Europäisches Patentamt:Sturm im Glashaus

Europäisches Patentamt

Das Europäische Patentamt in München hat in einer Studie untersucht, wie sich Schutzrechte für die Firmen auszahlen.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Das Europäische Patentamt kommt nicht zur Ruhe: Neue interne Ermittlungen, die sich gegen Personalvertreter richten, sorgen für Aufsehen. Weil die hauseigene Ermittlungsabteilung personell überlastet sei, sollen nun Krisenspezialisten aus London Mobbingvorwürfen nachgehen.

Von Katja Riedel

Die Entspannung hat nur kurz angedauert

Die juristische Fachzeitschrift Juve steht nicht gerade für flapsige Sprache, und wenn Juve also die Krise des Europäischen Patentamtes (Epa) mit dem Sturmtief Niklas über München vergleicht, dann scheint das Blatt die Situation für ziemlich verheerend zu halten. Tatsächlich tobt in dem gläsernen Gebäude an der Isar seit vielen Monaten ein Sturm - und eine sehr kurze Entspannungsphase scheint nun schon wieder vorbei zu sein.

"Social Dialogue" heißt jene von höchster Stelle verordnete Friedensrunde, in der der Präsident des Amtes, Benoît Battistelli, und Vertreter der bisher offiziell nicht anerkannten Gewerkschaft Suepo miteinander sprechen sollten. Dieser Dialog, an dessen Ende nicht nur Konflikte ausgeräumt, sondern auch die Gewerkschaft formal anerkannt sein sollte, scheint nun schon wieder gescheitert zu sein - nach dem zweiten Arbeitstreffen, das am vergangenen Donnerstag stattfand. Jedenfalls sehen das Personalvertreter so.

Das Amt steht vor großen Veränderungen

Augenwischerei, Marketing für den Präsidenten - mehr sei bisher bei den Gesprächen nicht herausgekommen, und mehr sei auch nicht mehr zu erwarten, ist zu hören. Das Amt, so sein Sprecher Rainer Osterwalder, hofft hingegen darauf, dass der Gesprächsfaden nun nicht abreiße, kaum dass er einmal aufgenommen wurde. Man hat sich viel von den Gesprächen erhofft.

Der Verwaltungsrat, in dem Vertreter der 38 Mitgliedsstaaten sitzen, hatte diesen Dialog eingefordert, weil der Konflikt zwischen Belegschaft und Amtsführung längst Funktion und Ansehen des Epa beschädigt. Das Amt steht vor großen Veränderungen. Doch seit mehr als einem Jahr haben die Mitarbeitervertreter lautstark gegen das Reformwerk Battistellis protestiert.

Die Reform soll die Effizienz der Patentprüfungen steigern, und das ist auch gelungen. Um 16 Prozent soll die Produktivität der Patentprüfer in den ersten drei Monaten des Jahres gestiegen sein. Davon profitieren die Mitgliedsstaaten. Deutschland soll zuletzt 140 Millionen Euro aus den Gewinnen bekommen haben, die das Epa erzielt, heißt es bei der Gewerkschaft. Geistiges Eigentum zu schützen, ist für die Einzelstaaten attraktiv - und je mehr Patente erteilt werden, desto lukrativer.

Viele Veränderungen für die Mitarbeiter

Für die Mitarbeiter bringt die Reform viele Änderungen, zum Beispiel ein neues, leistungsorientiertes Karrieresystem; es beinhaltet Eingriffe und Kontrollen der Mitarbeiter, gegen die sie protestieren. Wer krankheitsbedingt ausfällt, bekommt zum Beispiel Abzüge. Mitarbeiter fürchten, dass der Druck auf Patentprüfer zwar zu mehr Patenten führe, zugleich aber die Qualität leide. Dieser Sorge haben zuletzt nicht nur die Mitarbeiter Ausdruck verliehen, sondern auch Patentanwälte.

Dass sich die Stimmung am Epa so sehr verschlechtert hat, liegt auch an internen Ermittlungen der so genannten Investigation Unit, einer Ermittlungseinheit, die Vorwürfe gegen Mitarbeiter prüft - zum Beispiel wegen Mobbings. Jeder Mitarbeiter kann diese Vorwürfe gegen Kollegen und Vorgesetzte erheben, es folgen Zeugenvernehmungen, erst am Ende werden Beschuldigte vernommen. Diese Einheit hatte in den vergangenen Monaten viel zu tun - weil sich anonyme Anschuldigungen, Diffamierungen und Bedrohungen häuften.

Zu einem regelrechten Skandal wuchs sich ein Hausverbot aus, das Battistelli gegen einen eigentlich unabhängigen Richter aussprach. Battistelli verdächtigte ihn, Urheber solcher Schreiben zu sein, und ließ ihn vor die Tür setzen - um Beweise zu sichern, argumentierte er. Suspendieren durfte den Richter aber nur der Verwaltungsrat als höchstes Gremium, und der hieß das Vorgehen erst nachträglich gut. All dem folgte ein Sturm der Entrüstung, doch Battistelli steht weiter zu seinem Vorgehen.

Die interne Ermittlungsabteilung ist überlastet

Jetzt gibt es eine neue interne Ermittlung, die für Aufsehen sorgt - und die alles andere als förderlich für den vereinbarten Friedensdialog zu sein scheint. Diese Untersuchung richtet sich nämlich ausgerechnet gegen Personalvertreter. Wer von ihnen namentlich beschuldigt wird, ist noch nicht bekannt. Zeugen wurden bereits gehört, um Mobbingvorwürfen nachzugehen. Die Beschuldigten wurden noch nicht vernommen.

Für die neue Untersuchung hat die Einheit sich Hilfe geholt. Weil die interne Ermittlungsabteilung personell überlastet sei, habe diese ein externes Unternehmen beauftragt, behilflich zu sein, sagt Epa-Sprecher Osterwalder. Es soll sich bei dem Unternehmen um die in London ansässige Control Risks Group handeln, die international ermittelt - und die nach eigenen Angaben darauf spezialisiert ist, "Organisationen zu helfen, mit politischen und Sicherheitsrisiken in komplexen und feindlichen Umgebungen" umzugehen. Echte Krisenspezialisten also. Nicht der Präsident, sondern die Abteilung selbst habe diese Firma ausgewählt, betont Epa-Sprecher Osterwalder. Battistelli selbst sei nicht über den Inhalt solcher Untersuchungen informiert, jeder Mitarbeiter könne zudem Meldung machen und so eine Ermittlung veranlassen. Erst wenn die Fakten feststünden, entscheide der Präsident über disziplinarische Maßnahmen.

Für die möglicherweise beschuldigten Gewerkschaftsvertreter, die mit ihm über den sozialen Frieden verhandeln sollen, ist das ein schwacher Trost.

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