US-Bestsellerautorin Morgan Jerkins„Ich lebe in einem Land, in dem Leute leugnen, dass es Sklaverei gab“

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Morgan Jerkins hat bereits vier Bücher veröffentlicht und unterrichtet Kreatives Schreiben an der Princeton University.
Morgan Jerkins hat bereits vier Bücher veröffentlicht und unterrichtet Kreatives Schreiben an der Princeton University. (Foto: Sire Leo Lamar Becker)

Unerschrocken gegen Rassismus und Faschismus: Morgan Jerkins sieht in der Autorin Erika Mann eine Geistesverwandte. Bei einer Lesung an der Ludwig-Maximilians-Universität München erzählt sie, warum.

Von Anna Steinbauer

Was haben die vor den Nazis geflohene Exilautorin Erika Mann und die 1992 geborene US-amerikanische Bestsellerautorin Morgan Jerkins gemeinsam? So einiges, wie sich im Zoom-Gespräch mit der in Brooklyn lebenden Schriftstellerin herausstellt. Unerschrockener Scharfsinn, die Vorliebe fürs Reisen und keine Scheu, ihre Stimme gegen Rassismus und Faschismus zu erheben, gehören auf jeden Fall dazu.

Am Donnerstag, 26. Juni, wird Jerkins die diesjährige Erika-Mann-Lecture in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität München halten und sich nach Asal Dardan und Carolin Emcke mit Werk und Ideen der ältesten Mann-Tochter auseinandersetzen. „Ich kannte Erika Mann vorher nicht“, erzählt Jerkins. „Als ich recherchierte, fand ich heraus, dass sie ein faszinierendes Leben führte: Sie war eine Reisende, eine Kritikerin, eine couragierte Autorin, queer und progressiv. Das hat mich definitiv gereizt.“

Die älteste Mann-Tochter war als unkonventionelle Denkerin und Stilikone ihrer Zeit weit voraus. Nach ihrem Vorbild sollen die Lecture-Series, die ein gemeinsames Projekt von LMU, Rowohlt Verlag, Holtzbrinck Berlin mit der Monacensia und dem Kulturreferat ist, einen Raum schaffen, in dem wichtige gesellschaftspolitische Themen diskutiert und kritisch eingeordnet werden.

Morgan Jerkins, die bereits vier Bücher veröffentlicht hat und Kreatives Schreiben an der Princeton University unterrichtet, ist dafür auf jeden Fall eine geeignete Kandidatin. In ihrer Lecture will sie über „Romantische Außenseiter“ sprechen und eine Brücke von den Reiseliteraturen Erika Manns über die Prosa Alexander Puschkins bis zu ihren eigenen Texten schlagen. Zusätzlich wird die Schauspielerin Wiebke Puls ausgewählte Textpassagen aus Manns umfangreichem Werk vortragen.

Die Reiselust teilt die US-Amerikanerin mit der Exilautorin, die 1927 mit ihrem Bruder Klaus eine neunmonatige Weltreise unternahm: Jerkins selbst absolvierte ein Praktikum in Tokio, studierte in Russland, lehrte 2019 als Gastprofessorin an der Uni Leipzig, machte unter anderem Urlaub in Ägypten und Kopenhagen. An Manns Reiseberichten faszinierten sie besonders die Passagen, in denen sie mit einer „wahnsinnigen Beobachtungsgabe“ über die Situation schwarzer Amerikanerinnen schreibe, erzählt die 33-Jährige.

Erika Mann war die älteste Tochter des Schriftstellers Thomas Mann.
Erika Mann war die älteste Tochter des Schriftstellers Thomas Mann. (Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

„Erika Mann zeigt sich sehr empfänglich dafür, was es bedeutet, eine Außenseiterin zu sein und nicht zur Mehrheitsgesellschaft zu gehören.“ Eine Position, die sie als schwarze Autorin, die ihre Lebenswelt in der Literatur nicht abgebildet sieht, nur zu gut kenne, so Jerkins: „Eine afroamerikanische Frau zu sein, bedeutet leider überall auf der Welt, Vorurteilen ausgesetzt zu sein. Alles, was ich tue, ist politisch – selbst wenn es unabsichtlich ist: Die Art und Weise wie ich mein Haar trage, Freude ausdrücke, mich ausruhe. Ich musste den Widerstand für eine bessere Welt selbst als Teil meiner Kunst entwickeln.“

In Zeiten von Cancel-Culture und Fake News ist es Jerkins besonders wichtig, ihre Studierenden of Colour zu ermutigen, ihre Geschichten zu erzählen: „Ich lebe in einem Land, in dem Leute leugnen, dass es Sklaverei gab. Wenn wir nicht über das Übel sprechen, das hier passiert ist, und es in den richtigen Kontext setzen, entsteht Desinformation.“ An Manns Werk schätzt sie vor allem auch die Idee von Hoffnung und Optimismus als Gegenpol zur Angst gegen Faschismus und Repression. Dass die Lecture in der Monacensia archiviert wird, findet sie großartig: „Es ist eine Erinnerung daran, dass niemand allein ist. Vielleicht hilft es irgendwann mal jemandem – genauso, wie Erika Manns Werk mir geholfen hat.“

Morgan Jerkins, Donnerstag, 26. Juni, 19 Uhr, Große Aula der Ludwig-Maximilians-Universität München, Eintritt frei, in englischer Sprache

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