Experten reagieren auf Jugendgewalt:Stadt baut geschlossenes Heim

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Die Stadt plant eine kleine Einrichtung zur Intensivbetreuung von gewalttätigen Jugendlichen. Die neue Einrichtung sei aber kein "Erziehungscamp", so das Jugendamt.

Sven Loerzer und Joachim Käppner

Die Pläne der Stadt, ein geschlossenes Heim für extrem schwierige Kinder und Jugendliche zu bauen, sind nun konkret: Entstehen soll eine kleine Einrichtung von maximal zwölf Plätzen. Es sei aber, so Jugendamtschefin Maria Kurz-Adam ausdrücklich, kein "Erziehungscamp", wie es Unionspolitiker nach den jüngsten Gewalttaten in der U-Bahn gefordert hatten.

Der Junge, den die Polizei vor einiger Zeit in der Heckscher-Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie ablieferte, war erst 13 Jahre alt - also noch nicht strafmündig. Er hatte aber schon einige Delikte auf dem Kerbholz, vom Diebstahl bis zu Raufereien. Der Vater, alleinerziehend, konnte oder wollte den Jungen nicht mehr vor der Verwahrlosung retten, die Jugendschutzstellen der Stadt waren hilflos, weil das Kind sofort wieder davonlief.

Und die Heckscher-Klinik hatte auch wenig Möglichkeiten, denn psychisch krank war der Junge ja nicht, nur sehr betrunken, als er aus dem Streifenwagen geladen wurde. "Genau für solche Fälle, die ein erhebliches Potential haben, sich oder andere zu gefährden, braucht eine Metropole wie München eine geschlossene Einrichtung", sagt der ärztliche Direktor der Klinik, Franz Joseph Freisleder.

Er gehört zu der Expertenrunde, zu der das Jugendamt schon vor den Gewalttaten Jugendlicher in der U-Bahn und der anschließenden Debatte über das Jugendstrafrecht eingeladen hatte. Es herrschte Übereinstimmung, dass Bedarf zur akuten Krisenversorgung nur für einen "ganz kleinen Kreis von Kindern und Jugendlichen im Alter von etwa elf bis 17 Jahren" bestehe, so Kurz-Adam zur SZ.

Voraussetzung "zur Aufnahme für einen Tag bis zu maximal drei Monaten ist die akute Selbst- oder Fremdgefährdung". Dabei gehe es um die Kurzzeitunterbringung mit der Möglichkeit zu freiheitsentziehenden Maßnahmen. Die Stadt strebt eine enge Zusammenarbeit mit der Heckscher Klinik an. So sollen junge Menschen, die möglicherweise eine Karriere zum Intensivtäter machen, rechtzeitig wieder auf die rechte Bahn gebracht werden.

Ende Mai soll der Stadtrat entscheiden, ob er das Jugendamt beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, einen Standort zu suchen und die Finanzierung zu sichern. "Das wird richtig teuer", sagt die Jugendamtschefin, nicht nur von den Baukosten her. "Eine Kriseneinrichtung braucht viel Personal." Deshalb sei mit einem Tagessatz um 350 Euro pro Platz zu rechnen.

Einig waren sich die Experten, dass die Angebote für eine längere, freiheitsentziehende Unterbringung in Gauting (für Mädchen) und Rummelsberg (für Jungen) ausreichen. Ebenso seien "Erziehungscamps" kein Thema gewesen für die Experten aus Jugendgericht, Familiengericht, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Staatlichem Schulamt, Jugendgerichtshilfe, Deutschem Jugendinstitut, Landesjugendamt, Staatswaltschaft, Polizei und Sozialbürgerhäusern.

Freisleder hält die Einrichtung für eine ultima ratio: "Eine sehr kleine Gruppe von Minderjährigen ist anders nicht zu erreichen." Er freue sich über die Planung, "die vor zehn Jahren noch gar nicht möglich gewesen wäre. Damals hielten Pädagogik und Jugendhilfe geschlossene Einrichtungen schlicht für reaktionär." Geplant sei nun das Gegenteil eines "Kinderknastes", nämlich eine Einrichtung, in der sich der junge Mensch der Betreuung nicht einfach entziehen könne.

Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer begrüßte das Vorhaben der Stadt: "Wichtig ist, dass Problemjugendliche eine schnelle und entschiedene Reaktion des Staates erleben - und dass sie mit den Wertvorstellungen der Gesellschaft konfrontiert werden."

© SZ vom 15.02.2008/ngh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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