Ermittlungen zu Aline K.:Datenspur führt zum Mörder

UMTS Mobilfunk-Antennen

Mobilfunkmasten schaffen ein nahezu lückenloses Netz, Datenströme wie Überwachung nehmen zu.

(Foto: dpa)

Ständige Überwachung ist bei Handys ein Grundprinzip. Im Fall der in München ermordeten Aline K. halfen der Polizei vor allem zwei Mobiltelefone weiter.

Von Helmut Martin-Jung, Stefan Simon und Susi Wimmer

Im Mordfall Aline K. hat die Polizei viele Handy- und andere Daten ausgewertet, um den Verdächtigen zu überführen und die Leiche der 30-Jährigen zu finden. Auch der in Untersuchungshaft sitzende Michael P. soll versucht haben, mobile Kommunikationsmittel zu nutzen - allerdings, um die Ermittler in die Irre zu führen, glauben Mordkommission und Staatsanwaltschaft.

Der Kripo stehen viele Wege offen, sich auf die digitalen Spuren von möglichen Verbrechern zu heften. Eigenmächtig zugreifen darf die Polizei auf diese Daten jedoch nicht, dafür sind richterliche Beschlüsse nötig, und die gibt es nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung. Ist "Gefahr im Verzug", etwa wenn es um ein Menschenleben geht, das vielleicht noch gerettet werden kann, geht das alles ganz schnell. Dann kann die Polizei ein Mobiltelefon auch binnen Minuten orten.

Auf dem Handy von Michael P. fanden die Beamten Kurznachrichten, die angeblich von Aline K. stammten und den Eindruck erweckten, die Frau hätte sich von ihm getrennt oder würde sich das Leben nehmen wollen. Doch die Ermittler wurden misstrauisch und ließen Bewegungsprofile der Handys erstellen. Schnell war klar, dass die Geräte nach dem angeblich spurlosen Verschwinden der 30-Jährigen einige Male in derselben Funkzelle eingebucht waren.

Minutiös konnte die Polizei nachvollziehen, wann welches Handy wo war, welche Nachrichten geschickt wurden und auch, wann das Gerät aufgeladen wurde. Als auch die Daten aus dem Navigationsgerät im Auto des 29-Jährigen ausgewertet wurden und ein Hinweis aus der Nachbarschaft kam, verdichtete sich der Verdacht gegen P. Mit Suchhunden durchkämmten Polizisten verschiedene Anwesen in Langwied. In einem verfallenen Keller stießen sie auf die Leiche von Aline K.

Die ständige Überwachung ist bei Handys ein Grundprinzip: Mobilfunkanbieter müssen wissen, wo ein Gerät ist, damit sie Gespräche und Nachrichten auch in die entsprechende Funkzelle leiten können, in der sich der Nutzer befindet. Zu diesem Zweck senden Handys in regelmäßigen Abständen eine Information an die Funkzellen in der Nähe. Da sich meist mehrere Funkzellen überlappen, lässt sich aus der Signalstärke errechnen, wo ungefähr sich das Telefon befindet. Das permanente Melden des Handys in der Funkzelle wird allerdings nicht gespeichert. "Der Provider sichert nur die für ihn interessanten Daten", sagt Stefan Wagner, Diplom-Ingenieur für Nachrichtentechnik am Landeskriminalamt. Wichtige Daten, das sind Gespräche und SMS, egal ob sie ein- oder ausgehen.

Für die Mordkommission ist es wichtig, bei einem Anfangsverdacht so früh wie möglich beim Provider die Handydaten einfrieren zu lassen. "In den ersten sieben Tagen sind die Daten noch sehr dicht, dann beginnt der Provider mit dem Ausdünnen", sagt Wagner. 30 Tage später ist nur noch ein kleiner Teil der Daten übrig.

Moderne Smartphones übertragen und sammeln darüber hinaus noch jede Menge anderer Daten. Installiert der Benutzer eine App, wird er - etwa von Diensten wie Facebook, Twitter oder WhatsApp - regelmäßig gefragt, ob der Anbieter den Standort verwenden dürfe. Vordergründig geht es dabei um soziale Interaktion, für einige Unternehmen geht es aber auch um die Möglichkeit, personalisierte und ortsbezogene Werbung ausspielen zu können.

Auf diese Weise hinterlassen Handynutzer immer mehr Spuren. Die iPhones von Apple verfügen zudem über eine Funktion, verlorene oder gestohlene Geräte aufzufinden - über jeden beliebigen Internet-Browser. Man kann dann sehen, wie voll der Akku noch ist, man kann einen Signalton abspielen, eine Nachricht senden und das Gerät auch vor fremdem Zugriff sperren. Wer allerdings seinen Benutzernamen und das Passwort an andere weitergibt, gibt diesen auch alle diese Möglichkeiten.

Michael P. soll spezielle Überwachungssoftware benutzt haben, die er aus dem Internet heruntergeladen und seiner Freundin aufs Handy gespielt hatte. Es gibt sogar Software, die ausgeschaltete Handys überwacht. Dagegen würde nur helfen, die Batterie herauszunehmen. Das aber geht bei vielen Geräten nicht mehr. Bei konspirativen Treffen legen die Teilnehmer die Handys daher oft in einen Safe oder Kühlschrank. Erst dann ist sicher, dass sie keine Funkverbindung mehr haben.

Natürlich ist das Herumspionieren mit solchen Programmen illegal. Doch der Tatverdächtige Michael P. ist offenbar krankhaft eifersüchtig. Das von ihm präparierte Handy seiner toten Freundin wird für die Mordkommission ein wichtiges Beweismittel sein.

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