Esperanto:Wenn alle eine Sprache sprechen

Esperanto: Esperantoleser: Karl Breuninger beherbergt in seinem Haus in Germering die Bibliothek des Münchner Esperantoclubs.

Esperantoleser: Karl Breuninger beherbergt in seinem Haus in Germering die Bibliothek des Münchner Esperantoclubs.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Karl Breuninger organisiert am Pfingstwochenende einen Esperanto-Kongress in München. Mit der Veranstaltung will er auch um Nachwuchs werben.

Von Andreas Ostermeier

Wenn es stimmt, dass eine Sprache der Zugang zu einer Kultur ist, dann hat Karl Breuninger Zugang zu ganz vielen Kulturen. Nicht weil der Germeringer ein Sprachengenie ist. Er selbst hält sich eher für wenig begabt, was das Erlernen neuer Sprachen angeht.

Aber weil der 71-Jährige Esperanto spricht. Diese Kunstsprache beherrschen außer ihm noch ein paar Millionen Menschen auf der Erde - und sie leben in nahezu allen Ländern und Kulturen. Das ist ein Grund, weshalb Breuninger die Sprache schätzt, die vor etwa 130 Jahren ihre Regeln bekam.

Als Beispiel erzählt der Germeringer von einem Besuch Mitte der Achtzigerjahre in China. Damals zeigte eine Chinesin ihm das Land. Weder sie noch er konnten die Muttersprache des anderen sprechen oder verstehen. Dennoch vermochte Breuninger Fragen zu stellen und sich vieles erklären zu lassen über das fremde Land, in dem er die Schriftzeichen nicht lesen konnte, denn die Chinesin sprach Esperanto.

Auch Breuninger hat sich schon diverse Male als Fremdenführer für Esperanto sprechende Besucher betätigt. Gäste aus 28 Ländern hat er bei sich zu Hause beherbergt, unter ihnen Besucher aus Nepal, Simbabwe, Togo oder Japan. Mit allen konnte er sich gut unterhalten. Eines Tages, erzählt Breuninger, habe sich ein Chinese per Telefon bei ihm gemeldet, der gerade in München zwischengelandet war. Der Mann wollte die Zeit bis zum Weiterflug nutzen, um die bayerische Landeshauptstadt ein wenig kennenzulernen.

Also führte Breuninger ihn durch die Innenstadt. "Zum Abschluss hat er auch noch seine Weißwürste bekommen", erzählt der Germeringer. Möglich macht diese Begegnungen ein Adressverzeichnis, das Anschriften und Telefonnummern von Esperantisten in jedem Land enthält und Reisenden Ansprechpartner nennt.

200 Menschen aus 17 Ländern kommen

In den kommenden Tagen ist Breuninger wieder Gastgeber. Diesmal wohnen ein Musikerpaar aus den Niederlanden, zwei Slowaken, ein Mexikaner und ein Mann aus Sankt Petersburg bei ihm. Anlass für den Besuch der Gäste ist der Deutsche Esperanto-Kongress, der am Pfingstwochenende in München stattfindet.

Knapp 200 Menschen aus 17 Ländern haben sich laut Breuninger angemeldet. Der Germeringer, der in der Münchner Esperanto-Gruppe aktiv ist, gehört zu den Organisatoren des Treffens. Ein wenig wundert er sich über das Interesse, auf das die Jahresversammlung der deutschen Esperantisten im Ausland trifft. Möglicherweise liege das am Tagungsort, mutmaßt er. Schließlich sei München populär.

Ein wichtiger Grund ist aber sicher das Fehlen der Sprachbarriere. So geht es auf dem Kongress auch nicht nur um die Belange des deutschen Verbandes. Unter den etwa 40 Vorträgen finden sich etliche, die sich mit der Lebenssituation in anderen Ländern befassen. So berichtet der russische Gast, der bei Breuninger wohnt, über das Verhältnis von Russen und Ukrainern. Und die niederländischen Musiker singen Schlager, deren Texte sie selbst auf Esperanto verfasst haben.

