Fachkräftemangel:Kollegen gesucht

Pressegespräch âÄzDas berufliche Schulwesen in München 2018/2019âÄo im Städtischen Schulzentrum in der Deroystraße am 08.11.2018.

Praktisches Lernen: Eine Schülerin schmiedet in der hauseigenen Werkstatt des Berufsschulzentrums an der Deroystraße.

(Foto: Jan Staiger)

Die Stadt wirbt um neue Mitarbeiter für ihre Berufsschulen. Doch das ist schwierig

Von Jakob Wetzel

Siegfried Hummelsbergers Schüler haben glänzende Aussichten. Der Lehrer leitet die städtische Technikerschule an der Deroystraße, und die Berufe, in denen die Jugendlichen dort ausgebildet werden, sind gefragt. Zudem gewinnen die Schüler immer wieder Preise. Zuletzt belegten sie mit ihren Arbeiten etwa Platz eins und zwei bei dem von Firmen und dem Bundesarbeitskreis Fachschule für Technik ausgelobten Wettbewerb "Engineering-Newcomer". Und doch muss sich Hummelsberger derzeit Sorgen um die Zukunft machen. Dort würden derzeit zum Beispiel zwölf Lehrer für Elektrotechnik unterrichten, berichtet der Schulleiter. Und von diesen gingen fünf im Jahr 2020 in den Ruhestand. Zwei fielen vielleicht sogar schon eher weg. Längst sei die Schule auf der Suche nach Ersatz, sagt Hummelsberger, sie spreche Lehrer und Studenten an. Aber das alles sei doch "organisatorisch schwierig".

Mit diesem Problem steht er nicht alleine da. An den beruflichen Schulen in München fehlen generell Lehrer. "Beängstigend" sei die Lage, sagt Stadtschulrätin Beatrix Zurek. Sie hat nun im Schulhaus an der Deroystraße, das unter anderem die Technikerschule belegt, die aktuellen Zahlen für das berufliche Schulwesen vorgestellt. 90 berufliche Schulen gibt es demnach in München, 85 davon sind in städtischer Trägerschaft. Die Stadt investiert in sie jährlich 125 Millionen Euro; etwa 2500 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten knapp 50 000 Schüler. Und viele Schulen teilen dasselbe Problem: Es gibt zu wenig Lehrer.

Erst vor wenigen Wochen warnte der Bildungsforscher Klaus Klemm in einer Studie für die Bertelsmann-Stiftung, dass in den kommenden Jahren bundesweit Zehntausende Berufsschullehrer fehlten. Bis zum Jahr 2030 gingen deutschlandweit etwa 60 000 von diesen in Pension; durch Studienabsolventen könne der Bedarf nicht gedeckt werden. In München könnten aber schon längst nicht mehr alle Stellen besetzt werden, sagt Eva Schießl, die Leiterin der Abteilung für berufliche Schulen im städtischen Bildungsreferat. Die Zahlen schwankten; derzeit aber seien 32 Lehrerstellen frei - das gleicht in etwa dem Kollegium einer kompletten Schule. Besonders gesucht sind Lehrer für Elektrotechnik, Metallbau und Bautechnik.

Schon jetzt hemmt der Lehrermangel städtische Projekte wie die "bedarfsorientierte Budgetierung". Dabei werden Klassen auf zwei Lehrkräfte aufgeteilt, um leistungsschwächere Schüler besser zu fördern; das ist aber nur möglich, wenn es genügend Lehrer gibt. Hinzu kommt: Wird eine Lehrkraft krank oder geht in Mutterschutz, können die Schulen das schwer ausgleichen; eine mobile Reserve an zusätzlichen Lehrern, wie es sie etwa an Grundschulen gibt, existiert an den städtischen beruflichen Schulen nicht. Und wie von Klemm bundesweit prognostiziert, rollt auch auf München eine Pensionierungswelle zu. Die Hälfte aller Lehrer an den 85 von der Stadt getragenen beruflichen Schulen seien 50 oder mehr Jahre alt, sagt Schießl. Jeder fünfte sei gar 60 Jahre oder älter. In wenigen Jahren wird demnach eine vierstellige Anzahl von Lehrern fehlen.

