Essen:Grillen ist Kochen für Poser

Wochenendumfrage Grillen

Kein Grillen ohne Show.

(Foto: dpa)

Letztlich geht es nicht um das Essen, das dabei herauskommt, sondern um das Gegockel des Gastgebers - egal ob am teuren Elektrogrill in Grünwald oder mit dem Kohlehaufen am Flaucher.

Kolumne von Franz Kotteder

Grillen ist kochen für Poser, da sind wir uns ja wohl einig. Hier können Männer, die sonst scheu wie ein Reh jedem Herd weiträumig aus dem Weg gehen, geschweige denn, dass sie sich einem Spülbecken näherten, plötzlich ihre Ader für die Nahrungszubereitung entdecken. Warum genau, das ist schon oft erörtert worden. Man geht dabei zurück in jene graue Vorzeit, als der Mensch Bekanntschaft mit dem Feuer machte. Der moderne Mann, so heißt es, entdeckt so seine ursprünglichsten, archaischen Triebe wieder und lebt sie beim Grillen aus. Keine Frage: Solche Erklärungen haben irgendwie auch schon wieder mit Posing zu tun. Man will ja schließlich was Schlaues zum Phänomen beisteuern und kann auf diese Weise immerhin mit C. G. Jung und ein bisschen Fachwissen über Tiefenpsychologie glänzen.

Im Grunde ändert das nichts an der Erkenntnis, dass Frauen weit weniger grillen als Männer und, so sie es doch tun, keine Show drumrum machen. Womöglich haben sie viel mehr Spaß dabei, den Männern beim Grillen zuzusehen. Das ist lehrreich, weil man so erfährt, worin die Beliebtheit des Grillens in allen Gesellschaftsschichten liegt.

Ein Beispiel: der gemeine Flaucher-Griller in München. Der braucht nur einen Einmalgrill von der Tanke, ersatzweise einen Grillrost und einen Sack Grillkohle. Sodann stellt er einen Träger August oder Tegernseer in die Isar, legt einen Steinkreis auf die Kiesfläche, füllt ihn mit Holzkohle auf und kniet sich sodann nieder, um die Glut zu entfachen. Das kann lange dauern, sehr lange. Schafft er es, die Glut zu entfachen, und hat dann noch Luft, wieder aufzustehen, so wird man ihn bald mit stolzgeschwellter Brust, die Grillzange wie ein Zepter in der Hand, vor seinem Werk stehen sehen wie ein Gockel auf dem Mist. Gnädig legt er sodann Würstl und marinierte Steaks auf den Rost, bis es raucht.

Sehr viel anders verhält sich kaum einmal ein anderer Griller. Auch der reiche Grünwalder unterscheidet sich da nur in Nuancen. Er mag auf Grillgeräte von amerikanischen Herstellern schwören, die den Gegenwert eines E-Bikes übersteigen: Letztlich geht es nicht um das Essen, das dabei herauskommt, sondern um das Gegockel des Gastgebers. Und das finden manche halt umso eindrucksvoller, je teurer das Gerät, das dabei im Spiel ist.

Dem ist unbedingt etwas entgegensetzen, was hiermit geschehen soll. Im Sinne der Aufklärung also: Liebe Grillfreunde, bedenket das Ende eures Tuns und achtet auch auf die Speise, die ihr bereitet.

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