Apropos Sprachbarriere: Breuninger schätzt an Esperanto, dass die allermeisten Sprechenden ähnliche Voraussetzungen haben. Unterhalte er sich mit einem Engländer auf Englisch, so sagt er, fühle er sich immer gehemmt. Weil der Muttersprachler fixer in seiner Sprache ist, wendiger und kundiger, als es jemand sein könne, der eine Sprache nur in der Schule gelernt hat. Da Esperanto aber fast immer nur Zweitsprache ist, sind deren Sprecher sozusagen gleichberechtigt.

Esperanto gelernt hat Breuninger während seines Physikstudiums in Stuttgart. Damals, um das Jahr 1970 herum, nahm er an einem Test teil, der das Erlernen von Esperanto durch das Hören von Schallplatten versprach. Bei Breuninger ist der Test gelungen, die Tonträger von damals hat er aufgehoben, sie befinden sich in seinem Keller.

Den Erfolg führt Breuninger auf die wenigen, einfachen und logischen Regeln der Sprache zurück. Die könne jedermann rasch erlernen, sagt er. Zum Beispiel am Samstag auf dem Kongress. Im Münchner Kolpinghaus wird von 13.30 Uhr an ein Sprachkurs angeboten - in Direktmethode, wie der Kongressorganisator sagt. Das bedeutet, dass der Sprachlehrer von der ersten Minute an mit den Teilnehmern Esperanto spricht.

Hauptworte enden auf -o, Adjektive auf -a

Die lernen dann beispielsweise, dass Hauptworte immer auf -o enden, Adjektive immer auf -a. Die Sprache kennt vier Fälle, gesteigert wird mit dem Wörtchen "pli" (das bedeutet "mehr") und "plej", was "am meisten" heißt. Viele Worte gehen auf das Lateinische zurück, wer romanische oder germanische Sprachen kann, tut sich leicht. Kennzeichnend für Esperanto ist auch die Möglichkeit, Worte zusammenzubauen.

Am Beispiel des Wortes für Krankenhaus soll das illustriert werden. Ausgangswort ist "sano", der Begriff für Gesundheit. Setzt man die Vorsilbe "mal-" davor, entsteht das Wort Malsano, also Krankheit. Ein Ort oder Raum, wo etwas getan wird oder stattfindet, wird mit der Nachsilbe "-ej" gekennzeichnet. Malsanulejo heißt demnach Krankenhaus. Etwa drei Dutzend dieser Vor- und Nachsilben gibt es, ihre Verwendung kennzeichnet unter anderem Verwandtschaft, Beruf oder Eigenschaften.

Esperantokurse gibt es aber auch im Internet, etwa unter www.lernu.net. Und diese Lernangebote werden offenbar genutzt. Jedenfalls sagt Breuninger, dass die Kunstsprache im weltweiten Netz viele neue Anhänger finde. Er begründet diese Aussage mit den Anmeldungen für diese Esperanto-Sprachkurse. Aber auch die Wikipedia-Seite in Esperanto werde fleißig genutzt, sagt er.

Den Nachwuchs im Internet hat die Esperanto-Szene auch nötig, denn die Münchner Gruppe ist eine kleine Gemeinschaft. Etwa zwei Dutzend aktive Mitglieder hat sie nach den Angaben von Breuninger. Er selbst gehört seit mehr als 40 Jahren dazu.

Als langjähriges Mitglied beherbergt der Germeringer die Bibliothek der Münchner Esperantisten. Die Bücher stehen im Keller, Romane von Karl May gehören ebenso dazu wie Krimis oder Dantes "Göttliche Komödie". Die christliche Bibel ist ebenso in die Kunstsprache übersetzt worden wie die Mao-Bibel. Es sind eben viele verschiedene Kulturen, zu denen Esperanto einen Zugang bietet.

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