Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Erfolgshungrig":Nahrhafte Gründerzeiten

In München entstehen besonders viele "Food Start-ups", die nachhaltige, regionale Lebensmittel produzieren.

Von Franz Kotteder

Nein, es liegt nicht nur an Corona und am Lockdown. Auch wenn sich da besonders viele Menschen, frei von anderen Ablenkungen, Gedanken gemacht haben über ihre berufliche Zukunft und ob sie sich nicht vielleicht doch selbständig machen sollten mit dieser Idee, die sie schon lange im Hinterkopf hatten. "Wir merken schon", sagt Marlies Resch vom Institut für Lebensmitteltechnologie der Hochschule Weihenstephan, "dass das Interesse stark gestiegen ist. Aber das Thema Ernährung beschäftigt die Allgemeinheit sowieso sehr viel mehr als früher."

Tatsächlich ist auch in München inzwischen eine regelrechte Gründungswelle entstanden. Junge Unternehmen, die sich eine Nische der Lebensmittelproduktion ausgesucht haben, wurden in den vergangenen zwei, drei Jahren besonders zahlreich gegründet. Die sogenannten "Food Start-ups" liegen im Trend, und sie beschränken sich längst nicht mehr auf die zwanzigste Craft-Beer-Brauerei oder den fünfunddreißigsten lokalen Gin mit Botanicals aus der Nachbarschaft. Vom veganen Lieferdienst ins Büro über Dattelpralinen, Hafersnack Porridge bis zur ersten Münchner Käsemanufaktur sind in jüngster Zeit viele neue Mini-Firmen in der Stadt und der näheren Umgebung an den Start gegangen.

Marlies Resch ist an dieser neuen Gründerzeit nicht ganz unschuldig. Sie ist die fachliche Leiterin des "Food Startup Inkubators" an der Uni Weihenstephan, ein Pilotprojekt, das der Lehrstuhlinhaber für Lebensmitteltechnologie, Thomas Lötzbeyer, 2019 initiiert hat, "um Entrepreneurship bei den Studenten zu fördern", wie Resch sagt. Die Hochschule hat dafür in Freising eine Werkhalle zur Verfügung gestellt, in der Start-ups diverse Produktionsanlagen für die Lebensmittelherstellung gegen eine geringe Gebühr nutzen können. Das erleichtert den Sprung in die Selbständigkeit erheblich, wie auch Eva Martell von Mamaeva bestätigt. Mamaeva hat seinen Sitz in Garching, stellt regionale Fruchtwein-Spritzgetränke her und steht in mancherlei Hinsicht exemplarisch für die neuen Start-ups. Man legt bei ihnen meist großen Wert auf regionale und biologisch erzeugte Zutaten, auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Mamaeva etwa kooperiert mit der Pfennigparade und mit Naturschutzverbänden.

Eva Martell hat in Weihenstephan studiert und kam so auf ihre Geschäftsidee, gleich nach dem Studium legte sie los. Am Inkubator schätzte sie besonders, "dass wir hier alle Informationen bekamen, die wir brauchten". Regelmäßige Coachings alle zwei Wochen unterstützen die jungen Gründer. "Wir sehen uns als Katalysator, der die ersten Schritte beschleunigen kann", sagt Resch. Das geschieht zum Beispiel auch durch öffentliche Veranstaltungen, an denen große Handelsketten teilnehmen. So auch beim nächsten, online stattfindenden "Food Startup Campus" am 30. September (Nähere Infos unter foodstartupcampus.de).

In Weihenstephan betreut man derzeit alleine schon 24 Start-ups, viele andere sind über die ersten Schritte längst hinaus. Einschlägige Plattformen im Netz wie zum Beispiel Startinfood.de, eigentlich selbst ein Münchner Food Start-up, unterstützen als Agentur und Crowdfunding-Quelle professionell Gründer im Lebensmittelbereich. Kein Wunder also, dass in München ganz besonders viele neue, kleine Firmen auf diesem Gebiet entstehen. Die SZ wird einige von ihnen in den kommenden Wochen vorstellen.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2021
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