Ermittlungsverfahren gegen USK-Beamte:Unter Prügelknaben

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Polizisten schlugen im Dezember nach einem Fußballspiel wahlos auf Fans des TSV 1860 München ein - und kommen nun ungeschoren davon.

Susi Wimmer

Die Szenen, die sich nach dem Derby am 9. Dezember 2007 am Grünwalder Stadion abgespielt hatten, glichen denen eines Actionstreifens: "Laut schreiend sind schwarzgekleidete Polizisten auf uns eingestürmt. Einige hatten die Schlagstöcke hochgenommen und prügelten wahllos auf die Leute ein." So berichteten Augenzeugen der SZ. Doch die Täter in Uniform kommen ungeschoren davon. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da die Männer in ihrer Uniform "nicht zu individualisieren" seien, heißt es.

Der 9. Dezember 2007: Nach dem Derby, so sagen Zeugen, schlug die Polizei wahllos auf die Zuschauer ein. (Foto: Foto: Polizei)

Bei einem Regionalliga-Derby des TSV 1860 München gegen den FC Bayern kam es "zu Tätlichkeiten seitens der eingesetzten Polizeibeamten" gegenüber den Fans. So steht es in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft. Die Ermittler stellten auch fest, dass die Polizisten mit Schlagstöcken "ohne rechtfertigenden Grund" in die Menge prügelten.

Ein 39-jähriger Münchner wurde am Kopf getroffen. Er erlitt eine Platzwunde sowie eine Schädelprellung. Ein 35-Jähriger, der an einem Geländer gelehnt mit Rücken zum Candidberg stand und auf einen Freund wartete, sah "zehn oder 20" USK-Beamte heranlaufen, zwei von ihnen schlugen "einfach so im Vorbeilaufen" mit dem Schlagstock auf ihn ein.

Ein Schlag traf ihn am Oberarm, der zweite verfehlte ihn. Panik brach aus, "die Leute neben mir sind vor Angst über das Geländer gesprungen und den Berg hinuntergefallen", erzählt der Zeuge.

Zehn Strafanzeigen von Fans liegen Rechtsanwalt Marco Noli vor. Drei wegen gefährlicher Körperverletzung, der Rest bezieht sich auf die Blocksperre, die die Polizei verhängt hatte: Etwa 20 Minuten vor Spielende, so sagen Fans, sei der Löwen-Block abgeriegelt worden. Damit wollte die Polizei verhindern, dass die "Roten" und "Blauen" aneinandergeraten.

Denn schon im Vorfeld des Spieles hatte es Auseinandersetzungen gegeben. Einzelne berichten von 40 Minuten, in denen die Fans eingesperrt im Stadion standen, darunter auch Kinder. Sieben Fans klagten wegen Freiheitsberaubung. Abgewiesen: Die Fans hätten früher heimgehen können, so die Begründung.

Bei den Schlägen hingegen räumt die Staatsanwaltschaft ein, dass es mehrere Hinweise gebe, dass die Beamten "in unverhältnismäßiger Weise und ohne rechtfertigenden (...) Grund mittels Schlagstöcken auf unbeteiligte Besucher, zum Teil Kinder und Frauen, eingeschlagen haben sollen". Im Einsatz waren Kräfte der Bereitschaftspolizei Dachau sowie zwei Züge des USK. Deren Vorgesetzte wurden befragt. Sie behaupten, der Gewalteinsatz sei von ihnen nicht angeordnet worden, außerdem hätten sie keine Übergriffe bemerkt. Auch die Videoaufnahmen, die die Polizei zur Identifizierung von Gewalttätern fertigt, ließen "keinerlei Rückschlüsse" zu. "Es wurde wohl nicht alles gefilmt", mutmaßt Noli.

"Ein Zeuge ist sich sicher, er würde den Beamten, der ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht hat, erkennen", sagt Anwalt Noli. Doch zu einer Gegenüberstellung kam es nicht. Laut Marco Noli wurden nicht einmal die Personalien der eingesetzten Beamten in Erfahrung gebracht. Es gab keine Zeugenvernehmungen, keine Befragung. "Wie soll ich die Beamten vernehmen, als Zeugen oder als Beschuldigte?", antwortet Oberstaatsanwalt Anton Winkler auf die Frage nach dem Warum.

Er müsse die Beamten belehren, dass sie nichts aussagen müssen, was sie belastet: "Was für einen Sinn hat dann die Befragung?" Und: "Warum gibt es beim USK keine Namensschilder oder Nummern?" Diese Frage beantwortet Polizeisprecher Wolfgang Wenger wie folgt: "Nummern haben wir noch nie gehabt. Wir sind keine Nummern." Auch Namensschilder seien bei solchen Einheiten nicht üblich. Da habe es nämlich schon falsche Anschuldigungen gegeben.

Wie und wann aber können dann überhaupt Polizeibeamte aus solchen Einheiten zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie individuell nicht erkennbar sind? Darauf haben weder Polizei noch Staatsanwaltschaft eine Antwort. Anwalt Noli hat gegen die Einstellungsverfügung eingelegt. Jetzt ist die Generalstaatsanwaltschaft am Zug.

© SZ vom 15.10.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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