Experten-Interview:"Das Verbot ist wichtig, um ein Signal zu setzen"

Weil der Verfassungsschutz ihrem Trägerverein Verbindungen zu Islamisten unterstellt, soll die Deutsch-Islamische Schule in Freimann ihre staatliche Genehmigung verlieren. Mit Recht?

Jan Bielicki

Die Marburger Islamwissenschaftlerin Ursula Spuler-Stegemann, 66, ist Expertin für islamischen Strömungen in Deutschland.

SZ: Wie ist die Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD), lange Zeit Träger des Islamischen Zentrums und der Schule in Freimann, einzuschätzen?

Ursula Spuler-Stegemann: Wenn man die Entstehung der IGD betrachtet, ist ihre Nähe zur Muslimbruderschaft wohl kaum zu leugnen. Und wenn solche Verbindungen zu vermuten sind, wofür einiges spricht, kann eine solche Schule keinen Fortbestand haben.

SZ: Warum nicht? Die Schule, das Islamische Zentrum München und auch die IGD lehnen in ihren Verlautbarungen Gewalt entschieden ab und beteuern, für die Integration der Muslime in die deutsche Gesellschaft zu arbeiten.

Spuler-Stegemann: Man muss sich auch das Umfeld ansehen. Dazu gehört etwa ein Verlag, der Schriften von Fatima Grimm verlegt hat. Sie forderte darin Mütter auf, ihre Kinder für den Dschihad, den Glaubenskampf, freizugeben. Auch Ahmad von Denffer vom Islamischen Zentrum hat schon einmal klar gefordert, dass die deutsche Gesellschaft in eine islamgemäße umzuwandeln sei. Das sind nur ein paar von zahlreichen Äußerungen aus diesem Kreis, die zweifeln lassen, ob hier wirklich Integration gefördert wird.

SZ: Welche Rolle spielen die Muslimbrüder, mit denen Verfassungsschützer die IGD verquickt sehen, im Welt-Islam?

Spuler-Stegemann: Die Muslimbrüder sind eine entscheidende geistige Führungskraft in der islamisch-arabischen Welt. Mit ihren militanten und nicht-militanten Verzweigungen sind sie eine der stärksten und am besten vernetzten Organisationen der islamistischen Szene. Ihre Schriften haben enormen Einfluss unter jungen Muslimen. Aber leisten auch sehr konkrete Hilfe, wo soziale Not ist. Das macht die Brüder natürlich attraktiv.

SZ: Was treibt in Deutschland lebende Muslime zu solchen Organisationen?

Spuler-Stegemann: Zunächst fühlen sich zu viele hier nicht als gleichberechtigt angenommen, gerade in der derzeitigen wirtschaftlichen Krise. Besonders junge Menschen mit viel Idealismus glauben im Islam ihree Erfüllung zu finden. Das wird von Islamisten missbraucht.

SZ: Treiben Verbote junge Muslime nicht erst recht in die Radikalität?

Spuler-Stegemann: Man macht einen großen Fehler, wenn man nicht erkennt, dass Terrorismus im Kopf anfängt. Deshalb sind Verbote wichtig, um Signale zu setzen. Vor allemaber muss die Politik positive Gegenmodelle entwickeln. Das beginnt bei einer multireligiösen Erziehung in den Kindergärten. Und dann müssen die Schulen allen Kindern gleich welcher Herkunft nicht nur Religionsunterricht bieten, sondern auch verstärkt eine Staatskunde, die ihnen ein positives Bild unserer freien Gesellschaft vermittelt. Jedenfalls darf der Staat die Integration nicht islamischen Vereinen oder Runden Tischen überlassen.

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