Süddeutsche Zeitung

Erzbistum:Das lila Tuch

Ein Reformbündnis demonstriert vor dem Liebfrauendom dafür, dass katholische Frauen zum Diakonat zugelassen werden. Manche Kirchenvertreter zeigen Respekt für die Forderung, andere finden sie entsetzlich

Von Christoph Koopmann

Entsetzlich!", ruft einer aus dem langen Zug von Geistlichen und Ministranten, die Kardinal Reinhard Marx in den Liebfrauendom geleiten. Dazu verständnisloses Kopfschütteln und ein drohend ausgestreckter Zeigefinger. Was Paul-G. Ulbrich und seine Mitstreiter hier machen, gefällt dem Priester offenbar überhaupt nicht. Dabei verteilen sie bloß Halstücher - lila Stolen, die "ein Zeichen" sein sollen für die Gleichberechtigung der Frau in der katholischen Kirche, wie Ulbrich sagt. Schließlich ist Lila die Farbe der Frau und die Stola ein Erkennungszeichen der Diakone. Für dieses Amt sollen künftig auch Frauen zugelassen werden, fordert ein Aktionsbündnis der Gemeindeinitiative, die Ulbrich mitbegründet hat, und der Reforminitiativen "Wir sind Kirche" und "Münchner Kreis". Am Samstagmorgen verteilten die Initiatoren lila Halstücher vor dem Dom, in dem Kardinal Marx zwei junge Männer zu Diakonen weihte.

In katholischen Gemeinden unterstützen Diakone in der Regel den Pfarrer in Gottesdiensten und bei der Seelsorge. Das Diakonat ist ein geistliches Amt - und damit bislang ausschließlich Männern vorbehalten. Das will das Münchner Reformbündnis ändern: "Wir sind in einer Zeit angelangt, in der Frauen in jedem Lebensbereich gleichberechtigt sind - wieso also nicht in der Kirche?", fragt Ulbrich. Zumindest in der Bistumsverwaltung wird das bereits umgesetzt: Vier der sieben Ressorts im Ordinariat des Erzbistums München-Freising werden mittlerweile von Frauen geleitet. "Die Kirche wird aber den Mut haben müssen, Experimente zu wagen", sagt Ulbrich - zum Beispiel, Frauen zu geistlichen Ämtern zuzulassen. Sonst verliere man vor allem bei der Jugend auch den letzten Anschluss. Mit ihrer ersten Halstuch-Aktion in München sind die Kirchen-Aktivisten vorerst zufrieden: "Viele Leute, die wir ansprechen, sind sehr aufgeschlossen und unterstützen uns", sagt Ulbrich. Manche hätten lediglich das symbolträchtige Tuch nicht im Weihe-Gottesdienst tragen wollen.

Auch Verantwortungsträger in der katholischen Kirche seien recht offen, sagt Ulbrich, die Aktion werde auch von manchen Diakonen und Pfarrern unterstützt. Als hätte er das gehört, geht Kardinal Marx lächelnd über den Frauenplatz zum Hauptportal des Doms, bei den Stola-Verteilern macht er halt. "Grüß Gott!", ruft er in freundlichem Tonfall, schüttelt Hände und ratscht kurz mit Ulbrich und seinen Mitstreitern. Langsam müsse er aber rein, der Gottesdienst gehe gleich los. "Daran sieht man, dass beide Seiten sich respektieren und aufeinander zugehen", sagt Ulbrich. Es ist zu merken, dass der entrüstete Zwischenrufer aus der Eröffnungs-Prozession recht allein dasteht mit seinem Widerstand.

Doch schon einmal scheiterten die Bestrebungen nach Reformen in München: Von 2008 bis 2010 hatten 126 repräsentativ ausgewählte Laien und Geistliche in einem Zukunftsforum insgesamt 61 Reformvorschläge ausgearbeitet, ein Themenkomplex widmete sich der Rolle der Frauen in der Kirche. Eine Diskussion über dieses Thema ließ Kardinal Reinhard Marx jedoch gar nicht erst aufkommen. Die Ämter des Diakons, des Priesters und des Bischofs seien eine Einheit, erklärte er im Oktober 2011. Für Frauen sei da "kaum" Spielraum.

Ulbrich ist dennoch einigermaßen zuversichtlich, dass ein neuer Versuch erfolgreicher sein könnte. Im Oktober stünden Gespräche mit Bistumsvertretern an, um möglicherweise eine gemeinsame Position in der Frage des Frauen-Diakonats zu finden. Letztendlich könne eine Lösung aber nicht lokal gefunden werden, "das ist eine Angelegenheit der ganzen Weltkirche", sagt Ulbrich. Trotzdem sei es wichtig, ein Zeichen zu setzen.

Einige tun das bereits im Weihgottesdienst, bei dem die Sitzreihen des Doms kaum halb gefüllt sind. Versprengt sind im großen Kirchenschiff an etlichen Stellen lila Halstücher zu sehen.

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SZ vom 04.10.2016
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