Es begab sich ...:Ein Spiegel der Persönlichkeit

Lesezeit: 1 Min.

Bereits im Alter von 17 Jahren entdeckte Claudia Caspers die Grafologie für sich. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Grafologin Claudia Caspers ist eine moderne Schriftgelehrte

Von Andrea Schlaier

"Und ließ versammeln alle Hohenpriester und Schriftgelehrten unter dem Volk und erforschte von ihnen, wo Christus sollte geboren werden."

Wie wahr die beiden Weihnachtsevangelien sind, vermag auch Claudia Caspers nicht zu beurteilen. Aber über die persönliche Motivation der Evangelisten Lukas und Matthäus, die Umstände von Christi Geburt niederzuschreiben, darüber könnte die 40-Jährige eine ernst zu nehmende Analyse abgeben - nicht als Schriftgelehrte in biblischem Sinne. Caspers versteht sich auf die Kunst der Grafologie, die Untersuchung von Handschriften als Spiegel der Persönlichkeit. Hätte sie also die Weihnachtsgeschichten handschriftlich verfasst vor sich liegen, sie könnte womöglich das Wesen von Lukas und Matthäus beleuchten. Das funktioniere im Prinzip auch dann, wenn das Schriftgut in einer fremden Sprache verfasst sei. "Man muss aber ein bisschen vertraut mit der Schrift sein und die Schulvorlage kennen, um zu sehen, wie die Handschrift davon abweicht." Herausfiltern ließe sich etwa die Motivation, warum die Texte verfasst wurden. "Es könnte um Orientierung und Sicherheit gehen. So eine Geschichte soll ja ein lebensstrukturierendes Element sein für die Gläubigen, und das gibt eine Art von Sicherheit." Menschen mit ausgeprägtem Sicherheitsbedürfnis hätten eine sehr formbetonte Handschrift.

Caspers hat die Grafologie mit 17 Jahren für sich entdeckt und nach dem Philosophie-Studium eine Grafologen-Ausbildung draufgesattelt. Heute leitet die Münchnerin zwei Unternehmen und berät Betriebe wie Privatleute in Sachen Handschrift. Aus dieser ließen sich etwa geistige Fähigkeiten ablesen, die Kontaktfähigkeit oder die Widersprüche einer Person. "Man sieht Strukturen, abstrakt, nicht lebendig. Es gehört wie bei jedem Psychodiagnostikum aber auch der Mensch selbst dazu."

Geht es auch andersherum? Lässt sich von der Vita auf die Klaue eines Menschen schließen? Bei Jesus etwa? "Weil's ihm ja um die Sache ging, wäre das Festhalten an der Form wohl weniger betont." Außerdem würde seine Schrift vermutlich leicht nach rechts tendieren, die Richtung betonen, dass einer "nach außen geht". Das Linke geht nach innen. "Ich denke, sie geht ein wenig nach rechts, er war also auf andere Menschen ausgerichtet, aber auch mit sich selbst beschäftigt."

Als Adventskalender erzählt die Stadtviertel-Redaktion bis Weihnachten Münchner Geschichten rund um Schlüsselworte aus den Weihnachtsevangelien nach Lukas und Matthäus. Morgen: Stern.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: