Zolling:Keine Angst vor Abschaltszenarien

Zolling: Lothar Schreiber schätzt seinen Arbeitsplatz in Anglberg, die Zusammenarbeit mit den neuen Betreibern des Kraftwerks beschreibt er als sehr gut.

Lothar Schreiber schätzt seinen Arbeitsplatz in Anglberg, die Zusammenarbeit mit den neuen Betreibern des Kraftwerks beschreibt er als sehr gut.

(Foto: Marco Einfeldt)

Lothar Schreiber, Chef des Kraftwerks in Anglberg, hat sein ganzes Berufsleben in der Energiebranche verbracht. Auch dort spürt man die Corona-Krise. Die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit und alle hoffen, dass sich die Wirtschaft bald erholt

Interview von Katharina Aurich, Zolling

Der Chef des Kraftwerks Anglberg bei Zolling, Lothar Schreiber, hat sein ganzes Berufsleben in der Energiebranche verbracht. Aufgewachsen ist er in der Oberpfalz in Wackersdorf, wo damals noch Braunkohle abgebaut wurde. Dies habe ihn geprägt, erinnert er sich. Schreiber studierte schließlich Energie- und Kraftwerkstechnik an der TU München, die Energieerzeugung bezeichnet er als sein "Lebensthema".

SZ: In wenigen Branchen gab es in den vergangenen zwei Jahrzehnten so weitreichende Veränderungen wie im Energiesektor. Sie leiten mit einem Kohlekraftwerk ein Auslaufmodell, wie gehen Sie damit um?

Lothar Schreiber: Es geht darum, den Standort Anglberg zu diversifizieren. Wir haben ja seit 2003 auch noch das Biomasseheizkraftwerk, in dem Altholz verstromt wird. Außerdem versorgen wir den Großraum Freising mit Fernwärme. 2023 läuft die Förderung für die Biomasse aus, wir werden das aber weiter führen. Unser neuestes Projekt ist die Klärschlammtrocknungsanlage, die wir gemeinsam mit den Freisinger Stadtwerken und dem Bayernwerk betreiben werden. Sie ist im Moment noch in der Probephase, soll aber bis Ende des Jahres regulär laufen. Der getrocknete Klärschlamm wird dann im Kohleblock mit verbrannt und rund fünf Prozent Kohle ersetzen. Ein großes Thema kann für uns in Zukunft auch die Stromerzeugung aus Gas werden, schließlich verlaufen große Ferngasleitungen direkt neben uns. Insgesamt wollen wir immer mehr von der Steinkohleverstromung weg kommen, die ja spätestens im Jahr 2038 ganz abgeschaltet wird.

Der Kohleblock ist derzeit abgeschaltet, da die Nachfrage am Markt abgenommen hat und auch der Strompreis gesunken ist. Wie geht es mit der Kohle weiter?

Wir hoffen wie alle anderen Branchen, dass sich die Wirtschaft bald erholt und wir wieder Kohlestrom produzieren können. Es sind keine Entlassungen geplant und wir haben mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung für die Kurzarbeit getroffen. Die Biomasseanlage und auch die Fernwärmeversorgung laufen die ganze Zeit weiter.

Die Eigentümer des Kraftwerks sind weit weg, wie läuft die Zusammenarbeit?

Onyx-Power ist ein mittelständisches Unternehmen mit einigen hundert Mitarbeitern und flachen Hierarchien. Es gibt ein Büro in Berlin mit rund 15 Mitarbeitern, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Wir hier aus Anglberg sind viel enger in Entscheidungsfindungsprozesse eingebunden, als das früher der Fall war. Für mich ist das sehr spannend. Wie ist die Stimmung unter den Mitarbeitern des Kraftwerks, wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

Die Stimmung ist trotz Corona optimistisch, es macht ja viel mehr Freude, über neue Arten der Energieerzeugung nachzudenken als über Abschaltszenarien. Allerdings werden einige Mitarbeiter bald in den Ruhestand gehen. Obwohl es derzeit schwierig ist, Nachwuchs zu finden, bilden wir im Moment sechs Lehrlinge als Elektroniker für Betriebstechnik und als Feinwerkmechaniker aus. Die Aufgaben hier am Standort sind sehr vielfältig. Wir müssen für Nachwuchs sorgen und unsere Mitarbeiterschaft verjüngen - gerade in schwierigen Zeiten.

Was spricht für den Arbeitsplatz Kraftwerk Anglberg?

Die Aufgaben sind vielfältig und abwechslungsreich. Kein Tag ist wie der andere und oft müssen wir Pläne spontan ändern, wenn Unvorhergesehenes passiert. Als Mitarbeiter hier muss man mitdenken, eigene Lösungen entwickeln, schnell reagieren und hat Verantwortung.

Welche Eigenschaften sind für Sie als Kraftwerksleiter wichtig?

Ohne Freude an der Arbeit hält man diesen Job nicht durch. Wichtig sind Aufnahmefähigkeit, Stressresistenz, flexibel sein und natürlich eine gute Beziehung zu den Mitarbeitern. Sie sind das Herz der Anlage. Die besten Maschinen nützen nichts, wenn Sie kein gutes, verlässliches Mitarbeiterteam haben, auf das Sie sich auch im Notfall hundert Prozent verlassen können. Ich bin natürlich immer erreichbar, aber mein Team löst Probleme selbständig.

Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

Als Ausgleich zu meinem Job spiele ich Golf, das ist ideal zum Abschalten und meine große Leidenschaft. Man trifft nämlich den kleinen Ball nur, wenn man sich darauf konzentriert und an nichts anderes denkt. Wenn ich an Strompreise denke, dann treffe ich nicht. Außerdem lese ich viel, vor allem über nichttechnische Themen sowie Krimis.

Wie geht es mit dem Bürgerfonds weiter, mit dem das Kraftwerk soziale Projekte in der Nachbarschaft unterstützt?

Die Ausschreibung und Vergabe der Fördermittel ist wegen Corona verschoben, es wird den Bürgerfonds aber weiterhin geben.

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