Süddeutsche Zeitung

Erinnerung an Alt-OB:Im Namen des Bürgermeisters

An diesem Mittwoch wird ein Platz in der Innenstadt nach dem verstorbenen Alt-OB Georg Kronawitter benannt. Auch viele seiner Vorgänger wurden mit einer Straßenschild geehrt - vom Altstadtring bis zur Isarparallele

Von Jakob Wetzel

Der Sattlerplatz hinter dem Hirmer-Parkhaus in der Altstadt ist ein spezieller Ort, denn offiziell gibt es ihn gar nicht. Die Fläche ist namenlos, sie wird nur so genannt, weil die kleine Sattlerstraße über sie hinweg führt. Doch dieser eigentümliche Zustand wird sich an diesem Mittwoch ändern: Die Stadt benennt die Fläche, die zu einem für Fußgänger attraktiven Platz umgestaltet werden soll, um 11.30 Uhr in "Georg-Kronawitter-Platz". Die Benennung einer Straße oder eines Platzes ist die größte Ehrung der Stadt, die einer Person posthum zuteil werden kann. Der SPD-Politiker Kronawitter war von 1972 bis 1978 und von 1984 bis 1994 Oberbürgermeister; er starb im April 2016. Er ist der jüngste in einer langen Reihe früherer Bürgermeister, die auf diese Weise geehrt werden. Mal tragen zentrale Verkehrsadern deren Namen, mal kleine Fuß- und Radwege. Eine Auswahl:

Mittermayrstraße

Er ist der erste seiner Art gewesen. Zwar gab es auch zuvor schon Bürgermeister in München, doch erst mit dem Gemeindeedikt von 1818 erhielt das Amt annähernd seine heutige Bedeutung. Und erster Amtsträger war der Jurist und vorherige Kommunalverwalter Franz de Paula Edler von Mittermayr - er gilt zugleich als erster Bürgermeister im heutigen Deutschland, der eine Amtskette trug. Mittermayr amtierte bis zu seinem Tod im Juli 1836. In seine Amtszeit fielen unter anderem der Ausbau zur Kunststadt unter König Ludwig I. und der Umzug der Ludwig-Maximilians-Universität von ihrem Übergangsquartier in Landshut nach München. Verglichen mit diesen nachhaltigen Veränderungen wirkt die nach Mittermayr benannte Straße eher unspektakulär. Sie ist eine Wohnstraße in Schwabing und führt vom Hohenzollernplatz zur Clemensstraße.

Thomas-Wimmer-Ring

Kein Münchner Bürgermeister ist so in die Folklore seiner Stadt eingegangen wie Thomas Wimmer. Der SPD-Politiker und gelernte Schreiner war von 1948 bis 1960 OB. Er kümmerte sich um den Wiederaufbau der von Bomben zerstörten Stadt und wehrte sich entschlossen gegen Gedankenspiele, durchs Zentrum eine Autobahn zu bauen. Nach ihm ist heute ein Teil des Altstadtrings benannt, der immerhin knapp um die Altstadt herumführt. In Erinnerung geblieben ist der "Wimmer Dammerl" vor allem durch das öffentlichkeitswirksame "Rama Dama" 1949: Da griff er selbst zum Spaten und schaufelte Kriegsschutt, und 7000 Münchner mit ihm. "Rama Dama" ist heute eine stehende Wendung, wenn irgendwo viele Menschen gemeinschaftlich aufräumen. Ähnliches gilt für "Ozapft is": 1950 hatte Wimmer als erster Münchner OB das erste Fass der Wiesn angezapft und dabei diesen Spruch geprägt. Gut möglich, dass er insgeheim "endlich" dazu dachte. Er hatte 17 Schläge gebraucht.

Karl-Scharnagl-Ring

Karl Scharnagl war Wimmers Vorgänger - und an ihn, einen der Gründerväter der CSU, erinnert die Stadt genauso prominent wie an seinen Nachfolger von der SPD. Der Karl-Scharnagl-Ring ist ebenfalls Teil des Altstadtrings, er führt den Thomas-Wimmer-Ring gewissermaßen als dessen schwarzes Gegengewicht weiter nach Norden zur Staatskanzlei. Scharnagl war politisch hochbegabt: Mit 30 Jahren saß der gelernte Bäcker im Landtag, erst für das Zentrum, dann für die Bayerische Volkspartei. Für die wurde er 1925 Erster Bürgermeister Münchens, bis er 1933 von den Nazis verdrängt wurde. Nach dem Krieg, als die US-Besatzer nach politisch unverdächtigem Personal suchten, ernannten sie ihn wieder zum OB. Scharnagl verteidigte dieses Amt einmal, 1948 verlor er es dann an Wimmer. Mit dem hatte er überhaupt viel zu tun, ganz wie die nach ihm benannte Straße. Beide waren Gegner der Nazis, 1944 trafen sie gar im KZ Dachau aufeinander. Und obwohl sie politisch anders dachten, ernannte Scharnagl Wimmer 1945 zu seinem Stellvertreter.

