Zweiter Verhandlungstag gegen Frauenarzt aus Erding:"Sie fühlte sich pudelwohl"

Im Prozess gegen Michael B., der seine Frau getötet haben soll, lässt sich der Angeklagte durch nichts aus der Ruhe bringen. Für jeden belastenden Umstand hat er eine unwiderlegbare Erklärung

Von Florian Tempel, Landshut

Eigentlich sollte am zweiten Verhandlungstag der Verlauf der Ermittlungen gegen den früheren Erdinger Frauenarzt Michael B., 57, erörtert werden. Der Hauptermittler der Kripo Erding wartete jedoch in der Halle des Landgerichts Landshut vergebens auf seine Vernehmung, bis er dann kurz vor Mittag heim geschickt wurde. Denn im Gerichtssaal nahm die Befragung des Angeklagten erneut viele Stunden in Anspruch. Nachdem Michael B. seine Sicht der Dinge im großen Ganzen dargelegt hatte, ging es nun zunehmend bereits um kleine und kleinste Details. Dass sich Richter, Staatsanwalt und die Nebenkläger zu einem so frühen Zeitpunkt im Prozess schon scheinbar nebensächliche Einzelheiten vornehmen, liegt an der Besonderheit dieses Verfahrens: Eigentlich ist alles schon mindestens einmal gefragt und gesagt worden. Dass der Prozess nach der Aufhebung des ersten Freispruchs wieder bei Null beginnen könnte, ist nur eine juristische Fiktion. Selbst die meisten Zuhörer kennen den Fall bereits vom ersten Durchgang.

Neu sind nur die Schilderungen des Angeklagten, wie es ihm in Chile ergangen ist, wohin er sich Ende November 2015, zwei Tage vor der Entscheidung des Bundesgerichtshof (BGH), abgesetzt hatte. Nachdem ihn einer seiner Anwälte telefonisch über die Aufhebung des Freispruchs informiert hatte, "habe ich einen Zusammenbruch erlitten", berichtete der Angeklagte. Chilenische Benediktinermönche hätten ihn drei Monate lang in ihrem Kloster "aufgepäppelt". Er habe sich dann zwar sehr wohl überlegt, freiwillig nach Deutschland zurückzukehren und sich einem zweiten Verfahren zu stellen, "aber ich konnte das nicht". Er brach den Kontakt zu seinen Verteidigern ab und versuchte ein neues Leben zu beginnen. Tatsächlich fand er Arbeit als Arzt und lernte eine Frau kennen. Im Oktober 2016 kam er dann aber in Auslieferungshaft und für eine freiwillige Rückkehr war es zu spät.

Auf die Frage an den Angeklagten, ob er sich Gedanken zum möglichen Täter gemacht habe, sagte er, er könne "nur spekulieren". Dabei falle ihm allerdings der Bruder seiner Frau ein. Dass sie mit diesem einige Zeit vor ihrem Tod offenbar telefonischen Kontakt hatte - obwohl sie sich eigentlich seit Jahren aus dem Weg gegangen waren -, sowie einige andere komische Vorkommnisse "bringen mich zum Nachdenken", sagte der Angeklagte. Das alles mag zwar interessant sein, trägt aber zur Aufklärung der Tötung seiner zweiten Ehefrau gar nichts bei.

Auch der Angeklagte kann - falls er der Täter ist - nur mit einer überzeugenden Kette von Indizien überführt werden. Doch der Angeklagte brachte bislang auf jeden ihn belastenden Umstand in aller Ruhe eine zumindest nicht zu widerlegende Erklärung. So ist es auch beim zweiten Durchgang vor Gericht. Ein Beispiel:

Nach seiner Darstellung hat er am Tattag sein Haus in Pretzen gegen 12.30 Uhr verlassen. Er habe zuvor mit seiner Frau ausgemacht, dass man sich etwa 20 Minuten später in der Erdinger Innenstadt wieder treffen wollte. Er fuhr mit dem Fahrrad voraus, sie sollte mit dem Auto nachkommen. Er habe dann an der Losbude des Rotary Clubs am Erdinger Weihnachtsmarkt am Schrannenplatz gestanden und gewartet. Denn er hätte, so sei es abgemacht gewesen, seiner Frau beim Einparken des Autos in der Langen Zeile helfen sollen. Seine Frau kam aber nicht und er fuhr schließlich in seine Praxis am Gestütring.

Fraglos sonderbar ist, dass er das Nichterscheinen seiner Frau einfach hinnahm und nicht per Whatsapp oder mit einem Handyanruf sich bei ihr erkundigte, was los sei. Denn die Eheleute haben sonst stets sehr intensiven Kontakt miteinander gehalten, was mehrere tausend gespeicherte Whatsappnachrichten belegen. Eine Richterin brachte es so auf den Punkt: "Ihre Frau hat Ihnen mitgeteilt, was sie gerade beim Bügeln gedacht hat, sie hat Ihnen über alles Mögliche, was es gibt und was es nicht gibt, geschrieben."

Der Angeklagte erklärte, dass an jenem Tag just zu diesem Zeitpunkt der Akku seines Handys leer war. Er habe sich aber sowieso gar nichts dabei gedacht, dass seine Frau nicht zum ausgemachten Treffpunkt kam. Er habe gemeint, da werde ihr wohl eben was dazwischen gekommen sein. Sorgen um ihr Wohlbefinden habe er sich erst recht nicht gemacht. Denn als er das Haus verlassen habe, "ging es ihr ja gut, sie fühlte sich pudelwohl".

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