Süddeutsche Zeitung

Erfolg für Staatsanwälte:Urteil gegen U-Bahn-Schläger rechtskräftig

"So werden Rechtsmittel fast abgeschafft": Karlsruhe verwirft die Revisionsanträge der Verteidigung. Der Anwalt rügt die Entscheidung.

Joachim Käppner

Das Urteil gegen die "U-Bahn-Schläger" vom Arabellapark ist rechtskräftig. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe die Revision der Verteidigung gegen das Münchner Urteil vom Juli vergangenen Jahres einstimmig und ohne nähere Begründung zurückgewiesen. Der BGH will die Entscheidung schon in den nächsten Tagen verkünden.

Eine offizielle Bestätigung dafür war am Mittwoch nicht zu erhalten. Aus BGH-Kreisen war lediglich zu erfahren, dass eine Entscheidung gefallen sei, nicht aber welche. Auch die Münchner Staatsanwaltschaft wollte sich nicht äußern. Anders der Münchner Rechtsanwalt Wolfgang Kreuzer, der während des Verfahrens den jüngeren der beiden Täter vertrat.

Er hat die Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH im Fall seines Mandanten bereits per Post erhalten: "Ich bin enttäuscht, aber nicht überrascht." Kreuzer: "Bei diesem Strafsenat muss man immer damit rechnen, dass die Revision verworfen wird." Überspitzt gesagt, "sei dieses Rechtsmittel in der Praxis fast schon abgeschafft". Kreuzer hatte den Revisionsantrag einem bekannten norddeutschen Anwalt überlassen.

Der damals 17-jährige Grieche Spyridon L. und sein 20-jähriger türkischer Freund Serkan A. hatten kurz vor Weihnachten 2007 in der verlassenen U-Bahn-Station Arabellapark einen alten Herrn fast zu Tode getreten und geschlagen. Das Opfer, der 76-jährige Hubertus N., überlebte nur durch Zufall und großes Glück.

Der Überfall wurde von einer Überwachungskamera komplett aufgezeichnet. Die schockierenden Bilder des Videos lösten bundesweite Debatten über die Jugendkriminalität aus. Anfang Juli 2008 verurteilte die Jugendkammer des Münchner Landgerichtes A. dann wegen versuchten Mordes zu zwölf Jahren Haft und L. zu einer Jugendstrafe von achteinhalb Jahren.

Die Ablehnung der Revision als unbegründet kann als voller Erfolg der Münchner Staatsanwaltschaft gewertet werden. Erstens ist ihre Linie, der das Gericht weitgehend gefolgt war, nun endgültig bestätigt worden. Zweitens aber hat das Urteil gegen den älteren der beiden Täter auch grundsätzliche Bedeutung, die völlig im Sinne der Anklagebehörde ist.

Das Gericht hatte es nämlich abgelehnt, den zur Zeit des Überfalls 20-jährigen Serkan A. nach dem milderen Jugendstrafrecht zu behandeln. Es gilt theoretisch nur für Minderjährige bis 18 Jahre, praktisch aber in einer Vielzahl von Fällen auch für Heranwachsende "mit Reiferückständen" bis zur Grenze von 21 Jahren. Dies geschieht so oft, dass etwa Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) die Vorschriften verschärfen will.

Auch aus Sicht vieler Staatsanwälte wird das Jugendstrafrecht bei Heranwachsenden zu häufig angewandt, so als ob schon das Verbrechen selbst als Beweis des Reifemangels gelte und deshalb milder zu ahnden sei.

Serkan A. jedenfalls, zur Zeit des Überfalls 20 Jahre alt, war nach Einschätzung des Gerichts reif genug, um als Erwachsener eingestuft zu werden. Er habe, so der Richter, nicht etwa Reifemängel gezeigt, sondern "ein gefestigtes dissoziales Verhalten". Auch dagegen hatte sich die Revision seines Anwalts Florian Wurtinger gerichtet: Serkan A., ein Junge aus problematischen Verhältnissen mit einem prügelnden Vater und einer überforderten Mutter, weise "aufgrund seiner harten Jugend eindeutige Reifeverzögerungen" auf.

Allerdings hatte die Kammer Serkan A. dann doch gewissermaßen mildernde Umstände zugebilligt, die Strafe hätte sonst deutlich über zwölf Jahre hinausgehen können. Wurtinger sagte der SZ, er sei "zwar nicht wirklich überrascht", habe aber hinsichtlich des Jugendstrafrechtes "doch mehr erwartet". Das Münchner Verfahren sei "ein Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung" in solchen Fällen gewesen, eben weil A. als Erwachsener eingestuft wurde.

Offensichtlich unbegründet

Des weiteren hatte die Verteidigung angeführt, der junge Grieche Spyridon L. habe möglicherweise unter einer nicht erkannten Psychose gelitten. Der psychiatrische Gutachter Franz Joseph Freisleder, Direktor der Heckscher Klinik in München, hatte das ausgeschlossen.

Spyridon L. war in den Monaten zuvor in der Heckscher Klinik selbst untersucht worden, ohne Befund. Kreuzer unterstellte, dass Freisleder in seinem Gutachten die eigenen Mediziner habe bestätigen wollen. Das Gericht bezeichnete die Vorwürfe freilich als "haltlos" und bestätigte Freisleder, sein Gutachten korrekt erstellt zu haben.

Inzwischen soll Serkan L., so Anwalt Kreuzer, in der Haft einen Hauptschulabschluss gemacht haben und will eventuell eine Lehre als Kfz-Mechaniker beginnen. Er beherrsche das Deutsche heute wesentlich besser als zur Tatzeit. Seine Familie lebt weiterhin in München. Auch Serkan A. will im Stadelheimer Gefängnis eine Lehre machen.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2009/sonn
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