"Inhorgenta":Schmuckmesse: Zwischen Innovation und Blödsinn

"Inhorgenta": Die Inhorgenta zeigt, was Juweliere und Uhrmacher heuer zu bieten haben werden.

Die Inhorgenta zeigt, was Juweliere und Uhrmacher heuer zu bieten haben werden.

(Foto: Claus Schunk)

Wenn Schmuck "Poems of Life" schreibt und Uhren den Schlaf als Aktivität aufzeichnen, präsentieren Händler ihre Produkte auf der "Inhorgenta".

Von Stephan Handel

Es glitzert und glänzt und funkelt, und dazwischen tickt es, manchmal piept's. Nur hinten, in der Halle A 2, da sieht's aus, als seien sie nicht fertig geworden: Frauenkörper ohne Kopf, Plastikhände ohne Arme, leere Vitrinen. Natürlich aber ist es so, dass die Inhorgenta, die Schmuck- und Juwelenmesse, eine Fachmesse ist, weshalb in Riem noch bis Montag nicht nur Goldschmiede und Diamantenhändler ihre Kostbarkeiten anbieten, sondern auch solche Firmen, die die nötigen Präsentations-Utensilien anbieten. Am Stand mit den leeren Vitrinen zum Beispiel geht es um den Verkauf von - genau - Vitrinen.

So etwas ist vielleicht notwendig, aber glamourös ist es nicht. Dabei geht es doch genau darum: Seit die Menschheit großteils nicht mehr an Geister glaubt und deshalb der Bedarf an Geisterabwehrgerät erheblich nachgelassen hat, bleibt dem Schmuck nur noch die Aufgabe, Schönheit anzubieten oder wenigstens das Versprechen darauf. Das lässt sich leicht an den Slogans der Firmen ablesen: Um Leidenschaft geht's da viel und um Liebe, wenn nicht gleich um die "Poems of Life", oder das muss man gesehen haben, "spannenden Stahlschmuck".

"Inhorgenta": Präsentationselemente: Bevor der Kunde den Schmuck trägt, hat meistens eine ihn Büsten um, so wie diese.

Präsentationselemente: Bevor der Kunde den Schmuck trägt, hat meistens eine ihn Büsten um, so wie diese.

(Foto: Claus Schunk)

Es ist kurz vor Mittag an diesem Freitag, die Messe hat wenige Stunden zuvor eröffnet, zu welchem Anlass Cathy Hummels und Vanessa Fischer gekommen sind, die sich dafür qualifiziert haben, indem die eine die Frau des Fußballspielers Hummels ist und die andere ihre Schwester. Gegen Abend wird es eine Modenschau geben, für die Nadja Auermann gebucht wurde, danach sollte es ins P 1 gehen zur Opening Party mit Lena Meyer-Landrut.

Die Inhorgenta soll einen "Sog in der Branche" erzeugen

Das zeigt schon, dass sie hoch greifen mit ihrer Inhorgenta, wozu auch Anlass besteht: Messe-Geschäftsführer Klaus Dittrich hatte bei der Eröffnungs-Pressekonferenz bekanntgegeben, dass heftig mit der chinesischen Shenzhen Watch & Clock Fair kooperiert wird, eine der größten Uhrenmessen der Welt, weshalb es auch nicht überrascht, dass die Münchner Inhorgenta ausweislich der Messezeitung einen "Sog in der Branche" erzeugt.

Das kommt wahrscheinlich von der "Faszination Farbstein", vielleicht auch von der "Poesie in Edelstahl", bei der nicht ganz klar ist, ob sie denn auch "for Life" wäre. Ganz sicher aber um lebenslang geht es bei den zahllosen Anbietern von Trauringen: Geheiratet wird immer, Scheidungsraten hin oder her. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Hersteller der Fangeisen nichts um Neuerungen scheren müssten: Fischer Trauringe aus Pforzheim ("since 1919") bietet online die Möglichkeit an, die Ringe nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, und dass das dafür bereitstehende Tool "Konfischerator" heißt, überschreitet knapp die Grenze zwischen Innovation und Blödsinn.

