbeit München friedlicher machen kann.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Hemmschwelle für Gewalt oder Hetze gegen Minderheiten ist dramatisch gesunken. Miriam Heigl leitet die Fachstelle für Demokratie und kämpft unerschrocken für Freiheit und Demokratie.

Von Martina Scherf

Fast 2300 rechtsextreme Straftaten in Bayern im vergangenen Jahr. 68 Anschläge auf Flüchtlingsheime. Täglich Pöbeleien auf den Straßen, Nazi-Parolen auf Hauswänden. Jeden Montag Pegida vor der Münchner Feldherrnhalle und mehrmals die Woche vor dem Rathaus, mit Lautsprecher und fingiertem Muezzin-Ruf. Drinnen, im ersten Stock sitzt die Politologin Miriam Heigl. Die schlanke, blonde Frau ist Expertin für Rechtsextremismus und beobachtet die Umtriebe seit Jahren von Berufs wegen. Und sie stellt fest: Die Hemmschwelle für Hetze gegen Minderheiten ist dramatisch gesunken. Die für Gewaltakte auch.

Als die "Fachstelle für Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit" 2010 gegründet wurde, waren die Zahlen verglichen mit heute überschaubar. Braucht es so eine Stelle überhaupt, fragten damals einige Stadträte. Sechs Jahre später zweifelt kaum einer mehr daran. Denn inzwischen vergeht kein Tag, ohne dass neue Meldungen über rechte Aktionen oder Angriffe in Heigls Büro einlaufen. Das bemerken auch die Mitglieder des Vereins "Before", der vor Kurzem - unterstützt vom Stadtrat - seine Arbeit aufnahm, der Hilfe suchende Bürger berät, notfalls auch anonym. Vorsitzender ist Alt-Oberbürgermeister Christian Ude.

Die promovierte Politikwissenschaftlerin und Soziologin, 39 Jahre alt, international erfahren, beschäftigt sich seit Jahren mit Rechtsextremismus. Weil sie inzwischen ein breites Netzwerk in München aufgebaut hat - nach ihren Worten "einmalig in Deutschland" -, erfährt sie relativ schnell von rechtsextremen und neuerdings auch salafistischen Umtrieben in München. Sie hält Kontakt zur Polizei und zum Verfassungsschutz.

Immer wieder bricht ein Shitstorm im Internet über sie herein

Sie informiert die Mitarbeiter der Verwaltung und berät Bürger, wie sie sich wehren können: Schulen, vor deren Eingang die NPD ihre Propaganda-CD verteilt mit dem Titel "Freiheit statt BRD", oder an denen die Partei "Die Rechte" Flugblätter verteilt und sich dabei rühmt, Schüler davor zu bewahren, "durch Lehrer in staatskonformer Einfalt gehirngewaschen zu werden". Hausmeister, die ein Hakenkreuz im Treppenhaus entdecken. Oder Wirte, die ihr Lokal nicht länger an rechte Parteien vermieten wollen.

Konsequent und unerschrocken kämpft die gebürtige Münchnerin für Freiheit und Demokratie in ihrer Heimatstadt. Sie geht in öffentliche Versammlungen, wohl wissend, dass dort ihre Gegner auftreten können und gerne mal mit dem Smartphone fotografieren. Immer wieder, und in jüngster Zeit verstärkt, bricht dann ein Shitstorm im Internet über sie herein. Dann wird sie, genauso wie ihr Dienstherr, Oberbürgermeister Dieter Reiter, als Teil eines "Repressionsapparats" beschimpft, der aufrechte Patrioten verfolge. Sich selbst als Opfer darstellen, das ist Methode in den rechten sozialen Netzwerken.

Sie ist vorsichtig geworden, sagt Miriam Heigl. Angst machen lässt sie sich aber nicht. "Letztlich muss man darauf hoffen, dass die Sicherheitsbehörden einen schützen", sagt sie. Seit sie denken kann, interessiert sie sich für Politik. Da gehören Konflikte dazu. Sie ist in München aufgewachsen, war Schülersprecherin und hat sich in der Friedensbewegung engagiert.

Auch andere Kommunen schauen mittlerweile auf die Fachfrau für Demokratie

Sie hat an der Ludwig-Maximilians-Universität studiert und an der Sorbonne in Paris. Sie verbrachte einige Zeit in New York und in Mexiko und hat später beim Ökumenischen Büro in München gearbeitet. Sie hat Erfahrung in der Erwachsenenbildung und in Anti-Gewalt-Programmen für Jugendliche gesammelt. Sie ist überzeugt, dass ihre Arbeit München friedlicher machen kann, das motiviert sie. "Wir haben viele Optionen, wir können was erreichen", sagt sie. Mittlerweile schauen auch andere Kommunen in Deutschland auf München und seine Fachfrau für Demokratie.

Dabei kann sie sich auf viele Unterstützer in der Stadt verlassen, von den Kirchen über Gewerkschaften bis zu Vereinen und Initiativen. Sobald die NPD eine Demo anmeldet, wenn irgendwo Flugblätter verteilt werden, wenn Schmierereien auftauchen, erfährt sie meist schnell davon. Aber es geht nicht nur um offensichtliche rechte Aktionen.

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