Um vorzubeugen, müsse die Stadt vor allem aufklären, glaubt Stadtschulrätin Zurek. Denn der Beruf des Berufschullehrers werde schon deshalb so selten ergriffen, weil ihn kaum einer kenne. In der Lebenswelt vieler Abiturienten kämen berufsbildende Schulen nicht vor. Wenn sie auf Lehramt studieren wollen, denken sie eher ans Gymnasium. Dabei ist das Einstiegsgehalt von Gymnasial- und Berufschullehrern identisch, und die Jobaussichten sind für Letztere derzeit erheblich besser: Während Referendare an Gymnasien selbst bei hervorragenden Noten nur auf einer Warteliste landen, werden Lehrer an beruflichen Schulen gesucht.

Nötig sei deshalb Werbung, sagt Zurek. "Wir haben die Sorge, dass die Anzahl der Interessenten andernfalls überschaubar bleibt." Das Bildungsreferat gehe auf Ausbildungsmessen und werbe in Gymnasien für den Beruf, sagt Eva Schießl. Doch auch fertige Ingenieure oder Techniker kämen in Frage, denn viele Wege führen in den Beruf. Standard ist das mindestens fünfjährige Studium, gefolgt von zwei Jahren Referendariat. Doch wo viele Lehrer fehlen, da senkt der Freistaat die Hürden.

Das aber sei immer nur Nothilfe im Einzelfall, sagt Markus Müller. Der stellvertretende Leiter der Berufsschule für Metallbau und Technisches Produktdesign an der Deroystraße hat in der Lehrerbildung an der Technischen Universität (TU) München Erfahrung gesammelt. In der Vergangenheit habe es bereits wechselnde Konzepte gegeben, sagt er. Wer einen Bachelor in einem technischen Fach absolviert hat, könne derzeit etwa an der TU einen integrierten Studiengang belegen, der beides umfasst, Master und Referendariat, sagt Müller. So würden die künftigen Lehrer schon nach drei statt erst nach vier Jahren fertig. Zudem kann sich, wer einen Master in einer passenden Fachrichtung erworben hat oder zum Diplom-Ingenieur ausgebildet worden ist, beim Kultusministerium um die Teilnahme an einer sogenannten Sondermaßnahme bewerben; dann kann er das Lehramtsstudium überspringen und direkt mit dem Referendariat beginnen. Doch solche Sondermaßnahmen gebe es nur, wenn extremer Mangel herrsche, also derzeit im Bereich Bau, Metall und Elektro, sagt Müller. Ein "Tropfen auf den heißen Stein" sei das, sagt Peter Stengel, der stellvertretende Leiter der Berufsschule für Fertigungstechnik. "Wir würden uns mehr wünschen", sagt Stadtschulrätin Zurek.

Und es gibt Konkurrenz. Denn gerade Absolventen in den technischen Fächern sind auch in Firmen gefragt. Ob Industriemechaniker, Mechatroniker, Konstruktions- oder auch Metallbautechniker, allein in München würden einige Tausend Facharbeiter fehlen, sagt Siegfried Hummelsberger. Doch wer eine Stelle in einer Firma gefunden hat, lässt sich schwer zu einem Quereinstieg ins Lehramt überreden - noch dazu, wenn er während der Ausbildung und im Referendariat kein oder nur wenig Geld verdienen würde. Vor einigen Jahren habe es noch mehr Quereinsteiger gegeben, sagt Eva Schießl vom Bildungsreferat. "Jetzt saugt die Wirtschaft die Fachkräfte ab." Im Wettbewerb mit den Unternehmen ziehen die Schulen den Kürzeren.

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