Süddeutsche Zeitung

Eröffnung des Lovelace:Und, wie sind jetzt die Betten?

Lesezeit: 2 min

Eine mehr als hundert Meter lange Schlange zur Eröffnung: In Münchens aufregendem neuen Hotelprojekt Lovelace kann jetzt übernachtet und gefeiert werden. Ein Rundgang.

Von Thomas Becker

Erst mal ins Bett. Nach dem Marsch durchs Marmor-Treppenhaus lädt an der Rezeption im ersten Stock ein Bett zum Probeliegen ein. Schließlich ist das hier ein Hotel-Opening oder wenigstens so was in der Art. Also Schuhe aus und rein gehüpft, hihi, lustig. Und da wir im Jahr 2017 leben, wird auch ein Foto gemacht, logisch. Wer das dann noch verbreitet, kann ein Coco-Mat-Kissen gewinnen, yeah. Willkommen in der schönen neuen Lovelace-Welt, dem etwas anderen Hotelkosmos.

Nach gefühlt 700 Vorberichten ist es endlich soweit: Große Eröffnung des Hotel Happenings namens Lovelace. Halbes Jahr Verspätung? Was solls. Von Tag eins an scheint die Maschine zu laufen: Drei Stunden nach Eröffnung ist die mehr als hundert Meter lange Schlange an der Kardinal-Faulhaber-Straße keinen Zentimeter kürzer geworden, und das bei zwölf Grad und Nieselregen. Wenn der eventverwöhnte Münchner solche Wartezeiten in Kauf nimmt, muss es schon was Besonderes sein, dieses Lovelace. Ist es auch.

Sich ausprobieren auf 4800 Quadratmetern

Für zwei Jahre verwandelt sich die denkmalgeschützte ehemalige Königliche Filialbank in das Gesamtkunstwerk Lovelace, in ein Pop-up-Hotel samt öffentlichem Raum, und davon ziemlich viel: 4800 Quadratmeter. Gedacht ist der Raum zu weiten Teilen als Spielfläche, Subtext: Mach was draus, München. Und München guckt erst mal. Schiebt sich durch heillos überfüllte Räumlichkeiten, spitzt die Ohren angesichts der Lichtjahre vom Mainstream entfernten Gitarren-Performance in der "fliegenden Lobby", wundert sich über das brutal profane Treppenhaus, das zu den Bars im zweiten und dritten Stock führt, quetscht sich auf die zwei "grandiosen Aussichtsterrassen", die sich als schmaler Raucher- und Selfie-Stopp (vista Frauenkirche!) entpuppen.

Dann lieber im Fitness-Raum albern, sich in der Street Kitchen eine Acht-Euro-Falafel gönnen und zu Bier, Schampus oder Cocktail (zu üblichen Nachtleben-Preisen) auf eine ausladende Sofa-Landschaft vor Blümchen-Tapete lümmeln. Schnödes Runterglotzen in den zweiten und ersten Stock geht auch. Oder doch Kultur-Unterhaltung? Die drei verrückten Jungs von der "Saturday Night Resistance" sind bedingt lustig, aber schräg.

Und wie sind jetzt die Betten?

Und schon sind wir beim Programm: So sehr die Macher sich an den Gast ranschmeißen ("No one belongs here more than you!"), so sehr wollen sie ihn überraschen. Allein die sphärischen Gitarreros in der Lobby sind ein Statement, das den Anspruch des Projekts verdeutlicht. Durch Inhalte, Kommunikation und Gestaltung will man einen Rahmen schaffen, der Gäste anregt, selbst aktiv zu werden, heißt es. Kein Wunder, dass Kammerspiel-Chef Matthias Lilienthal auch da ist. Anspruchsvoller Inhalt ist angestrebt, jeden Tag: Am Montag geht's um Stanley Kwan und die Second Wave im Hongkong-Kino, am Dienstag um die Zukunft Europas, am Mittwoch um Magazin-Reportagen, und am Donnerstag veranstalten die Münchner Bücherfrauen eine Lesung mit Christine Wunnicke. Könnte gut werden.

Und wie sind jetzt die Betten? Schwer zu sagen. Im Demo-Zimmer 117 fläzt ein junger Mann im Bademantel unter der Decke, lässt sich von den gut zwei Dutzend Neugierigen kein bisschen stören, aber neben ihm das Bett testen will man dann doch nicht. Der ist bestimmt auch so eine Installation oder Performance, die unser aller Verklemmung illustrieren soll. Oder doch nur ein Gag? Sag schon, Lovelace!

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Quelle:
SZ vom 11.09.2017
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