Erzbischof Marx:Zu viel Amt und Würden

Kardinal Reinhard Marx

Seit 2008 ist Reinhard Marx, 60, Erzbischof von München und Freising. Das Amt bringt viel Arbeit und Ärger, aber auch Prestige.

(Foto: Getty Images)

Die Bischofskonferenz wählt an diesem Mittwoch ihren neuen Vorsitzenden. Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx gilt als aussichtsreicher Kandidat. Doch würde er gewählt, brächte das für sein Bistum auch neue Probleme.

Von Jakob Wetzel

Reinhard Marx ist ein aussichtsreicher Kandidat, schon wieder. Bereits 2008 wurde der Erzbischof von München und Freising als künftiger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz gehandelt. Damals wurde nichts daraus, die Bischöfe entschieden sich für den Freiburger Robert Zollitsch. An diesem Mittwoch wählen sie erneut, diesmal einen Nachfolger für Zollitsch - und wieder gehört Marx zum Kreis der Favoriten. Doch der Münchner drängt offenbar nicht in das Amt. Denn würde er gewählt, brächte das für das Erzbistum auch neue Probleme.

Denn Marx ist bereits jetzt viel mehr als nur Erzbischof von München und Freising und Vorsitzender der Freisinger Bischofskonferenz. In den vergangenen Jahren hat er Ämter und Positionen geradezu angehäuft: Seit 2012 leitet er die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft. Nach der Papstwahl 2013 machte Franziskus ihn zu einem von acht Kardinälen, die an der Reform der Kurie arbeiten sollen. Und erst am Samstag gab der Vatikan bekannt, dass Marx auch noch den neu geschaffenen 15-köpfigen Wirtschaftsrat in Rom koordinieren soll. Das Gremium soll eigenständig mit der neuen zentralen Finanzverwaltung der katholischen Kirche zusammenarbeiten. Reichlich Amt und Würden - aber eben auch Arbeit.

Und die wartet eigentlich auch im Erzbistum auf ihn. Das plagt sich mit einer Strukturreform, die Verwaltung ist im Umbruch, Pfarreien werden zu Verbänden zusammengefasst, die Stimmung ist angespannt. Der Diözesanrat liegt Marx mit 61 Reform-Empfehlungen in den Ohren, die Priester und Laien schon vor Jahren in einem "Zukunftsforum" erarbeitet haben. Sie wollen endlich Ergebnisse sehen.

Hinter vorgehaltener Hand grummeln einige darüber, dass sich der Kardinal um so viele andere Dinge zu kümmern hat. Dazu kommt ohnehin noch der Ärger mit der Insolvenz des Weltbild-Verlags. Nebenher muss Marx Italienisch lernen, damit er in Rom besser diskutieren kann, denn im Kardinalsrat gibt es keine Dolmetscher. Der Kardinal hat reichlich zu tun, auch ohne den Vorsitz der Bischofskonferenz.

Im Ordinariat und in den kirchlichen Laiengremien gibt es daher widerstreitende Meinungen zur möglichen Karriere ihres Chefs. Die einen würden Marx gerne möglichst weit weg von der Alltagsarbeit in München sehen, weil sie mit seinen begonnenen - aber nicht vollendeten - Reformen hadern und sich ohne Chef im Haus mehr Freiheit erhoffen. Die anderen wollen den Erzbischof hier haben, damit endlich die Münchner Hausaufgaben erledigt werden.

Kein Kandidat wider Willen

Marx selbst äußerte sich zuletzt verhalten zur Wahl. Der Erzbischof ist gewiss kein Kandidat wider Willen; er lässt im Gespräch durchblicken, dass er die Aufgabe übernehmen würde, bäte man ihn darum. Aber seine Zurückhaltung beruht wohl nicht nur darauf, dass Demut in der Kirche generell zum guten Ton gehört.

Tatsächlich wäre der Posten eines Vorsitzenden der Bischofskonferenz auch für Marx undankbar. Er bringt viel Arbeit, aber kaum Autorität. Er bringt Prestige, aber er bedeutet auch, den Kopf hinzuhalten für Standpunkte, die andere durchgesetzt haben, und für Probleme, die andere verschuldet haben - ohne selbständig nach Lösungen suchen zu können. Und als ob es damit nicht genug wäre, bemühten sich mehrere Bischöfe zuletzt, den Posten zusätzlich klein zu reden. Der Vorsitzende sei kein "Super-Bischof, der seinen Mitbrüdern sagen könnte, wo es langgeht", sagte Felix Genn, der Bischof von Münster.

Sein Augsburger Kollege Konrad Zdarsa sprach von einem Repräsentanten, allenfalls einem Moderator unter ansonsten gleichberechtigten Partnern. Doch das Bemühen der beiden zeigt auch, dass der Vorsitzende tatsächlich mehr ist: nämlich das Gesicht der katholischen Kirche in Deutschland. Bei allem, was die hiesige Kirche umtreibt, ist er der erste Ansprechpartner.

Dieses Amt würde Marx liegen. Er ist präsent, er scheut keinen Konflikt und macht in Diskussionen eine gute Figur. Er gibt den zupackenden Erzbischof, er wäre ein starker Vorsitzender. Auch wenn er dominant wirkt und gerne voranprescht: Die katholische Kirche in Deutschland würde von ihm womöglich profitieren. Einen tatkräftigen Krisenmanager könnte sie durchaus gebrauchen - ob es nun um die Empörung über den Limburger Bischof Tebartz-van Elst oder um die Debatte um das Familienbild der Kirche geht. Und doch: Wenn an diesem Mittwoch ein anderer als Marx den Vorsitz der Bischofskonferenz übernähme, wäre das für Marx und seine Verwaltung nicht nur Grund für Traurigkeit. Sie könnten auch aufatmen.

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