SZenario:Vom Hinwerfen und Abheben

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Hinfallen, aufstehen, Mikro richten: Die Preisträgerin Katja Huber beweist im Literaturhaus ihr komödiantisches Talent. (Foto: Leonhard Simon)

Bei der Verleihung der Ernst-Hoferichter-Preise geht die Schriftstellerin Katja Huber im Literaturhaus zweimal zu Boden, während ihr Kollege Pierre Jarawan eine Rakete zündet. Ein Abend zwischen Witz und Weltraum.

Von Antje Weber

Katja Huber fällt um. Gerade noch hat sie sich für "die umwerfende Laudatio" bedankt, schon liegt die Schriftstellerin und Journalistin auf dem Boden des Literaturhaus-Saals. Steht geschmeidig wieder auf, sagt munter, dass sie schon immer mal auf einer großen Bühne einen "klassischen Prattfall hinlegen" wollte. Und setzt sich gleich noch mal auf den Hintern wie einst der Komiker Buster Keaton. Um dem Publikum nicht nur ihren "komplexen, feinsinnigen" Humor zu präsentieren, wie sie grinsend sagt, sondern auch eine "kollektive Blitz-Therapie" in "Empathie und vielleicht auch Fremdschämen". Um sich was zu trauen, "sichtbar und bewertbar" zu sein.

Damit hat sie schon mal zwei der Kriterien für den Ernst-Hoferichter-Preis aufs Schönste erfüllt: Originalität und Humor. Und auch das dritte Kriterium Weltoffenheit zeichnet Huber ebenso wie den weiteren Preisträger Pierre Jarawan aus, was in diesem Text noch zu beweisen sein wird. Der Schriftsteller Ernst Hoferichter und seine Frau Franzi als Preisstifterin, die von Bildern auf der Leinwand aus zuschauen, wären jedenfalls hocherfreut über diese "zugewonnenen Wahlverwandten", wie Kulturreferent Anton Biebl in seiner Rede versichert.

Franzi und Ernst Hoferichter blicken von der Leinwand auf die Laudatorin Lisa-Katharina Förster. (Foto: Leonhard Simon)

Er hält sie vor einem "lesefreudigen Publikum", wie zuvor der Musiker Martin Lickleder mit prüfendem Blick von der Bühne konstatiert hatte, vor Stadtbibliotheksdirektor Arne Ackermann, Schriftstellerin Fabienne Pakleppa oder Alt-OB Christian Ude, der die Hoferichters einst Tante und Onkel nennen durfte und natürlich viele Anekdoten parat hätte. Für die ist an diesem Abend, im 50. Jahr des mit 5000 Euro dotierten Preises mit bisher 120 Ausgezeichneten, der Kulturreferent zuständig - und auch er hat einiges zu bieten.

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Denn er weiß Wundersames darüber zu berichten, dass die Hoferichters vom Himmel aus weiterhin auf Erden mitmischen. Sie ließen Stiftungsräte bei den Jury-Sitzungen mit Engelszungen reden oder von Sonnenstrahlen erleuchten, sie hätten vor einigen Jahren sogar ein Münchner Ehepaar, nur weil es im Hoferichterweg wohnte, zu einer großzügigen Geldzuwendung bewogen. Und sie haben sicherlich ihre Finger dabei im Spiel, so lässt sich ergänzen, dass Katja Huber sich fortan nicht nur Hoferichter-Preisträgerin nennen darf, sondern auch Stiftungsbeirätin.

Nun aber endlich zur umhauenden Laudatio auf die Schriftstellerin, die an diesem Abend die Germanistin und Monacensia-Mitarbeiterin Lisa-Katharina Förster hält. Sie hat Huber über das Projekt "Meet your Neighbours" kennengelernt, in dem diese gemeinsam mit anderen Münchner Autoren seit 2016 Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander ins Gespräch gebracht hat. Sie verdeutlicht emphatisch Hubers "Begeisterungsfähigkeit" ebenso wie ihre "Begabung, nicht nur Türen, sondern Horizonte zu öffnen". Nicht nur im gesellschaftlichen Engagement, sondern auch in ihren Romanen, von "Fernwärme" (2005) über "Coney Island" (2012) bis "Unterm Nussbaum" (2018).

Pierre Jarawan liest aus seinem noch unveröffentlichten Roman "Frau im Mond". (Foto: Leonhard Simon)

Bäume und weite Räume kennzeichnen auch das Werk des Poetry-Slammers und Schriftstellers Pierre Jarawan. "Am Ende bleiben die Zedern" hieß 2016 sein erfolgreiches Romandebüt, für das er sich auf Spurensuche in Libanon begeben hatte, im Land seines Vaters. Ist der Autor, der in Kirchheim unter Teck aufwuchs und mit seiner Mutter am Telefon Schwäbisch schwätzt, nun ein "deutsch-libanesischer Autor", gar ein "orientalischer Erzähler"? Das fragt sich der Slam-Weggefährte und Freund Alex Burkhard in einer dialogisch verspielten Laudatio. Und verneint sogleich: Jarawan sei einfach "ein Autor". Der in seinen Romanen dazu einlade, "die Grenzen des uns Bekannten zu erweitern", ja wie einst Hoferichter ein "Grenzgebiet zugänglich mache".

Wie weit der Horizont Jarawans reicht, beweist der Preisträger mit einer Lesung aus seinem dritten Roman, an dem er gerade arbeitet. "Frau im Mond", so der Arbeitstitel, handelt von Studenten, die einst in Libanon gemeinsam an Raketen herumbastelten und am 4. August 1966 tatsächlich eine Rakete zündeten, die den Weltraum erreichte. Und so bleibt nach diesem umwerfenden Abend nicht nur viel Witz festzuhalten, sondern auch: Mehr Weltoffenheit geht nicht.

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