Süddeutsche Zeitung

Kunst in Wolfratshausen:Leuchten gegen die Dunkelheit

Markus Heinsdorffs Installation "Licht an für mehr Menschlichkeit" glüht die nächsten Monate vor dem Erinnerungsort Badehaus in Waldram.

Von Sabine Reithmaier, Wolfratshausen-Waldram

Wie in einem Brennglas spiegelt der Waldramer Erinnerungsort Badehaus Zeitgeschichte. Erst war das Lager Föhrenwald, so der frühere Namen des Wolfratshauser Ortsteils, eine Siedlung für die Arbeiter in der nahegelegenen NS-Munitionsfabrik. Nach dem Krieg fungierte es als Lager für Displaced Persons, also jüdische Holocaust-Überlebende, um schließlich zu einem Zufluchtsort für Heimatvertriebene zu werden. All diese Schichten rollt die Dauerausstellung des Museums auf. Schon deshalb passt Markus Heinsdorffs "Licht an für mehr Menschlichkeit" hervorragend dorthin. Denn auch diese Landschaftsinstallation setzt ein Zeichen gegen das Vergessen, macht auf die prekäre Lage der Flüchtenden vor den Grenzen Europas aufmerksam.

36 orangefarbene Leuchten werden von diesem Samstagabend (19.2.) an rund um das Badehaus leuchten. Die Lampenschirme sind aus dem Stoff gebrauchter und am Strand zurückgelassener Schwimmwesten gefertigt, der einzigen Lebensversicherung, die Flüchtlinge in den Wellen des Mittelmeers besitzen. Und weshalb auch jede Leuchte Gebrauchsspuren aufweist. Ursprünglich hat der Münchner Künstler sie für und in Kooperation mit der Gemeinschaft Schloss Blumenthal geschaffen. Die Genossenschaft bewirtschaftet seit einigen Jahren das Schloss bei Aichach mit Hotel, Gasthaus und Seminarbetrieb. Dort im Innenhof wirkte die Landschaftsinstallation im Frühjahr 2021 besonders intensiv, 144 Leuchten begannen dort in der Dämmerung zu glimmen.

Nach zwei Monaten in der Ausstellung "who cares" des Augsburger Textilmuseums - dort glühten 37 Leuchten - werden nun 36 Exemplare rund um das Badehaus leuchten. Die Installation ist immer mit viel ehrenamtlicher Arbeit verbunden. Denn die Lampen sind auf 4,40 Meter hohen Stelen befestigt, die erst einmal 70 Zentimeter tief im Boden verankert werden müssen. 36 so tiefe Löcher zu graben, ist keine Kleinigkeit. Und natürlich müssen auch Kabel verlegt werden.

Zum Glück hat Heinsdorff viel Erfahrung mit derartigen Projekten. In China und Indonesien baute er mit dem dort als minderwertig geltenden Bambus Häuser, erstellte damit 2010 den Deutsch-Chinesischen Pavillon auf der Expo Shanghai. Wo auch immer er wirkt, setzt er sich intensiv mit der jeweiligen Landeskultur auseinander, verwendet traditionelle Materialien, ohne auf High-Tech-Möglichkeiten zu verzichten. Und arbeitet mit den Menschen vor Ort zusammen.

So auch in Waldram. Dem 67-jährigen Münchner Künstler Heinsdorff ist die Gegend nicht fremd, er ist im benachbarten Irschenhausen aufgewachsen und in Icking zur Schule gegangen. Das Badehaus hat er freilich erst jetzt kennengelernt. "Ich finde es großartig und enorm engagiert gemacht", schreibt er in einer Mail. Ein Grund mehr für ihn, seine Arbeiten in der Region zu zeigen.

Eröffnung am Samstag, 19. Februar, 18 Uhr (nur mit Anmeldung unter 08171/ 2572502 oder info@erinnerungsort-badehaus.de). Ausstellungsdauer bis 8. Mai, www.erinnerungsort-badehaus.de

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