"Inhorgenta": Ringe in allen Variationen: Auch dieser Modeschmuck aus Edelstahl ist ausgestellt.

Ringe in allen Variationen: Auch dieser Modeschmuck aus Edelstahl ist ausgestellt.

(Foto: Claus Schunk)

In der Halle A 1 gibt's Kleinuhren, also solche fürs Handgelenk. Die Bezeichnung ist etwas irreführend, weil die Dinger offensichtlich seit Jahren immer größer werden und mittlerweile leicht die Ausmaße eines Reiseweckers überbieten. Die dazu seitlich angebrachten Bedienelemente sehen aus wie der Auslöser einer Handgranate - das sollte ein Psychologe mal untersuchen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Größe von Männeruhren und dem Zustand einer Gesellschaft.

Uhren müssen heute Aktivitäten aufzeichnen

Natürlich muss immer mehr hineinpassen in die Armbanduhr, weil es ja längst nicht mehr damit getan ist, nur die Zeit anzuzeigen: Smartwatches, die sich mit dem Handy verbinden und speichern, was ihr Besitzer so macht. "Aktivitätsaufzeichnung" nennt sich das, und man könnte schon verstört darüber sein, dass laut diverser Werbe-Etiketten neuerdings auch Schlafen zu den Aktivitäten zählt.

Es ist nicht alles teuer, was da glänzt, manches liegt auch durchaus im unteren Preissegment, so um die 20 Euro rum. Mehr hinlegen muss man natürlich für besondere Features wie den "Tachymeter" den die Firma Miyote ihren Uhren einbaut: Das ist ein Ring um das Ziffernblatt herum, man startet die Stoppuhr, fährt seinen Porsche (auf der Bedienungsanleitung ist ein Porsche gezeichnet) exakt einen Kilometer weit und kann dann mithilfe von Ring und Sekundenzeiger ablesen, wie hoch die Geschwindigkeit war - ein äußerst praktisches Werkzeug, falls das neue Auto über keinen eigenen Tacho verfügt.

1000 Aussteller

präsentieren sich noch bis zum Montag auf der Inhorgenta in der Neuen Messe Riem, die als die wichtigste Branchenmesse in Deutschland gilt. Die Messe ist nur für Fachbesucher zugänglich - bis auf ein spezielles Angebot, das es heuer zum ersten Mal gibt: Händler können ihre besten Kunden auf die Messe einladen. Im vergangenen Jahr kamen rund 26 000 Besucher zu der Schau.

Die Halle C 2 trägt den Titel "Contemporary Design & Vision", da gibt es das ganz Neue, was sich unter anderem daran zeigt, dass die Sachen nicht in Vitrinen präsentiert werden, sondern auf Stahlregalen wie aus dem Baumarkt. In einer Ecke haben ein paar Designhoch- und anderen Schulen ihre Stände eingerichtet. Das ist interessant, weil sich die Studenten offensichtlich nicht um Tragbarkeit scheren müssen und darum, ob's jemand kauft: Der Halsschmuck aus Trier etwa aus einer tellergroßen Marmorplatte schaut eher nach Bandscheibenschaden aus. Die Münchner Meisterschule für das Gold- und Silberschmiedehandwerk bleibt da lieber bodenständig und präsentiert Löffel.

3D-gedruckte Ringe mit Monsterköpfen für den stilbewussten Satanisten. Afrikanischer Holz- und Hornschmuck wie direkt vom Winter-Tollwood rübergekommen. In der Halle C 1 schwirrt die Luft von Edelstein-Smalltalk: Mandaringranat, Demantoid, Turmalin, Opal, Zirkon und Diamanten. Dazwischen schon wieder ein Stand mit Treueversprechenschmuck, genannt: "Wilde Ehe Ringe" - offen bleibt, ob sich das "wild" auf die Ehe oder auf die Ringe bezieht. Auf jeden Fall wird es aber mit Leidenschaft zu tun haben. Vielleicht sogar mit Poesie.

"Inhorgenta": Verrücktes: Die Roboteruhren können mehr, als nur die Zeit anzeigen.

Verrücktes: Die Roboteruhren können mehr, als nur die Zeit anzeigen.

(Foto: Claus Schunk)
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: