Kommunalwahl in München:Wie die Parteien um Stimmen der EU-Ausländer buhlen

Kommunalwahl in München: Die Linke will mit ihrem Wahlplakat Münchner mit verschiedenen Muttersprachen zur Wahl bringen - andere Parteien haben ähnliche Plakate.

Die Linke will mit ihrem Wahlplakat Münchner mit verschiedenen Muttersprachen zur Wahl bringen - andere Parteien haben ähnliche Plakate.

(Foto: Robert Haas)

Mehr als 178.000 EU-Bürger dürfen bei der Kommunalwahl in München ihre Stimme abgeben. Die Parteien haben erkannt, dass sie dieses Potenzial nutzen müssen - und werben gezielt bei Italienern, Kroaten oder Griechen.

Von Melanie Staudinger

Es ist ein nicht ganz alltägliches Plakat, mit dem die Linken in München Menschen zum Wählen auffordern: "Andate a votare! Vayan a votar! Vote!" steht mit weißer Schrift auf rotem Hintergrund. Vielsprachig präsentieren sich auch die Jusos. Sie verteilen eine Postkarte mit dem Slogan "Dein München" in 21 verschiedenen Sprachen. Und OB-Kandidatin Sabine Nallinger von den Grünen ließ ihren Flyer mit ihren Visionen für die Stadt unter anderem ins Spanische, Griechische, Polnische oder Kroatische übersetzen.

Mit den Aktionen wollen die Parteien nicht nur zeigen, dass sie für ein weltoffenes München stehen und rechten Gruppierungen entgegentreten. Sie wollen zudem eine Wählergruppe ansprechen, die nicht zu unterschätzen ist: die in München lebenden Ausländer aus EU-Staaten, die bei Kommunalwahlen, anders als auf Landes- oder Bundesebene, wählen dürfen.

Alles andere als eine Randgruppe

Als Randgruppe kann man diese EU-Bürger nicht gerade bezeichnen. Nach Angaben des Kreisverwaltungsreferats sind am Sonntag 178 214 Münchner ohne deutschen Pass wahlberechtigt, insgesamt sind 1 094 563 Münchner zur Wahl von Oberbürgermeister, Stadtrat und Bezirksausschuss aufgerufen. Mit mehr als 24 500 Stimmberechtigten stellen die Kroaten die größte Gruppe innerhalb der EU-Ausländer, gefolgt von den Griechen und Italienern mit jeweils gut 22 000 Stimmberechtigten und den Österreichern mit etwa 20 000. Das kleinste Kontingent bilden 30 Malteser. Der Anteil der EU-Ausländer in der Stadt wächst beständig: 2008 waren es noch 113 999 Wahlberechtigte - was nicht nur am Zuzug liegt, sondern auch an der Erweiterung der EU.

Um diese Wähler anzusprechen, verfolgen die Parteien unterschiedliche Strategien. Mehrsprachige Kurzwahlprogramme wie Nallinger bieten vor allem die kleineren Parteien, die Linke etwa oder die FDP. Zumeist haben Ehrenamtliche beim Übersetzen geholfen. "Es ist wichtig, die EU-Bürger überhaupt auf ihr Wahlrecht aufmerksam zu machen", sagt Grünen-Stadtsprecherin Katharina Schulze. Ihre Partei fing damit ziemlich früh an. Als Schulze vergangenes Jahr für den Landtag kandidierte, wies sie bei ihren Haustürbesuchen stets auf die Kommunalwahl hin. "In einer Stadt, in der ein Drittel aller Menschen einen Migrationshintergrund hat, wäre es total falsch, einen rein deutschen Wahlkampf zu führen", sagt Schulze. Viele EU-Ausländer brächten sich gerne ein - sei es in der Schule, dem Sportklub, anderen Vereinen oder in der Politik, sagt Nallinger: "Dabei sollten wir sie unterstützen."

Viele Parteien haben darauf geachtet, Kandidaten mit Migrationshintergrund auf ihren Listen für den Stadtrat zu positionieren, als OB-Kandidaten dürfen laut Wahlrecht nur deutsche Staatsangehörige antreten. Bei der Linken zum Beispiel steht auf Platz zwei Cetin Oraner. Er hat türkische Wurzeln und warb bei türkischen Familien, die sich einbürgern ließen, für die Kommunalwahl. Seine Linken-Kollegen Eric Bourguignon (Frankreich) und Pavlos Delkos (Griechenland) taten selbiges bei ihren Landsleuten. "Die Vielfalt in der Gesellschaft soll sich auch im Stadtrat widerspiegeln", sagt OB-Kandidatin Brigitte Wolf.

Thematische Veranstaltungen

Die SPD setzt vor allem auf thematische Veranstaltungen. Die Italienerin Daniela Di Benedetto, die für den Stadtrat kandidiert, organisierte unlängst ein Treffen für Neumünchner - etwa 50 aus Italien, Griechenland und anderen EU-Ländern kamen. Sie konnten sich über das Leben in München informieren, darüber, wie ein deutsches Bewerbungsschreiben verfasst sein sollte oder wo sie Kontakt zu Landsleuten aufnehmen können. "Wir wollen mit der Party ein Zugehörigkeitsgefühl vermitteln", sagt Di Benedetto. Der griechische SPD-Stadtrat Constantinos Gianacacos moderierte ein Gespräch des OB-Kandidaten Dieter Reiter in der griechisch-orthodoxen Allerheiligengemeinde. Milos Vujovic - er steht auf Platz 65 - will vor allem die jüngeren Wähler ansprechen. "Die erste Generation der Einwanderer sieht eher noch die Notwendigkeit, sich politisch zu engagieren", sagt der Kroate. Bei der zweiten Generation sei die Motivation schon schwieriger. "Die müssen wir direkt ansprechen."

Diese Erkenntnis ist auch bei der Münchner CSU angekommen. Die Parteifreunde auf Landesebene hatten um die Jahreswende noch mit dem Slogan "Wer betrügt, der fliegt" Stimmung gemacht, der Münchner OB-Bewerber Josef Schmid distanzierte sich aber sofort von diesem Spruch. Während seiner Wahlkampftour besuchte er die griechische Gemeinde, sprach mit Vertretern der Kroaten, der türkischen Akademiker und der Uiguren und wollte sogar an einer französischsprachigen Podiumsdiskussion teilnehmen. "Die musste ich aber leider aus Termingründen absagen", erklärt Schmid. Er will ausländische Vereine gerade im kulturellen Bereich unterstützen. "Wir sollten ihnen die Möglichkeit geben, ihre Traditionen bewahren zu können", sagt Schmid.

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