Ex-Topmodel-Kandidatin Marie Nasemann:Spieglein, Spieglein an der Wand

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Etwas von Schneewittchen, klassisch zeitlos schön - die 24-jährige Marie Nasemann will nun auch als Schauspielerin Karriere machen. (Foto: N/A)

Schon als Kind wurde Marie Nasemann gesagt, wie schön sie ist. Das Weinen musste sie nach ihrer Teilnahme bei "Germany's next Topmodel" da erst einmal lernen - mithilfe von Spiegel und Handykamera. Wie das der ehrgeizigen Münchnerin gelungen ist, lässt sich am Sonntag in einer ZDF-Schnulze begutachten.

Von Philipp Crone

Sie konnte alle Emotionen auf Kommando, nur weinen nicht. Marie Nasemann wurde 2009 in der Sendung "Germany's next Topmodel" (GNTM) bekannt und ist heute Model und Moderatorin. An diesem Sonntag ist sie nun im ZDF auch als Schauspielerin zu sehen, sie spielt eine traurige Kellnerin. Wie aber lernt man das Weinen? Nasemann hat sich dabei gefilmt, als sie einmal wirklich sehr traurig war und geheult hat. Sie hat ihr Handy genommen und sich selbst im Spiegel beim Weinen aufgenommen. Damit hatte das wenigstens noch etwas Gutes, sagt sie.

Wer in tiefer Trauer noch an seine Karriere denkt, ist ehrgeizig. Wer so eine Geschichte erzählt, der ist ehrlich. Dass Nasemann ehrgeizig ist, bestreitet sie nicht, aber wenn die 24-Jährige aus Gauting mit den dunklen langen Haaren von sich erzählt, dann ist nicht ganz klar, wie viel Nasemann zu hören ist und wie viel von einer durch jahrelange Vermarktung perfekt getrimmten Figur.

Wenn Nasemann also an einem grauen Vormittag durch die Münchner Fußgängerzone spaziert und ihre Geschichte erzählt, die sie - die Selbstvermarktung läuft - in diesen Tagen wieder öfter erzählt, vor dem ZDF-Film und während der achten Topmodel-Staffel, dann muss man gut hinhören, um den Menschen ein wenig greifen zu können. Es ist ja auch nicht einfach, allein schon die Karriere: Model, Moderatorin, Schauspielerin. So steht das in etwa 80 Prozent aller Lebensläufe, die man von halbbekannten Schönheiten der Society lesen kann. Doch in diesem Fall ist da mehr als das Klischee.

"In der Kaufingerstraße wurde ich angesprochen, beim Karstadt", sagt Nasemann. 2004 war das, und Nasemann 16. Jemand fragte, ob sie nicht mal modeln wolle. Er stellte die Frage, von der auch derzeit wieder Tausende Mädchen träumen, wenn sie Heidi Klum dabei zusehen, wie sie den diesjährigen Kandidatinnen ihre einstudierten Hoffnungsfloskeln hinwirft. Nasemann sagte zu und machte zwei Fotoshootings. "Die Model-Bilder habe ich dann an Münchner Agenturen geschickt, die zweite hat mich genommen."

Nasemann sieht immer ein wenig so aus, als ob sie sich nicht besonders wohl fühlen würde in ihrer Rolle als Model. Das täuscht. Sie stand schon mit neun vor der Kamera. Später setzte sie eine Zeit lang aus, Zahnspange, aber dass sie gut aussah, war klar. "Wir hatten in der Klasse viele schöne Mädchen und haben Listen geführt, wer bei den Details die Schönste war. Ich war Beine und Augen." Ihre Augen sind bei diesem Satz weit aufgerissen, die Beine mittlerweile unter einem Café-Tisch verräumt, der Cappuccino ohne Zucker ausgelöffelt.

Die Agenturen besetzen Nasemann später für Foto-Lovestories von Teenie-Magazinen, und 2009, nach dem Abitur, entscheidet sie sich für das Topmodel-Casting, "einen Tag vorher". Wer schon als Kind und in der Schule gesagt bekommt, dass er toll aussieht, der muss bei Heidi Klum auch nicht weinen, der weint so wenig, dass er es später erst lernen muss. 3500 Mädchen bewerben sich, Nasemann ist eine von 17, die nach Los Angeles fliegen dürfen, am Ende wird sie Dritte.

