Erneuerbare Energie:Und der Bohrturm rattert leise

Die Stadtwerke bauen am Heizkraftwerk Süd Deutschlands größte Geothermieanlage

Von Pia Ratzesberger

Die Maschine ist jetzt an und tief unten in der Erde zermalmt sie das Gestein, bohrt tiefer und tiefer, doch hier oben auf der Baustelle ist nur eine rotierende Stange zu sehen. Helge-Uve Braun steht vor dem Bohrturm und beobachtet die Arbeit, ein leises Rattern, 120 Meter weit sind sie seit Mittwoch gekommen. Braun ist der technische Geschäftsführer der Stadtwerke München, und diese Baustelle in Sendling wird für die kommende Zeit eines seiner wichtigsten Projekte sein. Denn hier, am Heizkraftwerk Süd, soll einmal die größte Geothermieanlage der Stadt entstehen. Und damit auch die größte Geothermieanlage Deutschlands.

München will die erste Großstadt sein, die sich komplett mit Fernwärme aus erneuerbaren Energien versorgt, das Ziel der Stadtwerke ist das Jahr 2040. In zwei Jahren soll die neue Anlage in Betrieb sein, mit einer Leistung von 50 Megawatt soll sie dann 80 000 Haushalte mit Wärme beliefern. Mit Hilfe der Geothermie.

Denn weit unten, in einer Tiefe von 2000 bis 3000 Metern unter der Erde, ist Wasser 80 bis mehr als 100 Grad heiß, das wird nach oben gepumpt und zum Heizen genutzt, zur Erzeugung von Strom - und abgekühlt später wieder in die Erde geleitet. Wie viel die neue Anlage in Sendling kostet, will Helge-Uve Braun nicht sagen, nur dass man mehrere hundert Millionen Euro ausgeben werde - aber auch weil man zum Beispiel noch eine komplett neue Fernwärmestation bauen will. Seit Mittwoch dreht sich die Stange im Bohrturm, recht langsam, bis zu drei Kilometer tief wird sich die Maschine in die Erde graben. Doch im Gegensatz zu den anderen Geothermie-Anlagen der Stadtwerke in Sauerlach oder in Freiham, in Dürnhaar oder in Kirchenstockach, passiert das diesmal mitten in der Stadt. Der Bohrturm steht gegenüber dem Münchner Großmarkt, nur ein paar Schritte von der Bushaltestelle Roecklplatz entfernt; zur Straße hin ist eine große Lärmschutzwände aufgebaut. Niemand soll davon gestört werden, dass bis zum kommenden Jahr sechs solcher tiefen Bohrungen stattfinden werden, über der Erde wird der Turm immer wieder um etwa sieben Meter verschoben werden. Unter der Erde aber werden die Bohrungen mehr als einen Kilometer weit auseinander liegen, damit das Wasser, das man wieder in die Erde leitet, nicht noch einmal nach oben gepumpt wird.

München ist mehr und mehr eine Stadt der Geothermie, vergangenen Herbst aber gab es im Umland erst große Aufregung wegen solch einer Anlage - damals bebte in Poing die Erde, zwar nur ganz leicht, aber für manche doch spürbar. Die Anwohner sorgten sich. Damals hieß es von Seiten des Leibniz-Instituts für angewandte Geophysik, solch leichte Beben wären in München sowieso nicht messbar, da in einer Stadt mit U-Bahnen und S-Bahnen die Erde immer leicht vibriere. Helge-Uve Braun rechnet auch nicht damit, dass es Probleme geben könnte, schließlich habe man schon genug Erfahrung von den anderen Anlagen gesammelt. "Wir beugen aber natürlich vor."

In der Gegend um den Bohrturm haben die Stadtwerke fünf Messgeräte angebracht, die sollen warnen, falls es doch einmal zu laut werden sollte - ein Akustiker hat die Geräte entwickelt, um zu filtern, welcher Lärm tatsächlich von der Baustelle kommt und welcher von woandersher. Von anderen Projekten aber wisse man, heißt es von Seiten der Stadtwerke, dass der Lärm am Ende nie vom Bohrturm komme, sondern meistens von der Straße. Von einem bellenden Hund, einer Gruppe Betrunkener. Steht man direkt auf der Baustelle und lauscht, ist nur ein leises Rattern zu hören.

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