Erstsemestler und neu in der Stadt?:So geht München

Zu Semesteranfang nach München gezogen? Keine Ahnung, wie diese Stadt tickt? Kein Problem - hier ist das große jetzt.muenchen-ABC.

A wie Augustiner

Entgegen anders lautenden Gerüchten zwingt kein Gesetz Studenten in München dazu, immer nur das Bier der Augustiner-Brauerei zu trinken, kurz "August" genannt. Dennoch gibt es keine Studenten-WGs oder Studenten-Partys ohne dieses Bier: Die fülligen Flaschen mit dem Logo eines Bischofsstabes sind Pflicht.

Einheimische wissen, warum - das aus Münchner Sicht beste Bier der Welt wird in der ältesten Brauerei der Stadt gebraut, seit 1328 schon. Diese Jahreszahl lernen Münchner Kindl bereits in der Grundschule. Schlechte Menschen behaupten, dass das der wahre Grund dafür sei, dass die Augustiner-Brauerei bis heute keine Werbung machen muss.

B wie Blumenstraße

Epizentrum der seit kurzem stattfindenden Clubifizierung der Innenstadt. In der Blumenstraße befinden sich in einem alten Gebäude der Stadtwerke die Clubs Funky Kitchen und Registratur.

Letzterer derzeit eine der besten Adressen der Stadt mit facetten- und highlightreichem Programm von DJ Hell (bei der Bavarian Gigolo Nacht jeden ersten Donnerstag im Monat) bis zu Indiekonzerten (am heutigen Dienstag CocoRosie oder am Mittwoch The Fall). Außerdem dort zu bestaunen: die langsamste Garderobenfrau der Welt - bequemes Schuhwerk oder Klappstuhl mitbringen!

Unbedingt auch mal im Café am Hochhaus (Blumenstraße 28) vorbeischauen: In dem in Camouflage-Farben gestrichenen Miniclub, der früher eine Tanzschule war, veranstalten Leute, deren Herz noch für das gute Ausgehen brennt, sehr gute, oft überfüllte, aber unter anderem genau dadurch unvergessliche Abende.

Leider nur noch bis Januar, danach kommt ein großer, böser Kommerzschuppen - so munkelt man. Auch das Funky Kitchen wird Anfang 2005 verschwinden, dann wird das Gebäude von den Stadtwerken saniert, die Registratur nebenan darf noch ein wenig länger bleiben, heißt es.

C wie CSU

Von Franz-Josef Strauß erfundene Parteienreligion. Ungefähr seit dem Pleistozän herrscht in Bayern die "Christlich Soziale Union" (auch: die Schwarzen) mit Mehrheiten, die in anderen Ländern bereits Wahlbeobachter der Vereinten Nationen auf den Plan gerufen hätten.

München beispielsweise ist aber ein Erbpacht-Gebiet der SPD (zur Zeit regiert von Oberbürgermeister Christian Ude, der in München beliebter ist als Gott in der katholischen Kirche).

Die örtliche, von einer langen Reihe an Skandalen erschütterte CSU existiert nur, damit die Stadt immer etwas zu Lachen hat. Deswegen wählen in München selbst CSU-Anhänger bei der Kommunalwahl rot, was sie damit erklären, dass sie ja nichts dafür könnten, dass Christian Ude leider in der falschen Partei sei.

So geht München

D wie Depp, damischer

Umgangsprachliche Beleidigung; auf der nach oben offenen Beschimpfungsskala Bayerns in etwa auf Höhe der zärtlichen Koseformen anzusiedeln.

Andere Schimpfworte der bayerischen Umgangssprache beschäftigen sich gerne mit der geographischen Herkunft des Beleidigten ("Saupreiß, japanischer") oder seinen Körperfunktionen ("Brunzbiabal, greisliges").

Richtig gefährlich wird es jedoch erst, wenn Beleidigungen in vermeintlich wohlmeinenden Ratschlägen münden, etwa der Art "Obacht, a Liter Bluad is glei verpritschelt".

Zu beachten ist auch, dass das Wort "Fotzn" in Bayern kein Begriff der Fäkalsprache für "Frau" ist, sondern das bezeichnet, was man bekommt, wenn man die Frau eines Bayern derart beschimpft - eine Tracht Prügel (vgl. "A Packerl Fotzn is glei aufgriss`n", was kein Rühmen der eigenen Flirt-Qualität bezeichnet).

E wie ends-

Vorsilbe, mit der (meist jüngere) Münchner eine extreme Verstärkung des angehängten Adjektivs erzielen wollen. Beispiel: ends-krass, ends-weit, ends-teuer.

Der Profi kombiniert ends- jedoch nicht nur mit Adjektiven: "Ich bin ends am Arsch", "Der Kerl ist ja wohl ends der Penner". Oder mit einem weiteren Münchner Spezialausdruck: Etwas, das wirklich gar nichts kann, ist einfach nur "ends-madig".

