Ermittlungen:Oktoberfest-Attentat soll neu untersucht werden

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Zweifel am Ermittlungsergebnis: Knapp 30 Jahre nach dem Terroranschlag auf das Münchner Oktoberfest soll der Fall neu aufgerollt werden.

A. Ramelsberger und N. Richter

Mehrere Geschädigte versuchen, eine Wiederaufnahme der Ermittlungen zu erreichen. Zudem unternehmen die Grünen im Bundestag einen Vorstoß, um die Hintergründe des Attentats doch noch aufzuklären. Sie legen der Bundesregierung einen ausführlichen Fragenkatalog vor, in dem es vor allem auch darum geht, ob die deutschen Geheimdienste von den Vorbereitungen der Tat gewusst haben.

Bergung eines Opfers nach dem Anschlag auf das Oktoberfest in München 1980. (Foto: Archiv-Foto: dpa)

Bei der Bombenexplosion waren am 26. September 1980 an einem Eingang des Oktoberfestes 13 Menschen getötet worden, fast 200 Menschen wurden schwer verletzt. Als einziger Täter wurde der rechtsgerichtete Student Gundolf Köhler ausgemacht, der bei dem Attentat selbst umkam. Mehrere Zeugen hatten jedoch ausgesagt, sie hätten mögliche Mittäter gesehen.

Neue kriminaltechnische Erkenntnismöglichkeiten nutzen

Der Münchner Rechtsanwalt Werner Dietrich schrieb kürzlich an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, bei neuen Ermittlungen sollten "neue kriminaltechnische Erkenntnismöglichkeiten" genutzt werden, so zum Beispiel DNS-Analysen. Insbesondere sollten Leichenteile untersucht werden, die damals am Tatort gefunden wurden. Dietrich vertritt eine Frau, die bei dem Attentat schwer verletzt wurde, sowie eine Familie, die zwei Kinder verlor. Dietrich äußert in seinem Brief erhebliche Zweifel am bisherigen Ermittlungsergebnis der Bundesanwaltschaft, wonach das Attentat allein dem rechtsgerichteten Gundolf Köhler zuzurechnen sei.

Die Spuren vom Tatort müssten neu abgeglichen werden mit Spuren aus der Wohnung und dem Auto Köhlers, erklärt Rechtsanwalt Dietrich. Außerdem müssten Bombe, Sprengstoff und Zünder mit neueren Erkenntnissen über vergleichbare rechtsradikale Aktivitäten in den 70er und 80er Jahren verglichen werden. "Daraus könnte sich ergeben", schreibt Dietrich, "dass Köhler im Auftrag und mit Wissen eines bestimmten rechten Umfeldes und nicht als persönlich frustrierter Einzeltäter handelte, der die Bombe allein gebaut und gelegt hat."

Unklar ist allerdings, ob die bisher nicht zugeordneten Leichenteile, die Hinweise auf mögliche Mittäter Köhlers geben könnten, überhaupt noch vorhanden sind. Im Februar hatte die Bundesanwaltschaft dem Münchner Rechtsanwalt mitgeteilt, dass zumindest bei der Bundesanwaltschaft und beim bayerischen Landeskriminalamt "keinerlei Asservate mehr vorhanden" seien.

Wie das bayerische Justizministerium mitteilte, werden Asservate normalerweise nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens vernichtet. Das Verfahren gegen eine Reihe verdächtiger Rechtsradikaler wurde 1982 eingestellt. Unklar ist, ob es heute überhaupt noch Asservate vom Oktoberfest-Attentat aus dem Jahr 1980 gibt. Nur besonders "archivwürdige" Stücke würden im Staatsarchiv aufbewahrt.

Stasi-Unterlagen durchforstet

Schon in den Jahren nach dem Anschlag hatte der Journalist Ulrich Chaussy eine ganze Reihe von Zeugen befragt, die von mehreren Tätern gesprochen hatten. Bereits in den 80er Jahren gab es Hinweise, dass Mitglieder der rechtsradikalen Wehrsportgruppe Hoffmann, die in den Wäldern rund um Nürnberg paramilitärische Übungen abhielt, an der Tat beteiligt waren. So hatte sich einer von ihnen in einer Bar im Libanon selbst der Tat bezichtigt, ein anderer hatte kurz vor seinem Tod berichtet, er sei in München dabei gewesen. Doch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wie auch die bayerische Polizei hielten an der Theorie vom Einzeltäter fest.

Der Autor Tobias von Heymann hat in den vergangenen Jahren die Stasi-Akten nach Erkenntnissen über das Attentat durchforstet. Danach haben Verfassungsschützer aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen exakt 22 Stunden vor der Explosion auf dem Oktoberfest eine Beschattungsaktion gegen Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann gestartet - detailliert dokumentiert in den Unterlagen der Stasi. Die Grünen wollen nun wissen, ob die Verfassungsschützer auch Gundolf Köhler beschattet haben und von seinen Tatvorbereitungen wussten. "Lagen den Verfassungsschützern möglicherweise Kenntnisse vor, dass die Wehrsportgruppe Hoffmann einen Anschlag in München planen könnte?", fragen die Grünen die Bundesregierung.

© SZ vom 13.05.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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