Nasemann wird erkannt, auch an diesem Vormittag in der Fußgängerzone und im Café. Die Leute sehen ihr ins Gesicht, sehen wieder weg, und dann wieder hin. Auch die Siegerin von 2009, Sara Nuru, ist den Münchnern noch ein Begriff. Warum kennt man die beiden, aber viele andere danach nicht? Beide sind aus München, und "2009 hatten wir die beste Einschaltquote". Der Satz kommt schnell und laut. Darauf ist Nasemann also stolz, wirklich. Danach sagt sie: "Ich bin stolz darauf, was ich bei GNTM erreicht habe." Der Satz gehört zu den erlernten PR-Schnipseln.

Nach der Sendung 2009 ist sie als Model zwei Monate in Paris, zweieinhalb in Australien und Neuseeland, in einer eigenen Welt. "Ich konnte mir aussuchen, wohin ich will, und die Agentur hat dann nach Jobs in der Stadt gesucht." Ob sich da Freundschaften ergeben? Die Antwort ist ein Lachen. Auch deshalb probiert sie andere Dinge aus, beginnt ein Fernstudium. "Schauspieler sind tiefgründiger, da dreht sich nicht immer alles nur um Maße, Aussehen und Ernährung." Wenn Schauspieler, bei denen sich auch oft alles um Rolle und Karriere dreht, schon generell als tiefgründig wahrgenommen werden, muss es für Nasemann hart sein im Modelgeschäft.

Die Dinge ergeben sich nach 2009 eine Zeit lang wie von selbst. Bei einem Radio-Interview soll Nasemann eine Band ankündigen, was sie so gut macht, dass sie bald selbst moderiert, und auch schon als Darstellerin zu sehen ist. Hier mal bei Marienhof, da ein paar Auftritte in einer Sat-1-Serie. Sara Nuru, mit der Nasemann noch Kontakt hat, empfiehlt ihr eine Schauspiellehrerin, denn natürlich probiert Nuru sich da auch. Schönheit ist ja vor der Kamera keine schlechte Voraussetzung.

Peyman Amin, Modelagent und bei GNTM 2009 in der Jury, sagt: "Die Kombination gibt es häufig. Man muss ja auch als Model Emotionen zeigen können." Für ihn hat Nasemann "etwas von Schneewittchen, sie ist klassisch und zeitlos schön".

Und nun also die Kellnerin in der Liebesschnulze "Ein Sommer in Amalfi", der Titel ist Beschreibung genug. Nasemann serviert die Dolci ohne Probleme, und sie weint, was das Zeug hält, als der Filmpapa ihr verbietet, sich weiter mit ihrem Freund zu treffen. Dazu hat Nasemann noch eine zweite Ehrgeiz-Anekdote. Sie hat sich von ihrem Vater einen sehr emotionalen Text auf Band sprechen lassen, den sie sich vor dem Dreh anhörte - und am Set heulte wie ein Vollprofi. So macht das jemand, der wenig dem Zufall überlassen will. Jemand, der sehr ehrgeizig ist, aber auch klug genug, sich das nicht anmerken zu lassen. Amin, der Model-Experte, sagt: "Sie hat eine gesunde Einstellung zu dem Geschäft, ist nicht aufgesetzt, sondern unaufgeregt. Kein Starlet, sie hat Stil."

Wenn Nasemann spricht, ruft sie unbewusst ihre Posen ab: Kinn auf die Faust, Haare streichen, Arm ablegen und zurücklehnen oder mit den Fingern auf den Tisch klopfen. Letzteres passiert, wenn sie die Fragen schon kennt. Zum Beispiel: Model, Moderatorin, Schauspielerin, Klischeekarriere? Antwort: "Damit werde ich oft konfrontiert. Aber es ist nun mal so: Ich habe in allen Bereichen kontinuierlich Aufträge, und sie machen mir Spaß." Punkt. Dafür spricht auch die Tatsache, dass Nasemann zuletzt nicht mehr so häufig auf Societyfesten zu sehen war. Da gilt die grundsätzliche Regel: Wer es sich leisten kann, nicht auf den roten Teppichen der Stadt herumzulaufen, ist gut im Geschäft.

Mit Musik hat sie es auch probiert. Schulband, Klavier, Gitarre, Chor, ein Video zu einem klebrigen Poplied, das wunderbar zu GNTM passen würde. "Das waren Spaßaktionen", sagt sie. Die Musikrichtung hat eben nicht funktioniert, und so verkauft man das dann.

Die Schauspielerei funktioniert besser, demnächst dreht Nasemann einen Kurzfilm mit Anke Engelke. Die Ziele sind klar: "Innerhalb der nächsten zwei Jahre einmal im Tatort mitspielen. In zehn Jahren jede Menge Kinofilme drehen." Beim zweiten Satz lacht Marie Nasemann, aber es sieht nicht nach Ironie aus.

© SZ vom 03.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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