Eine weitere sprachliche Eigenheit, die man als Neumünchner kennen sollte: Lokale Boulevardzeitungen beweisen ihre Volksnähe durch Dialekt-Schlagzeilen wie "Bub (8) von betrunkenem Taxler überrollt" oder "Hunderte von Packerl von diebischem Zamperl gestohlen".

F wie Flügelbahnhof, Starnberger

1) Nicht liebevoll für Flughafen, sondern Name für die Gleise 27-36 am nördlichen Ende des Hauptbahnhofs. Der weite Weg bis an diesen äußersten Rand lohnt sich bei Sonnenschein immer, denn hier gehen u.a. die Ausflugszüge ins liebliche Oberbayern (-> Umland) ab.

Prominente Haltestellen: Garmisch (Zugspitze), Tutzing (Starnberger See, -> Luftmatratze), Füssen (Neuschwanstein). Auch der Übertritt ins benachbarte, schnitzelförmige Ausland ist vom Flügelbahnhof möglich.

2) In negativem Kontext dient der Flügelbahnhof als S-Bahn-Ersatzhaltestelle im Falle einer gelegentlichen Stammstreckenstörung (-> Quatsch).

So geht München

G wie Gangs

Dt. Banden; meist abfällige Bezeichnung für eine Gruppe von Jugendlichen. Münchens wichtigste Gangs:

1) Die Spider Murphy Gang - lieferten in den Achtzigern mit ihrem Hit "Schickeria" eine gute Bedienungsanleitung für München: "Ja mei, wia kummst denn du daher, a weng ausgflippt muaßt scho sei, sonst lasst di der Gorilla an der Eingangstür ned nei - in d` Schickeria"

2) Gomma Gang - Produzenten- und DJ-Team um Mathias Modica und Jonas Imbery, die sich musikalisch zwischen Punk Funk, No Wave und dem New Yorker Club-Sound der frühen Achtziger eingerichtet haben, regelmäßig zu bestaunen im Club Erste Liga. Gelten im eigenen Land wie so oft recht wenig und müssen deshalb nach Paris fliegen, um sich auf der Fashion Week bejubeln zu lassen, oder nach New York, um mit DFA oder Bobby Conn gemeinsame Sache zu machen.

H wie Hunger

Wird geld- und zeitsparend, dafür stark magensäuernd, in Mensen und Cafeterias gestillt. Unbedingt zu vermeiden sind dabei die Futterstellen im -> Schweinchenbau, empfehlenswert hingegen die Mensa der Akademie der bildenden Künste (Akademiestraße).

Nicht viel besser als am universitären Tablettfließband ergeht es einem im Atzinger (Schellingstraße Ecke Amalienstraße). Dabei ist auch in der Nähe des Universitäts-Hauptgebäudes wirklich beglückende Qualitätskost zu finden.

Auf der Suche nach Zungenglück begebe sich der Student für frische Backwaren im Großformat zu Omi Schneller (Konditorei Schneller, Amalienstraße 59); für sensationelle Pizza und frische Tiramisu zu Rosso Bar Pizza (Amalienstraße 45), für hausgemachtes Dim Sum zu Kleinpreisen zu Aimin Zhang (im gleichnamigen Import-Laden in der Amalienpassage); für ausgezeichnete österreichische Leckereien zum Henkelmann (Amalienstraße 51).

I wie Irrtümer

1) Hab`s doch im Fernsehen gesehen: Hier in München trinken alle Kir Royal.

2) Die "Reserviert"-Schilder im Schumann`s haben bestimmt nichts zu bedeuten, ich setze mich mal einfach so hin.

3) Der Stadtteil Berg am Laim liegt in der Nähe von Laim und ist nach dem dortigen Berg benannt.

4) Ab ein Uhr nachts hat in dieser Stadt doch alles zu, oder?

5)Beckenbauer und Moshammer stehen tagsüber von 8 bis 18 Uhr auf dem Rathausbalkon und prosten dem Lederhosenvolk unentwegt mit Weißbier zu.

6) Die Isarauen dürfen nur nackt betreten werden.

So geht München

J wie Jobs

In München noch verfügbare Betätigung, weswegen stets neue Leute in die Stadt ziehen, die vorher noch lästerten - bald aber nie wieder weg wollen.

Ein Grund: Da in München kaum Werbeagenturen ansässig sind, trifft man beim Ausgehen weniger Kreativdirektoren und Kontakter als in Hamburg oder Düsseldorf. Stattdessen am Tresen: Kameramänner, die nach Unterföhring pendeln, Germanistikstudentinnen und Ex-Türsteher, die bald ihren eigenen Laden aufmachen (->nützlich).

