Süddeutsche Zeitung

Missbrauch in der katholischen Kirche:"Das ist mir nahegegangen"

Bei der Münchner Erzdiözese gibt es seit Januar eine Beratungsstelle für Betroffene sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Mehr als 200 Menschen haben sich seitdem dort gemeldet.

"Am Tag der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens saßen wir um neun Uhr am Telefon und hatten keine Ahnung, was auf uns zukommt." Elisabeth Dreyßig sagt das - in Teil zwei der Pressekonferenz am Donnerstagvormittag, bei der die Erzdiözese München und Freising Rechenschaft ablegt, was sie mit ihrem vielen Geld macht.

Elisabeth Dreyßig ist eine von vier erfahrenen psychologischen Fachkräften, die am 20. Januar 2022 am Telefonapparat der neu eingerichteten Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Platz nehmen. Bis zum 1. Juli 2022 meldeten sich dort 223 Menschen, davon 139 Männer und 84 Frauen. 93 von ihnen gaben an, selbst Opfer von sexuellem Missbrauch geworden zu sein, die anderen waren Zeugen, Angehörige oder auch Pfarrer, die wissen wollten, wie sie um Vertrauen werben könnten. Eine Anruferin habe das erste Mal überhaupt über den Missbrauch gesprochen - 70 Jahre nach der Tat. "Das ist mir nahegegangen", berichtet Elisabeth Dreyßig.

Die Beratungsstelle soll dauerhaft fortgeführt werden. Christoph Klingan, Generalvikar des Erzbischofs von München und Freising, kündigt das bei der Pressekonferenz an und verweist dabei auch auf die finanziellen Anstrengungen, um Verantwortung zu übernehmen für den sexuellen Missbrauch in der Erzdiözese. Bereits im vergangenen Jahr seien der Betroffenenbeirat und die Unabhängige Aufarbeitungskommission eingerichtet worden.

Seit Januar hat die Münchner Erzdiözese neue Hinweise zu 48 Fällen. Insgesamt, so Klingan, hätten 50 Menschen einen Antrag auf finanzielle Anerkennung des Leids für Betroffene sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Kontext gestellt. Seit 2020 habe die Erzdiözese dafür 246 000 Euro gezahlt, "die Höhe lag zwischen 5000 und 50 000 Euro". Mit Blick auf die Zukunft, so Klingan, sehe man die Prävention als "zentrale Aufgabe". Teil davon sei ein verpflichtendes E-Learning-Programm für sämtliche Priester und pastorale Mitarbeiter. Er habe seines schon absolviert.

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