"Laut in München":Joe Cocker und Beth Ditto im Gewerbegebiet

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Der Musikkonzern Sony Music bereitet sich auf das Weihnachtsgeschäft vor - und fliegt dazu Joe Cocker und Beth Ditto ein.

Christina Maria Berr

Das geht nun schon seit Stunden so: Ein Video-Schnipsel mit Eigenlob, ein paar euphorische Worte - und dann wieder ein Liveauftritt: In den Eisbachstudios im Münchner Westen präsentiert Sony Music am gestrigen Donnerstagabend sein neues Weihnachtsprogramm mit einigen Frühjahrshoffungen - und lässt dafür eine ganze Menge Bands einfliegen. So kommt es, dass an diesem Abend Joe Cocker und Gossip mitten im Nirgendwo im Gewerbegebiet an den Pasinger Bahngleisen auftreten.

Beth Ditto in Pasing: Gossip ist der Schluss-Act bei der Musikveranstaltung "Laut in München." (Foto: Getty Images)

Am Backstage-Eingang ist das Gewusel bereits groß, während drinnen die 800 Zuschauer brav auf ihren Stühlen sitzen - und das Mammutevent von 14 Uhr bis in die Nacht hinein über sich ergehen lassen. Schließlich ist das Programm eine Überraschung - man könnte also was verpassen. So passiert es auch. "Michael Jackson?", meint ein Gast erstaunt, nachdem er sich eine Pause gegönnt hat. Denn drinnen wird derweil ein bislang unveröffentlichter Song des King of Pop gespielt, der demnächst auf CD erscheint. Und so kommt es, dass die vermutlich letzten CDs mit Neuerscheinungen von Jackson Weltpremiere im Pasinger Gewerbegebiet haben. Also besser keine Pause machen.

Stattdessen wieder Grußbotschaften von Neu-Sony-Mann Hape Kerkeling ("Liebe Vertriebsgegner"), von Pink ("Have fun"), von den Prinzen über das "hartsteinige Musikbusiness". Und wenn ein Künstler nicht Platin, Hitlisteneinträge - oder wenigstens große Werbeaufträge vorweisen kann, wird kurzerhand eine eigene Kategorie erfunden: "Der längste Wendler aller Zeiten", erklärt das Musikunternehmen.

Optimismus ist groß an diesem Abend und wichtig, denn Sony-Music-Chef Edgar Berger erklärt, man müsse im Weihnachtsgeschäft noch zulegen: "Wir haben noch ein bisschen was aufzuholen." Und das, obwohl tatsächlich viele Künstler in den Top-Listen gelandet sind. Dann darf er Andrea Berg Platin für ihr neues Album überreichen und einen "Spezial-Award" für zehn Millionen verkaufte Platten bekommt sie auch noch. Den solle ihr aber bitteschön der Sony-Chef zum Auto tragen. Wer große Geschenke macht, muss eben auch schleppen.

Andrea wer?, fragt einer, der es eigentlich wissen müsste, denn es ist eine Veranstaltung für Fachpublikum, für Händler, Journalisten und Vertriebsleute. Der Star in der Schlagerszene tritt auf die Bühne, zitiert sich selbst ("Ich würd's wieder machen") und verschwindet sogleich wieder. Dem Andrea-Wer-Publikum wollte man ein Schmankerl aus dem Schlagerrepertoire offenbar nicht gönnen. Stattdessen kommen lieber Comedian Atze Schröder, US-Sänger Adam Lambert ("What do you want for me"), die Gruppe Ting Tings und Revolverheld.

"Ich geh schlafen, tschüssi!"

Und dann kurz vor dem Abendessen, tritt Joe Cocker auf. Im Nadelstreifen-Anzug, mit zwei sexy gekleideten Backgroundsängerinnen in schwarzen Glitzerminis steht er auf der Bühne und es gelingt ihm, was bei diesem Publikum - man mag es kritisch, lustlos oder auch von den vorangegangenen Lobeshymnen plattgequasselt nennen - wohl niemand mehr für möglich gehalten hätte. Ein Song und das Publikum steht.

Cocker zieht sein Jackett aus, er schwitzt bereits - und singt Unforgiven. Seine Finger fliegen derweil nervös durch die Luft. Gewohnt ernst, fast schon misslaunig blickt er drein. Und man versteht, dieser Mann meint es verdammt ernst: Unchain my Heart. Mit diesem Hit hat es Cocker endgültig geschafft, Cocker hüpft in die Luft, das Publikum hüpft mit. Auch wenn das später, beim Essen, keiner zugeben will. Da ist sein Auftritt schon wieder vorbei. Und Cocker, nun in speckiger Lederjacke und Jeans, entschwindet samt Tross in die Nacht.

Doch da wird schon Beth Ditto mit ihrer Band Gossip angekündigt. Der "musikalische Leckerbissen", so Sony-Music-Chef Berger, gibt das Schlusskonzert an diesem Abend. In gewagt schwarzweißgemustertem Kleid springt sie über die Bühne streut ein paar deutsche, bisweilen unverständliche Floskeln zwischen ihre Songs ein, erklärt - und droht zwischendurch mal: "Ich geh schlafen, tschüssi." Aber da ist der Abend in Wahrheit noch jung. Denn es wird, wie Ditto meint: "Another german party."

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