Arbeitsmarkt Europa:Warum München Migranten braucht

Lesezeit: 3 Min.

Arbeitet als Stationsleitung in der Notaufnahme der München Klinik Schwabing: Ivana Kramer-Radojevic. (Foto: Florian Peljak)

Busfahrer, Pflegekräfte, Handwerker: Menschen aus dem EU-Ausland arbeiten ganz selbstverständlich in vielen Betrieben der Stadt, viele von ihnen in systemrelevanten Berufen. Einige Unternehmen rekrutieren ihre Fachkräfte mittlerweile gezielt.

Von Ekaterina Kel, Andreas Schubert

„Wir sind multikulti.“ Ein Satz, den Ivana Kramer-Radojevic mit Stolz sagt, aber auch mit Realismus. Denn sie weiß: Ohne Pflegerinnen und Pfleger aus dem Ausland könnten viele Krankenhausstationen überall im Land gleich zusperren. Auch sie gehört zu denjenigen, ohne die nichts geht. Kramer-Radojevic kommt aus Kroatien und hat die Stationsleitung für die Pflege in der Notaufnahme der München Klinik (Mük) in Schwabing übernommen.

Die häufigste EU-Nationalität bei den Mitarbeitern in den Krankenhäusern der Mük ist laut einer Sprecherin Kroatien, gefolgt von Griechenland, Italien und Österreich. Aktuell seien 26 der 27 EU-Nationalitäten vertreten, ausgenommen ist Malta. In der Pflege sei der Anteil der ausländischen Mitarbeiter generell größer als im ärztlichen Bereich.

Es sind im Übrigen nicht nur Europäer, die das Krankenhaussystem am Laufen halten, sondern auch Menschen aus anderen Staaten, von rund 7600 Mitarbeitern der Mük hätten etwa 14 Prozent eine andere EU-Nationalität als die deutsche und rund 19 Prozent eine Nationalität außerhalb der EU. 80 Nationen seien insgesamt in dem Haus vertreten. Kramer-Radojevic zählt auf, aus welchen Ländern ihr Pflegeteam zusammengesetzt ist: Deutschland, Serbien, Kroatien, Bosnien, Ukraine, Spanien, Rumänien, Türkei. „Das Gute ist, wir brauchen nur selten einen Übersetzer“, sagt die 50-Jährige.

Kramer-Radojevic gehört zu einer älteren Generation von ausländischen Fachkräften. Bereits 1997, lange vor Eintritt ihres Landes in die Europäische Union im Jahr 2013, kam sie nach Deutschland. Da war sie 23 und hatte schon in Kroatien als Krankenschwester gearbeitet. Auch damals warb man im Ausland um Fachkräfte, sie kam zunächst in eine Klinik nach Lenggries. Um ihre Ausbildung anerkennen zu lassen, musste sie sechs Monate in einem Akutkrankenhaus volontieren. So kam sie nach Schwabing. „Für die Anerkennung musste ich ziemlich viel in Kauf nehmen, sechs Monate ohne Lohn, am Anfang auch ohne richtige Krankenversicherung. Es ist mir schwer gefallen, weil es viel Geld gekostet hat“, erinnert sie sich.

Heutzutage sei es für ihre Landsleute viel leichter, hierher zu kommen, sagt die Pflegerin. Die sogenannte Freizügigkeit der Europäischen Union macht es möglich: Unionsbürger können in jeden anderen Mitgliedstaat einreisen, leben und arbeiten.

Das Spektrum der Beschäftigten aus dem Ausland reicht bei den Stadtwerken von der Versorgung über den Nahverkehr bis zu den Schwimmbädern und der Telekommunikation (Symobolfoto). (Foto: Robert Haas)

Auch die Stadtwerke München (SWM) werben gezielt um ausländische Arbeitskräfte, die meisten kommen aus der EU. Das Spektrum der SWM reicht von der Versorgung mit Energie und Trinkwasser über den öffentlichen Nahverkehr bis zu Schwimmbädern und Telekommunikation, lässt eine Sprecherin wissen. Entsprechend vielfältig seien die Berufe der 11 500 Mitarbeiter – vom Ingenieur über die Tramfahrerin und den Windanlagen-Techniker bis zur Steinmetzin, die in der Bauinstandhaltung etwa Treppen repariert, oder der Textilfachkraft, die in der U-Bahn-Werkstatt Sitzbezüge ausbessert.

18 Prozent aller Mitarbeitenden dort sind Ausländer aus rund 90 Ländern. 266 stammen aus der Türkei, die meisten EU-Bürger kommen aus Kroatien. 243 Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Bereichen sind da. 174 Mitarbeitende kommen aus Bosnien, 149 aus Griechenland und 113 aus Österreich.

Die Zahl der Nicht-EU-Ausländer sei noch klein. 35 stammten etwa aus Afghanistan, 24 aus dem Irak, 19 aus Syrien. Bei den Fahrerinnen und Fahrern von U-Bahn, Bus und Tram ist der Ausländeranteil mit 40 Prozent am größten. Bei den Bädern ist fast jeder dritte Mitarbeiter aus dem Ausland, in der IT sind es nur acht Prozent.

Die Zahlen zeigten, wie wichtig Menschen mit Migrationshintergrund insgesamt für die Stadtwerke München sowie für deren Tochtergesellschaft, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), seien, heißt es.

Die SWM/MVG beteiligen sich dem eigenen Bekunden nach an unterschiedlichen Projekten, um Menschen aus anderen Ländern noch besser anzuwerben. Dazu gehören gezielte Werbeaktionen sowie eine gezielte Zusammenarbeit mit dem Referat für Arbeit und Wirtschaft sowie dem Goethe-Institut.

Besonders gesucht sind Mitarbeiter im Fahrdienst

Derzeit rekrutieren wir Personal mit entsprechenden Partnern in Spanien und haben das Zielland Albanien in der Vorbereitung“, sagt die Sprecherin. Beim Fahrpersonal werden unter anderem Führerscheine aus der EU anerkannt, bei Führerscheinen von außerhalb der EU müssen die Bewerber eine Prüfung ablegen.

Besonders gesucht werden Mitarbeiter für den Fahrdienst bei Bus, U-Bahn und Tram sowie Fachkräfte im gewerblich-technischen Bereich.

Wer eine Ausbildung im Fahrdienst macht, braucht Deutschkenntnisse auf B2-Niveau, er oder sie muss sich also weitgehend mühelos verständigen und auch Texte lesen und verstehen können. Im Verlauf der Sprachausbildung absolvieren die Teilnehmenden ein vier- bis fünfwöchiges Praktikum in den Betriebshöfen der MVG. Wenn sie die B2-Prüfung und das Praktikum bestehen, werden sie zum nächsten Fahrschulkursbeginn eingestellt.

 

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPsychische Probleme
:Lehramtsstudierende und die Angst vor der Psychotherapie

Auch wenn der Leidensdruck enorm ist, suchen sich Lehramtsstudierende bei psychischen Problemen oft keine Hilfe. Aber bedeutet eine Behandlung tatsächlich nicht verbeamtet zu werden? Und gibt es eine Alternative zum Psychotherapeuten?

Von Katharina Haase

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: