Zehn und 15 Euro Beute:Neun Monate auf Bewährung für Griff in Kaffeekasse

Amtsrichter Wassermann sieht Diebstähle eines Bundespolizisten am Flughafen "voller krimineller Energie"

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Neun Monate Haft auf zwei Jahre Bewährung und zwanzig Stunden gemeinnützige Dienste, dazu ist jetzt ein Polizeibeamter am Flughafen München verurteilt worden, weil er einmal zehn und 15 Euro aus einer Kaffeekasse im Gemeinschaftraum gestohlen hat. Außerdem hatte er versucht, 20 Euro aus einem Rucksack zu entwenden. Hier tappte er allerdings in eine Falle.

Richter Andreas Wassermann kam aus mehreren Gründen zu dem harten Urteil: zum einen, weil der 51-Jährige bei seinen Taten eine Waffe bei sich trug, was ein besonderer Straftatbestand ist, und weil er bei seinen Diebstählen sehr planvoll vorgegangen sei und "voller krimineller Energie". Die Aussage des Angeklagten, dass es eine Kurzschlusshandlung gewesen sei, weil er Geld zum Tanken gebraucht habe, sei nicht glaubwürdig.

"Am schlimmsten" wertete der Amtsrichter, dass der 51-Jährige durch seine Taten jeglicher Vorbildrolle eines Polizisten widersprochen und das Vertrauen seiner Kollegen verloren habe. Aber dieses Vertrauen sei vor allem in einem Sicherheitsbereich wie am Flughafen wichtig.

Zur Urteilsfindung waren zwei Verhandlungen notwendig. Bei der ersten waren die zwei Diebstähle am 23. und 25. Oktober im vergangenen Jahr aus der Kaffeekasse zweifelsfrei nachgewiesen worden. Dazu gab es Videoaufnahmen, die ihn beim Griff in die Kasse zeigten. Der 51-Jährige hatte diese beiden Fälle auch zugegeben, auch den Griff in den Rucksack.

Der 51-Jährige, der nach seinen Angaben seit drei Jahren in Privatinsolvenz aufgrund von Schulden in Höhe von bis zu 180 000 Euro lebt und den Unterhalt für fünf Kinder zahlen muss, erklärte den Diebstahl mit einer Notlage. Erst kurz zuvor habe er sich 50 Euro in den Geldbeutel gesteckt, um nach dem Dienst tanken zu können. Aber dann habe ihm jemand offenbar im Dienststellenbereich den Schein aus der Geldbörse im Rucksack gestohlen. Er selber müsse mit rund 350 Euro zum Leben im Monat auskommen. Als er im Service Point der Dienststelle an der Kaffeekasse gestanden sei, habe er in einer Kurzschlusshandlung, die er sich bis heute nicht erklären könne, zehn Euro heraus genommen, um zu tanken. "Sonst hätte ich nicht gewusst, wie ich hätte heimkommen sollen", sagte der Angeklagte. Weil er eine Strecke von 40 Kilometer zu fahren habe, hätte das Benzin für zehn Euro nicht lange gereicht. Deswegen habe er sich drei Tage später 15 Euro aus der Kasse, einer runden Plastikdose, genommen.

Zu einer weiteren Verhandlung kam es, weil der Staatsanwalt Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte aus einem sogenannten Augenblicksversagen in die Kasse gegriffen habe. Der Anordnung der Überwachung im Oktober war nämlich bereits eine andere im Juni vorausgegangen, weil zuvor bereits mehr als zwanzig Anzeigen wegen Diebstahls auf der Polizeidienststelle eingegangen waren. Auch im Juni wurde jemand beobachtet, wie er in die Kasse griff. Ob es allerdings der Angeklagte war, darüber gab es unterschiedliche Aussagen. Auch der Leiter der Bundespolizei am Flughafen konnte in der zweiten Verhandlung keine Klarheit in den Fall bringen. Das Video von diesem Diebstahl hatte vernichtet werden müssen, da die Kamera unerlaubt im Service Point installiert worden war. Die Staatsanwaltschaft hatte nur die Überwachung in einem anderen Aufenthaltsraum gebilligt.

Während der Staatsanwalt auf ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung plädiert hatte, sprach sich sein Verteidiger lediglich für eine Geldstrafe aus. Die Waffe, die sein Mandant in Ausübung seiner Tätigkeit als Bundespolizist getragen habe, sei nicht durchgeladen gewesen und dem 51-Jährigen sei die Tatsache, dass er sie getragen habe beim Diebstahl gar nicht bewusst gewesen, da es sich um Kurzschlusshandlungen aus der Not gehandelt habe.

Letzteres glaubte Richter Wassermann aber nicht, da der Angeklagte in einem Fall Handschuhe getragen habe und im zweiten die Dose bewusst abgewischt habe. Inwieweit das Urteil eine Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis hat, wird ein Disziplinarverfahren gegen den 51-jährigen Bundespolizisten zeigen.

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