Erykah Badu auf dem Tollwood-Festival:Unvergleichlich funky

Mit kraftvollen Rhythmen und ihrer soulig-säuselnden Stimme bezaubert Erykah Badu das Publikum. Sie gibt sich als Diva - auch, als sie allzu schnell und unerwartet wieder verschwindet.

Carolin Gasteiger

Was findet Erykah Badu nur an Usain Bolt? Vielleicht gefällt ihr einfach nur die Pose, die der jamaikanische Sprinter so gerne macht: mit dem linken Arm gen Himmel zeigen, als würde man dort auf etwas zielen wollen. Zumindest macht Badu diese Geste am Montagabend auf dem Tollwood immer wieder. Linker goldbereifter Arm nach oben. Vielleicht will sie damit den "spirit of africa" beschwören.

U.S. singer Badu performs during the three-day Elevation music festival near the Bulgarian capital Sofia

Erykah Badu begeistert as Publikum auf dem Münchner Tollwood-Festival.

(Foto: REUTERS)

Es ist schon länger her, dass Erykah Badu in München zuletzt aufgetreten ist, eine aktuelle Platte hat sie nicht im Gepäck. Aber darum geht es nicht. Im Publikum finden sich viele, die sich noch an Badus Durchbruch erinnern dürften und die Künstlerin seitdem begleiten. Und Badu live zu erleben ist unvergleichlich. Unvergleichlich funky.

Ein minutenlanges Percussion-Solo leitet den Abend ein, im Hintergrund wabern bunte Linien über eine Videoleinwand. Dann kommt sie. Endlich. In rosa Röhrenjeans, beigem Trenchcoat und seitlich gebundenem Zopf, auf dem Kopf thront ein orangener Hut, betritt sie eine halbe Stunde später als angekündigt die Bühne und das Publikum tobt allein bei ihrem Anblick. Sagen oder singen muss sie noch gar nicht. Badu weiß um ihre betörende Wirkung. "Hello Munich!", ruft sie in die Menge unterm Zeltdach, um dann ihre kraftvoll soulige, zugleich säuselnde Stimme anzuheben.

Aber Badu singt nicht nur. Sie groovt. Zwischen den Songs schlägt sie mit einem Schlagzeugcomputer neben ihrem Mikro Elektro-Beats an, streut kurze Rap-Passagen ein oder hebt Stimmgabeln zum Himmel, als würde sie Geister beschwören. Nach den ersten Songs wird sie dann auch dynamischer, nimmt die Menge mit und hebt ihre Stimme in schwindelerregende Höhen, die mühelos das Zelt erfüllen. Die Akustik mag hier nicht immer die beste sein, was Badu redet, ist schwer zu verstehen. Aber sobald sie singt, dominiert sie die Atmosphäre mühelos.

Auch wenn die meisten Songs an diesem Abend von Badus Album "Beduizm" (1997) stammen, die Künstlerin, ihre Band und Backgroundsänger verwandeln Erfolgshits wie "On & On" oder "Appletree" so gekonnt, dass sie kaum wiederzuerkennen sind. Und jedes Stück endet mit der Usain-Bolt-Pose.

Mehr als auf Text und Melodie fokussiert Badu ausgedehnte, schnörkellose Rhythmus-Parts. Auch die Stücke ihrer letzten Platte "New Amerykah, Pt. 2: Return of the Ankh" moduliert sie auf diese Weise zu einzigartigen Neuauflagen. Und der Rhythmus zieht die Menge mit.

Mit all dem Funk und Groove verbindet Badu ihre politische Botschaft. Als sie "Liberation" von Outkast anstimmt, ein Stück, in dem es um Befreiung von Unterdrückung geht, fliegen auf der Leinwand hinter ihr Schwalben auf, die Bühne wird in violettes Licht getaucht. Auf ihrem T-Shirt steht "I'm an Immigrant". Badu versteht es, die Menge anzuheizen, dirigiert das Publikum, badet sich im Applaus.

Als die Stimmung auf ihrem Höhepunkt angelangt scheint - Anzugträger tanzen ausgelassen, Badu tanzt auf der Bühne - nimmt sich die Künstlerin zurück. Als ob sie nicht riskieren wollte, dass es noch ausgelassener wird. Es wird ruhiger - und Badu kündigt abrupt den letzten Song an.

Gerade mal eine Zugabe gibt die Künstlerin, um nach einer Stunde und 40 Minuten endgültig von der Bühne zu verschwinden. Ohne Usain-Bolt-Pose. Aber ganz schnell. Vor dem Konzert hatte sie noch getwittert "War die letzten 15 Jahre 8 Monate im Jahr auf Tour. Und ich bin es noch nicht müde. Let's go." Schade, dass man von dieser Ausdauer in München wenig gemerkt hat.

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