Eric Clapton in München:"Er hat am Schluss nicht ,Thank you' gesagt"

Eric Clapton in München: Endlich geschafft, Erika C. beim Konzert von Eric C. Die Karte bekam die heute 82-Jährige von ihren Kindern zu Weihnachten 2019 geschenkt, dann kam Corona, und Claptons Auftritt in München wurde zwei mal verschoben.

Endlich geschafft, Erika C. beim Konzert von Eric C. Die Karte bekam die heute 82-Jährige von ihren Kindern zu Weihnachten 2019 geschenkt, dann kam Corona, und Claptons Auftritt in München wurde zwei mal verschoben.

(Foto: Robert Haas)

Mama hat zwei Jahre auf Eric Clapton gewartet, jetzt hat die 82-Jährige in der Olympiahalle einen nahezu perfekten Abend erlebt. Eine etwas andere Konzertkritik.

Von Jutta Czeguhn

Mama hebt den Daumen und sagt irgendetwas, das im Höllenlärm des Schlussapplauses in der Olympiahalle untergeht. Soll wohl heißen, Eric Clapton hat seine Sache gut gemacht. Womöglich sogar besser als 2019 bei seiner letzten Tour. Muttern hat den Vergleich, sie war beim Konzert in der Wiener Stadthalle dabei.

Wir hatten ihr die Karte zum 80. Geburtstag geschenkt. 2020 wollten wir dann noch einen drauf setzen, es sollte Mamas großes Konzertjahr werden, wir versorgten sie mit Tickets für Sting, Santana und noch mal Clapton, diesmal in München. Wurde dann ja erst mal nix, alles auf Pause gestellt. Die Karten wanderten in ihre Nachttisch-Schublade, und Mama meinte lakonisch: "Da müssen wir jetzt wohl durchhalten, der Eric und ich."

Eric Clapton in München: Unprätentios, ohne Genieanwandlung aber immer noch beeindruckend: Eric Clapton in der Olympiahalle.

Unprätentios, ohne Genieanwandlung aber immer noch beeindruckend: Eric Clapton in der Olympiahalle.

(Foto: Stefan M. Prager)

Haben sie, Musik ist ein schönes Überlebensmittel. Auch wenn es Clapton vor drei Wochen erwischt hatte, das Virus, das aus ihm auch einen dieser Querdenker-Schwurbler gemacht hat. Den Lockdown in UK mit der Sklaverei zu vergleichen, das fand Erika, so heißt Mama, die beim Impfen eine der Ersten war, einigermaßen bescheuert. Schließlich ist sie keine kritiklose Anbeterin. Doch der 77 Jahre alte Risikopatient scheint Covid gut weggesteckt zu haben.

Unprätentiös in zerbeulter Jeans, Sneakers und einem beigefarbenen Jackett, pflegt er vom ersten Moment ("Pretending") den gewohnten Kult der Mühelosigkeit und entschuldigt sich mit britischer Höflichkeit bei allen, die ihre Karten nicht zurückgegeben haben: "Sorry, we're late - two years." Beifallsgeprassel von den Rängen der zu Zweidritteln gefüllten Olympiahalle. Ziemlich viel Silbersee. "Ich bin hier nicht die Älteste!", stellt Mama mit Genugtuung fest, die bei Klassik in parkettierten Konzertsälen gern mal einnickt, erschöpft vor Langeweile.

Eric Clapton in München: "Ich bin hier nicht die Älteste": Mama Erika beim Eric-Clapton-Konzert in der Olympiahalle.

"Ich bin hier nicht die Älteste": Mama Erika beim Eric-Clapton-Konzert in der Olympiahalle.

(Foto: privat)

Hier gibt's hingegen Energie-Infusionen, nicht nur für die vielen Pensionisten. Clapton und seine Weltklasse-Musiker verteilen die Blues-Konserven mit souveräner Routine. Fast scheint es, als hätten sie sich auf der Bühne unter der nicht allzu spektakulären Light-Show privat zum Jammen getroffen; Nathan East (Bass), Paul Carrack und Chris Stainton (Keyboards), Doyle Bramhall II (Gitarre) und Sharon White und Katie Kissoon (Gesang). Und wir dürfen Zeugen sein bei diesem irgendwie selbstgenügsamen Hochamt, wenn der Meister, ohne Genieanwandlungen, zu seinen immer noch genialen Soli abhebt und mit einer Stimme singt, die alle Erosionsprozesse gut überstanden hat. Auf den beiden Leinwänden rechts und links von der Bühne kann man die Fingerzauberei close-up in Schwarz-Weiß bestaunen.

Clapton und Co. arbeiten sich durch ihr Programm, übergangslos und irgendwie ungerührt geht es vom reggeageschwängerten "I Shot the Sherrif" zum Cream-Kracher "White Room" dahin. "Drifting" driftet vorbei, "Badge", "Wonderful Tonight" "Crossroads", "Little Queen Of Spades". Manchmal wünscht man sich, es gäbe zumindest den Anflug von (Applaus-)Pausen, um ihnen unsere gehäufte Zuneigung und Begeisterung durch diesen Schonbezug an Perfektion zu reichen. Aber, ok, Clapton war nie ein großer Kommunikator.

Toll war er, der Eric

Nur einmal geschieht kurz etwas wohltuend Unvorhergesehenes, auch wenn nicht nur Mama für einen Moment den Atem anhält. Bei "Nobody Knows You When You're Down And Out", dem zweiten Lied von Claptons "acoustic sit-down sets", haut es die sonst ziemlich gut ausgesteuerte Tontechnik irgendwie aus der Spur, und er muss seine Signature-Martin Acoustic wieder gegen seine E-Gitarre tauschen. Macht er ganz lässig.

Der Abend endet - das Publikum ist trotz allem aufgeputscht und steht längst - mit "Cocaine" und Claptons Lieblingszugabe "High Time We Went". Der einzigen. "Er hat am Schluss nicht ,Thank you' gesagt", kommt Mamas einziger Einwand gegen diesen nahezu perfekten Konzert-Abend. Jedenfalls hat sie den Dank ans Publikum nicht gehört. Toll war er, der Eric, aber 2023 will sie zu Bruce Springsteen ins Olympiastadion. Läuft, Mama, wir haben Karten!

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