Steinsdorfstraße, Erhardtstraße und Widenmayerstraße

Direkt entlang des linken Ufers der Isar hat die Stadt München gleich drei ihrer Ersten Bürgermeister in Straßennamen verewigt: Kaspar von Steinsdorf, Alois von Erhardt und Johannes von Widenmayer. Die drei - allesamt Juristen - amtierten nacheinander von 1854 bis 1893. Das waren aufreibende Jahre für München. Die industrielle Revolution machte die Stadt zum führenden Standort unter anderem im Lokomotiven- und Maschinenbau, und Eingemeindungen ließen sie zur Metropole anschwellen. Zuerst kamen die Au, Haidhausen und Giesing dazu, dann Ramersdorf, Untersendling, Schwabing, Neuhausen und Bogenhausen. Die Bevölkerungszahl verdreifachte sich unter den drei Bürgermeistern auf etwa 400 000 Menschen. Und München erhielt unter anderem eine Kanalisation, einen neuen Schlachthof, neue Schulen und eine Pferdetram.

Utzschneiderstraße

Es ist schwer zu sagen, ob Joseph von Utzschneider wirklich mit einem Straßennamen geehrt wurde, weil er von 1818 bis 1823 einmal hinter Franz von Mittermayr Zweiter Bürgermeister war - oder deshalb, weil er aus der Wirtschaftsgeschichte Münchens kaum wegzudenken ist. Der Unternehmer hatte sich zunächst als Reformer im Finanzministerium versucht, dann gründete er unter anderem ein "Mathematisch-Feinmechanisches Institut", das später unter Joseph von Fraunhofer Weltgeltung in der Herstellung von Teleskopen erreichte, ordnete das Salinenwesen neu und legte den Grundstein für das Grundstückskataster in Bayern. Nebenher versuchte sich Utzschneider in verschiedenen Geschäftszweigen und errichtete unter anderem eine Brauerei im Luitpoldblock an der Brienner Straße. Nach ihm benannt ist eine knapp 130 Meter lange Einbahnstraße in der Isarvorstadt, die von der Blumenstraße zur Reichenbachstraße führt.

Otto-Merkt-Weg

Den Otto-Merkt-Weg kennen viele Münchner vor allem von unten: Er führt als Brücke für Fußgänger und Radfahrer über die Effnerstraße, die dann 200 Meter stadtauswärts in den Föhringer Ring übergeht. Das sein Namensgeber Otto Merkt einst Zweiter Bürgermeister Münchens war, ist ebenfalls eher eine Randnotiz. Der aus Kempten im Allgäu stammende Jurist bekleidete das Amt von 1914 bis 1917 - und die meiste Zeit davon diente er im Ersten Weltkrieg als Hauptmann an der Westfront. Doch auch davon abgesehen ist Otto Merkt ein aus heutiger Sicht eher schwieriger Namenspatron. Der Mann hat sich zwar Verdienste um die Heimatforschung erworben und zum Beispiel das Amt des Heimatpflegers erfunden. Er erwärmte sich aber auch für die Eugenik und war von 1933 an Mitglied der NSDAP.

Eduard-Schmid-Straße

Eduard Schmid dagegen war ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten. Der aus Schwaben stammende gelernte Schreiner bekleidete von 1919 bis 1924 das Amt des Ersten Bürgermeisters. Die nach ihm benannte Straße führt in der Au etwa einen Kilometer an den Grünanlagen rechts der Isar entlang. Schmid war der allererste von bislang sechs sozialdemokratischen Politikern an der Spitze Münchens. Freilich hatte er mit seiner Amtszeit kein Glück. Gewählt wurde er wenige Wochen, nachdem die Münchner Räterepublik blutig niedergeschlagen worden war. Die Wirtschaft lag schon seit dem Krieg darnieder, Menschen hungerten, die Arbeitslosigkeit grassierte, bald kam eine üble Inflation hinzu - und am 8. und 9. November 1923 putschten die Nationalsozialisten. Schmid wurde von der SA gefangen genommen und mit dem Tod bedroht. Nachdem der Putsch niedergeschlagen war, wurde der Bürgermeister befreit. Er starb kurz nach dem Regierungsantritt Hitlers.

Hans-Steinkohl-Straße

Der CSU-Politiker Hans Steinkohl ist derjenige Bürgermeister, nach dem zuletzt eine Straße in München benannt worden ist. Steinkohl saß ab 1952 im Stadtrat, von 1968 bis 1972 amtierte er als Zweiter Bürgermeister unter OB Hans-Jochen Vogel (SPD). Der gelernte Chirurg Steinkohl war Polizeireferent, als im August 1971 zwei Räuber eine Bankfiliale an der Prinzregentenstraße überfielen; es war die erste Geiselnahme in der Bundesrepublik. Am Ende trug Steinkohl persönlich die tödlich verletzte Geisel Ingrid Reppel zu einem Notarztwagen. Daneben war seine Amtszeit vor allem von den Vorbereitungen für die Olympischen Sommerspiele 1972 geprägt. Als die Spiele selbst begannen, war er freilich schon nicht mehr im Amt. Heute wird an Steinkohl zwar weit draußen, aber recht prominent erinnert: Die Hans-Steinkohl-Straße ist die zentrale Erschließungsachse durch das Gewerbegebiet Freiham. Sie führt vierspurig von der Bodenseestraße zur Lindauer Autobahn.

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SZ vom 19.09.2018
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