Klassische Studenten-Jobs: Fahrrad-Rikscha am Marienplatz, die Pfandrückgabe im Biergarten oder Barista in einem der 100 Coffeeshops in der Amalienstraße.

K wie KVR

Abkürzung für Kreisverwaltungsreferat. Aufsichtsbehörde für alles, was in München Spaß macht. Anlaufpunkt für Formulare und Wartezeiten aller Art.

Nur geschätzt von Lokalredakteuren während des ereignisarmen Sommers, da das KVR dann stets wieder ausgiebig über die Rechtmäßigkeit der rigiden Münchner Sperrstunde oder das öffentliche Tragen von Kleinwaffen ("Hirschfänger") an der Lederhose zu Rate sitzt.

L wie Luftmatratze

1) Wichtiges Sommer-Utensil für den Starnberger See (-> Umland)

2) Wichtiger Einrichtungsgegenstand, vor allem zu zwei Terminen: Im Frühsommer, wenn Italienreisende aus Norddeutschland nach 14 Stunden Stau erschöpft vor der Tür stehen und nach einer Pause verlangen.

Außerdem im September, wenn Leute, mit denen man zu Schulzeiten keine drei Sätze gewechselt hat, plötzlich anrufen und fragen, ob sie während ihres Wiesn-Besuchs übernachten (und in die Wanne brechen) können.

So geht München

M wie Monaco Franze

TV-Serie mit Helmut Fischer. Zu den Ausdrücken, die der Provinzplayboy geprägt hat, gehören das hoffnungsvolle "A bisserl was geht immer" sowie das gespielt-empörte "Geh, Spatzl".

Hilfreich ist die Serie auch, um die hohe Schule der dezenten bis debilen Anmache zu verfeinern: "Haben Sie ein Telefon daheim, Fräulein Ingeborg? Das tät` ich mir aber gern einmal anschau`n."

N wie Nützlich

1) Ein Fahrrad, um im Morgennebel an der Isar entlang zur Uni zu radeln.

2) Türsteher kennen. Man kommt leichter rein und sie machen irgendwann immer ihre eigenen Läden auf (-> Jobs).

3) Eine gewaltige Summe erben.

4) Keine moralischen Skrupel haben, sie auszugeben.

5) Einführungslehrgang in MVV-Preissystem belegen, um immer den richtigen Fahrschein dabei zu haben. Es wird nämlich wirklich kontrolliert.

6) Ein guter Wecker und die Bereitschaft, sich um sechs Uhr morgens für Seminarplätze anzustellen.

O wiw Oanser

Münchner Spitzname für den Nobelclub P1 (Prinzregentenstraße) mit der angeblich härtesten Tür Münchens. Wer mal im Oanser drin ist, merkt: alles halb so wild.

Alte Männer graben junge Mädchen an und lassen den Sprit flaschenweise kommen, BMW zeigt langweilige Werbung auf Großbildschirmen, auf beiden Dancefloors läuft die identische Mischung aus Housepeitschen und Klingeltoncharts.

Gut dagegen: Ausnahmsweise mal ein Laden, in dem die Jungs lässiger sind als die Mädchen und in dem Dekadanz und Exzess noch ungeniert gelebt werden.

So geht München

P wie Pumuckl

Bayerischer Homunculus, direkter Nachfahre der Klabautermänner. Erdacht von der Kinderbuchautorin Ellis Kaut, einem breiten Publikum vor allem bekannt aus Radio- und Fernsehsendungen.

Besondere Merkmale des Pumuckl sind temporäre Unsichtbarkeit, schrille Poesie, Vorliebe für Wurstbrote und sogenannter Schabernack.

Der Pumuckl wohnt beim Schreinermeister Eder. Schreinerei und Hinterhof, in der der Pumuckl seine Abenteuer erlebte, standen in der Nähe des Deutschen Museums und wurden trotz Intervention des Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (-> CSU) Ende der 80er Jahre abgerissen.

Q wie Quatsch

Blade Night, Mini-München, Rudi-Sedlmayr-Halle, Münchens Indieszene, Stammstreckenstörung, das Tagebuch des "Löwenbombers", Isarwasser (Weißbier mit Blue Curacao).

R wie Romantik

Spätestens wenn die Fernbeziehung zum ersten Wochenendbesuch kommt, wird es Zeit, Münchens kuschlige Seiten kennen zu lernen: zuerst im Hirschgarten Eicheln an die Rehe und Hirsche verfüttern, manche lassen sich auch streicheln - und beim gemeinsamen Tiere anfassen kommt man sich gut näher.

Liegen keine Eicheln mehr auf dem Boden, ist wahrscheinlich der nahe gelegene Kanal schon zugefroren, und man kann dort Schlittschuhlaufen und Eisstockschützen beobachten.

