Erzwungener Umzug in München:Vergewaltigungsopfer vor die Tür gesetzt

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Eine junge Frau wird im Keller ihres Mehrfamilienhauses in München vergewaltigt - daraufhin verliert sie ihre Wohnung. Zur Begründung heißt es, die 27-Jährige habe "Ärger" gemacht. Selbst die Polizei schafft es nicht, die Hausbesitzerin umzustimmen.

Von Christian Rost, München

Sie war auf dem Heimweg vom "Filmcasino" am Odeonsplatz ins Gärtnerplatzviertel. Es war dunkel und es regnete. Als sie in der Klenzestraße die Eingangstür eines Mehrfamilienhauses aufschloss, drängte sich ein Mann mit in den Flur, zerrte die 27-Jährige in den Keller und vergewaltigte sie. Nach der Tat war Michaela F. ( Name geändert) völlig traumatisiert. Ihre Vermieterin hatte dafür kein Verständnis: Sie wollte die Angestellte nicht länger im Haus haben - weil sie "Ärger" gemacht habe. Michaela F. musste ausziehen.

Der Bauarbeiter Marius C. hatte sich am 2. Juni 2013 ein Zufallsopfer gesucht. Als er die junge Frau packte, begann für sie ein Martyrium, das in der Folge noch zwei weitere Frauen in München und Freiburg erleiden mussten, ehe der Serienvergewaltiger endlich gefasst wurde. Im Oktober verurteilte das Landgericht München I den 28-Jährigen zu zehn Jahren Haft. Dass er für lange Zeit weggesperrt sein wird, diese Gewissheit hilft Michaela F. ein wenig bei der Verarbeitung ihres furchtbaren Erlebnisses. Was sie zudem getroffen hat, ist, wie ihre Vermieterin mit ihr umgegangen ist nach der Vergewaltigung.

"Ich hatte keine Kraft"

Michaela F. hatte die Zwei-Zimmer-Wohnung zusammen mit einer Freundin gemietet. Obwohl sie im Keller des Hauses von Marius C. missbraucht wurde, fühlte sie sich auch danach noch einigermaßen sicher in ihrer Wohnung. "Es war ja im Keller", sagt sie bei einem Treffen in einem Café. Nach der Tat war sie die Treppen hinaufgelaufen und mit zerschundenem Gesicht ihrer Mitbewohnerin in die Arme gefallen. Die Mitbewohnerin war vom Anblick ihrer Freundin derart schockiert, dass sie nicht mehr in dem Haus bleiben und nur noch weg wollte. Sie kündigte den gemeinsamen Mietvertrag und zog aus. Michaela F. aber brauchte gerade jetzt ihre gewohnte Umgebung. "Ich fühlte mich nicht in der Lage, eine neue Wohnung zu suchen. Ich hatte keine Kraft und wollte nicht an einen neuen, unbekannten Ort."

Sie rief den Makler ihrer Vermieterin an und bat ihn, die Wohnung mit ihrer Schwester übernehmen zu dürfen. Die Eigentümerin des Hauses, eine Frau aus dem Landkreis Starnberg, lehnte dies ab. Wohngemeinschaften von Mädchen bereiteten nur Ärger, habe ihr der Makler ausgerichtet, so F. "Die wollten mich nicht mehr im Haus haben, weil wegen mir die Polizei da gewesen sei." Selbst als ihre Mutter sich anbot, den neuen Mietvertrag zu unterschreiben und für ihre Töchter zu bürgen, zeigte sich die Vermieterin abweisend.

Ein Großteil der Kaution fehlt

Ein Kriminalhauptkommissar der Münchner Polizei, der sich um Michaela F. nach der Tat kümmerte, war schockiert, als er von ihrem Rauswurf erfuhr. Der Polizist konnte es nicht glauben, dass man derart mit einem Vergewaltigungsopfer umging, und schrieb der Hausbesitzerin einen Brief: Michaela F. sei ein Opfer einer schweren Straftat und dabei nicht unerheblich verletzt worden. Hinzu kämen große psychische Belastungen, so der Kriminalbeamte. Sie würde durch "einen Umzug in München zu den bereits bestehenden Problemen nur noch zusätzlich belastet", erklärte er und bat die Vermieterin um ein Gespräch.

Die Frau ging nicht darauf ein und wies stattdessen ihren Makler an, die Wohnung anderweitig zu vermieten. Michaela F. erinnert sich daran, dass der Makler selbst ihre Bitte, die Frist bis zur Wohnungsübergabe um einen Tag zu verlängern, abgelehnt habe. Erst nach langem Suchen fand sie eine andere Wohnung in einem anderen Stadtteil. Den Großteil ihrer Kaution für die Wohnung in der Klenzestraße - rund 1000 Euro - habe ihr die Vermieterin bis heute nicht überwiesen.

Die Vermieterin wollte sich nicht zum Fall Michaela F. äußern. Für den Makler war es ein Wohnungswechsel wie jeder andere auch. "Der Mietvertrag wurde gelöst", sagt der Mann. Was Michaela F. passiert sei, habe er nur "am Rande gehört". Er habe auch nicht weiter nachgefragt. "Ich bin nicht so neugierig." Der Grund für den Rauswurf der jungen Frau war aus der Sicht des Maklers, dass es zwischen Vermieterin und Mieterin "Unstimmigkeiten" gegeben habe.

Anmerkung: In einer früheren Version stand im Teaser, die Vermieterin habe der Frau gekündigt. Korrekt ist, wie im Text beschrieben, dass der Mietvertrag gelöst wurde.

© SZ vom 05.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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