Eröffnung des Richard-Strauss-Tunnels:Licht im Innern des Tunnels

Ab heute fahren täglich 96.000 Autos durch das 325-Millionen-Bauwerk. Bei der Eröffnung mit OB Ude gucken erstmal 6000 Fußgänger in die Röhre.

Bernd Kastner

Schon ist Stau. Nicht die Autos drängeln heute, sondern die Menschen, aber die Tür zum Tunnel öffnet sich erst später. Also warten sie am U-Bahnhof Böhmerwaldplatz, wo es durch einen Fluchtweg hinein geht, und erzählen, was sie so alles erlebt haben in den vergangenen sechs Jahren, als die Bagger die Richard-Strauss-Straße ausgehöhlt haben. "Chaos", sagt Barbara Beck. Sie wohnt ein bisschen weg vom Mittleren Ring, aber bei ihr hat sich der Schleichverkehr Lücken gesucht. "Wird jetzt alles besser."

Eröffnung des Richard-Strauss-Tunnels: Felix und Luisa, geboren am Tag des Baubeginns 2003, schneiden das Tunnelband durch. In zweiter Reihe freuen sich die Minister Joachim Herrmann (li.) und Martin Zeil (re.), Baureferentin Rosemarie Hingerl und OB Christian Ude.

Felix und Luisa, geboren am Tag des Baubeginns 2003, schneiden das Tunnelband durch. In zweiter Reihe freuen sich die Minister Joachim Herrmann (li.) und Martin Zeil (re.), Baureferentin Rosemarie Hingerl und OB Christian Ude.

(Foto: Foto: Haas)

Annemarie Zimmermann aus der Einsteinstraße sagt: "Es war schon Wahnsinn. Der Dreck war so schlimm." Und die Autofahrer! Mit 80, 90 Sachen sind sie unter ihrem Fenster vorbei. Endlich Schluss jetzt. Aber ein bissl grantig ist Frau Zimmermann doch, weil die Anwohner nicht eingeladen waren zur offiziellen Zeremonie, mit Band-Durchschneiden und so: "Das find‘ ich allerhand!"

Das hatte aber rein feuerpolizeiliche Gründe, es wären sonst zu viele Gäste geworden. Verpasst hat Annemarie Zimmermann dies: Politiker und Pfarrer, die Vokabeln wie "Jahrhundertbauwerk", "großartig", "gigantisch" in die Röhre sprechen. So eine Röhre ist tatsächlich sehr praktisch, sie erlaubt das Feiern auch bei Sauwetter wie am Samstag. Ob sich der Himmel also wirklich so freut, wie Martin Zeil, Verkehrsminister von Beruf, verkündet: Weil die dort oben über einen "bekehrten Sünder" glücklicher seien als über hundert Gerechte.

Da kichert die Festgemeinde, weil der Bekehrte Christian Ude heißt, einst Tunnelgegner aus Passion. Nun beichtet der OB, dass die Befürworter Recht hätten, weil so eine Röhre den Verkehr ja wirklich verflüssige. Dass sie aber auch viel Geld koste, 325 Millionen, viel mehr, als CSU und FDP versprochen hatten, und dass der Tunnel nach Fertigstellung wahrlich kein "finanziell abgeschlossenes Problem" sei. Diese Folgekosten!

Zur Feier des Tages gibt's Limo und Kuchen

Ude erinnert sich auch seines früheren Berufs als Mieteranwalt: "Bleibt anständig!", ruft er den Hauseigentümern zu. Erhöht nicht gleich die Mieten, weil sich der Wohnwert oben verbessert! So ein Tunnel macht also nicht gleich die ganze Welt zu einer besseren, und die Politiker hätten zwischen all dem Schulterklopfen auch erwähnen können, dass jede ampelfreie Strecke noch mehr Verkehr den Weg ebnet. Das hätte zur Klimadebatte gepasst, nicht aber zu diesem Feiertag.

Es gibt Limo, Spätzle, Kuchen an diesem Tag, alles frei, auch fürs Volk. Ehe an diesem Montag die Autos durchfahren, flanieren 6000 Menschen zwischen grün leuchtenden Türen. Das wirkt wie Festbeleuchtung, muss aber immer so sein, der Sicherheit wegen. Der Münchner fotografiert gern, gerade heute, Betonwände, schön grau, ein Fluchtschild, schön grün, aber warum, bitte schön, eine Tafel mit ganz vielen Namen drauf?

Weil er sich selbst entdeckt hat, sagt Michael Schusziara. Denn er hat mitgearbeitet am Tunnel, und seine Firma hängt heute an der Wand. Sie haben die Notruftechnik ausgetüftelt, damit im "Ereignisfall" alles schnell geht. Öffnet einer eine SOS-Kabine, bekommt das die Leitzentrale in der Ettstraße sofort mit. Und wenn so ein "Ereignis" eine Katastrophe ist, dann können sie von dort aus die Radiosender abschalten, können Textkonserven ins Autoradio der im Tunnel Gefangenen einspielen: Verlassen Sie Ihren Wagen! Fliehen Sie in die Nachbarröhre!

Nicht jeder Anwohner ist ein Gewinner

Es sind viele Münchner Männer hier unten, angelockt von den technischen Innereien. Und jene Männer vom Baureferat, die all das im Verborgenen geschaffen haben, erklären ihre Welt, sie tun das gern, man merkt es. Ilja Wutte sagt, dass man für 2015 mit 96000 Autos pro Tag kalkuliere, vor Baubeginn waren es 66000.

Und weil eine Frau wissen will, wohin der Dreck aus den Auspuffen geht, bestätigt Wutte, was die Frau schon geahnt hat: zu den Portalen raus. Die Autos funktionieren wie ein Kolben in der Röhre, drücken die Abgase also mit sich raus. Nicht jeder Anwohner ist also ein Gewinner. Ein Besucher hört zu, zuckt mit den Schultern, "Mein Gott", sagt er, dann müssen sie halt wegziehen.

Im Betriebsraum unterm Böhmerwaldplatz ist sogar an diesem Tag Sommer, dank der vielen Computer und ihrer Abwärme. Da gibt es einen Bildschirm, den kann man berühren wie einen Fahrkartenautomaten der Bahn, bloß dass der hier ausspuckt, was die Überwachungskameras melden.

Johann Augustin, auch er vom Baureferat, tippt auf dem Bildschirm rum und erfreut sich der Technik und des Staunens der Besucher. Im Tunnel hängen mehr als 140 Kameras, intelligent sind sie, denn sie filmen nicht nur, sie erkennen auch Stau und Unfall und überhaupt. Am Samstag ist so eine Kamera aber ein bemitleidenswertes Ding, sie wird gar nicht mehr fertig damit, zu melden: Fußgänger! Falschfahrer!

Bestimmt sieht eine auch jene Fußgängerin, die im Tunnel kurz vor dem Abzweig zur A94 nicht mehr weiter weiß. Wo bitte, fragt sie, geht's zum Mediamarkt? Ein freundlicher Beamter weist den Weg: Nicht rechts runter Richtung Passau, einfach geradeaus, dann raus.

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