Wenn nicht, einfach einen Spaziergang durch den Schlosspark Nymphenburg machen, im Gewächshaus seltene Blumen schauen und sich im Café Ruffini (Ruffinistraße) bei Heißgetränken und erstklassigen Biscotti aufwärmen.

So geht München

S wie Schweinchenbau

Der Sschweinchenbau ist der wegen seiner - durch einen rosa Anstrich noch betonten - Hässlichkeit bis weit über München hinaus legendäre Gebäudekomplex der Ludwig Maximilians-Universität an der Leopoldstraße.

Hier befinden sich u.a. die Studentenwerksbibliothek, die Uni-Mensa sowie die seltsamsten Fachbereiche der LMU, vom Institut für Pädagogische Psychologie bis zum Lehrstuhl für Verhaltensgestörtenpädagogik.

Erstsemester sollten den Schweinchenbau in den ersten Tagen ihres Studiums unbedingt meiden, da dann sämtliche Fachschaften und der AstA dort lauern, um ihre Arbeit vorzustellen und eine sogenannte "Erstsemesterparty" zu bewerben. Später hat man hier nur etwas zu suchen, wenn der -> Hunger nicht mehr auszuhalten ist.

T wie Tresenfrage

Wo sich andere Städter mit einem banalen "Schönes Wetter heute, nicht wahr?" als Anmachspruch begnügen müssen, leitet der Münchner den Flirt in der Bar souverän mit der Tresenfrage ein: "Heute ist schon Fön, oder?" bzw. der Feststellung "Das muss heute doch ein Fön sein, ich habe solchen Durst".

Dabei spielt das Wetterphänomen eine untergeordnete Rolle, wichtiger sind die mannigfaltigen Konsequenzen des Föns. Die bekannteren darunter sind: Migräne, schlechte Laune, gute Laune, tolle Fernsicht, Allgemeinleiden. Ist der Fön einstimmig festgestellt, bieten sich die weiterführenden Universalthemen FC Bayern, Mietpreise oder Monika Hohlmeier (-> CSU) an.

U wie Umland

Auch Speckgürtel, Schlafzone, Provinz genannte urbayerische Landmasse rund um die Stadt. Hierbei starkes Süd-Nord-Gefälle, von Starnberg (Hui!) nach Eching (Pfui). Erschließung durch S-Bahn.

Im Umland aufgewachsenen Münchnern begegnet man im sozial-kulturellen Umgang zwar nicht mit den Restriktionen für "Zugroaste", ihnen werden aber auch nicht alle Ehrenrechte eines Münchners zuerkannt.

So geht München

V wie Verstreut

München ist ein Fleckerlteppich: Während man in anderen Städten ohne weiteres Zentren ausmachen kann, in denen sich die wirklich guten Clubs oder Einkaufsläden ballen, liegt in München alles verstreut - hier zwei prima Bars in der Innenstadt, dort vier feine Geschäfte im Glockenbachviertel, und dann noch dieser schnucklige Zimtladen in Schwabing, oder ist der inzwischen in Haidhausen?

Vorsicht also vor Leuten, die behaupten, auch München habe Spaß-Zentren, das ehemalige Kunstpark-Areal am Ostbahnhof zum Beispiel - das ist eine Lüge. In München liegen die wahren Orte verstreut, entlegen, versteckt.

W wie Weißwurst

Die Weißwurst ist die seltsamste Süßigkeit der Welt: Aus Kalbsfleisch gefertigt, nach kurzem Sieden serviert, wird sie traditionell mit dreierlei Beilagen verzehrt - salzigen Brezn, süßem Senf als auch herbem Weißbier, und zwar bevor es 12 Uhr mittags schlägt.

Gemeine Menschen behaupten, dass die Frage nach der einzig wahren Art, Weißwürste zu essen, in München eine Frage von Krieg und Frieden ist. Das ist falsch. Weißwürste kann man im Prinzip so essen, wie man mag - solange die Haut auf dem Teller zurückbleibt.

So geht München

X wie X-cess

Name eines Bordells an der Landshuter Allee. Eine kleine, sehr nette Kneipe im Glockenbach-Viertel heißt auch so. Besser nicht durcheinander bringen.

Z wie Zehn-Minuten-Takt

Waghalsige Idee der ansässigen Nahverkehrsbetriebe, ab 13. Dezember noch mehr S-Bahnen in kürzerer Zeit durch den Tunnel zwischen Haupt- und Ostbahnhof zu jagen. Wird von allen Nahverkehrsexperten der Stadt (ca. 1,2 Mio.) als utopisch eingeschätzt.

Bekannte Nahverkehrsfeinde wie das nagelneue Signalsystem und das Stellwerk Ost kündigen im Falles des Zehn-Minuten-Takts umfassende Streiks an.

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