Süddeutsche Zeitung

Event in Muffathalle:Entführung in eine fremde Welt

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Die Aufführungen vom Electric Lounge Orchestra sprengen alle Formate: sie sind Installation, Konzert, elektronische Clubnacht und Theaterstück in einem.

Kaline Thyroff

Musik ohne Bilder gibt es für ihn nicht, behauptet Bülent Kullukcu. Mag sein, dass er ein Synästhetiker ist, einer, bei dem gehörte Töne vor dem inneren Auge unausweichlich Farben, Formen und Muster erzeugen.

Wer einmal ein Konzert - oder besser formuliert: eine Aufführung - von Kullukcus Electric Lounge Orchestra erlebt hat, wird sich, auch ganz ohne synästhetische Fähigkeiten, vorstellen können, wie die Verschmelzung aus akustischen und optischen Sinneswahrnehmungen funktioniert.

Das verspricht bereits die Probe in der Muffathalle, die schon Tage vor der Premiere als Halle gar nicht wiederzuerkennen ist. Es hat was von einem Raumschiff, wenn Kullukcu, der Münchner Soundtüftler, Theatermusiker, Drehbuchautor, Filmemacher und Kopf des Projektes "Generation Aldi", in einem riesigen weißen Zylinder die Kontrolle über sein Mischpult übernimmt.

Um ihn herum drehen sich über dreißig kreisrund aufgebaute Plattenspieler, sein Co-Pilot ist der Grafiker Tobias Gremmler. Monatelang haben die beiden mit Muffathallenchef Dietmar Lupfer an einem neuen Programm des vor acht Jahren gegründeten Electric Lounge Orchestras gearbeitet.

Die Plattenspieler stammen allesamt vom Flohmarkt, für jeden einzelnen hat Kullukcu digitale Loops produziert und auf Platte gepresst, Gremmler hat die passenden Visuals komponiert. "Hybrid Loops" heißt das Ergebnis - ein Zusammenspiel aus digitaler und analoger Technik, Virtualität und Realität, Klang, Bild und Raum.

Während Visuals, wie man sie aus Clubs kennt, meistens nicht mehr als ein wenig beachtetes Beiwerk sind, kommt man ihnen hier nicht aus. Das Publikum ist mittendrin, an Bord des zylinderförmigen Raumschiffs, umgeben von einer 360 Grad Projektion.

Lichtflecken pumpen im Rhythmus der Sounds, die Kullukcu live aus den Plattenspielern zusammenmischt, später verwandeln sie sich in riesige animierte Köpfe, die die Töne auszuspucken scheinen. Gremmlers Bilder reagieren direkt auf die Tonsignale, die Kullukcu durch sein Mischpult jagt - erst im Zusammenspiel ergibt beides einen Sinn.

Das Electric Lounge Orchestra ist ein außergewöhnliches Projekt. Es ist Installation, Konzert, elektronische Clubnacht und Theaterstück gleichzeitig. Trotzdem geht es weniger ums Verstehen, Zusehen, Zuhören und Tanzen als ums Erleben.

Die Bilder- und Musikmaschine im Inneren des zylinderförmigen Raums saugt den Zuschauer auf und wartet auf Reaktionen. Von Verwunderung und Staunen über weiche Knie bis hin zum Drehwurm ist da alles drin.

Heute und morgen, jeweils 21 Uhr, Zellstraße 4..

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SZ vom 02.10.2008/lado
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