Workshops und Vorträge:Ökologisch, praktisch, gut

Zum ersten Mal fand am vergangenen Mittwoch der Markt Schwabener Reparaturtag statt. Er macht aufmerksam auf den neuen Mehrwerthof - und das Konzept der "Zirkulären Gesellschaft"

Von Anna Horst, Markt Schwaben

Es war ein Nachmittag, an dem viel gesägt, gehämmert, genäht, gelötet und geschraubt wurde. Der erste Reparaturtag fand kürzlich im Markt Schwabener Unterbräu statt. Zum Rahmenprogramm gehörten zwei Workshops zu den Themen "Dinge zerlegen - was kann man überhaupt reparieren?" und "Vom Wertstoffhof zum Mehrwerthof". Eingeladen war auch Stefan Schridde, Vorstand des Vereins "Murks? Nein, danke", der sich gegen "geplante Obsoleszenz" engagiert. Um das Phänomen, bei dem Produkte absichtlich mit kurzer Lebensdauer produziert werden, ging es auch in Schriddes abschließendem Vortrag "Reparieren statt neu produzieren".

Anlass des Reparaturtags ist der Umbau des Wertstoffhofs, der Ende November mit der Grundsteinlegung begonnen hat. Entstehen soll dort ein sogenannter Mehrwerthof, der gesellschaftlicher Treffpunkt, sowie Ort für Bildung und Nachhaltigkeit sein soll. "Aus Müll wird am Mehrwerthof eine wertvolle Ressource, indem man Gebrauchsgegenstände zum Beispiel repariert oder in Recycling-Werkstätten wiederverwertet", erklärt Barbara Lersch, Mitarbeiterin der Hans Sauer Stiftung. Diese hat zusammen mit der Gemeinde Markt Schwaben und dem Anderwerk den Reparaturtag iniziiert, alle drei Institutionen sind auch wesentlich an der Planung des Mehrwerthofes beteiligt.

Der Reparaturtag verfolgt zwei miteinander verwandte Ziele: Einerseits soll er den Bürgern das Konzept "aus alt mach neu" näherbringen. Viele kaputte Dinge könne man noch reparieren, die Menschen wüssten oft nur nicht, wie, sagt Lersch. Zu diesem Zweck sind im Bürgersaal vier Stationen aufgebaut: eine Fahrradstation, eine Holzwerkstatt, ein Nähtisch und die Elektroreparatur. Zusammen mit Profis und Hobbybastlern kann dort jeder seinem vermeintlich unbrauchbar gewordenen Besitz neues Leben einhauchen. "Die Leute sind heute mit ganz verschiedenen Dingen zu uns gekommen: Wir haben einen Regenschirm und Schubladen gerichtet, einen Stuhl neu gepolstert und sogar eine Schreibmaschine haben wir repariert", sagt Markus Kiesel, der zusammen mit seinem Kollegen Markus Rupprecht die Holzwerkstatt leitet.

Workshops und Vorträge: Mit etwas Geduld und etwas Geschick setzen die ehrenamtlichen Feinmechaniker auf dem Reparaturtag die alte Schreibmaschine wieder instand.

Mit etwas Geduld und etwas Geschick setzen die ehrenamtlichen Feinmechaniker auf dem Reparaturtag die alte Schreibmaschine wieder instand.

(Foto: Christian Endt)

Neben der Gelegenheit, Bastelkünste mal wieder aufzufrischen, dient der Nachmittag außerdem dazu, Ideen für den neuen Mehrwerthof zu sammeln. "Der Hof soll so bürgernah wie möglich sein, und einfach ein angenehmer Aufenthaltsort werden", sagt Lersch. Auf einer Stellwand in der Mitte des Raumes hängen auch schon einige Vorschläge von Besuchern, wie das aussehen könnte: eine offene Werkstatt, ein Café und Flohmärkte für gebrauchte oder recycelte Gegenstände sind nur einige der vielen Anregungen.

Geplant sind auf jeden Fall schon verschiedene Werkstätten, in denen sozial benachteiligte Menschen, wie Langzeitarbeitslose, Migranten oder Behinderte mitarbeiten. "Der integrative Aspekt des Mehrwerthofes ist ein ganz wichtiger", sagt Uwe Schürch vom Anderwerk. Die Organisation bietet Menschen, die den Anschluss an die Gesellschaft verloren haben, eine wichtige Stütze: durch stationäre Jugendhilfe, sozial- und berufspädagogische Beratung, Deutschkurse oder Hilfsprogramme zum Wiedereinstieg ins Berufsleben für Frauen. "Es geht um das Gefühl, abends in der S-Bahn nach Hause zu sitzen und sich zu denken: Heute hab ich wieder etwas Tolles geschafft", erklärt Schürch. Solche Chancen möchte das Anderwerk durch Werkstätten auf dem Mehrwerthof nun auch benachteiligten Menschen aus Markt Schwaben und dem nahen Erding geben.

Für den ökologischen und den gesellschaftlichen Aspekt des Projekts ist die Hans Sauer Stiftung verantwortlich. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, innovative Ideen und Projekte zu fördern, die eine positive Wirkung auf die Gesellschaft und Umwelt haben. Der Mehrwerthof passt in dieses Muster wie die Faust aufs Auge. Grundlage bildet nämlich ein Gesellschaftsmodell, das nicht nur zukunftsweisend für den Umgang mit Ressourcen, sondern auch ökologisch und gesellschaftlich gut verträglich ist.

Workshops und Vorträge: Dank Stefan Kiesel und Markus Rupprecht wird der Regenschirm mit der defekten Aufspringautomatik wieder wie neu.

Dank Stefan Kiesel und Markus Rupprecht wird der Regenschirm mit der defekten Aufspringautomatik wieder wie neu.

(Foto: Christian Endt)

Die Idee nennt sich "Circular Society", oder auf deutsch: Zirkuläre Gesellschaft. "Aktuell ist das Problem, dass unsere Ressourcen begrenzt sind. Trotzdem leben wir in einer linearen Gesellschaft, um nicht zu sagen: einer Wegwerf-Gesellschaft", erklärt Lersch. Stattdessen müsse man aber ganzheitlich denken und schon bei der Herstellung von Produkten drauf achten, dass sie später repariert oder sinnvoll weiterverwertet werden können. Materialien wegzuwerfen und zu verbrennen, könne sich die Menschheit angesichts der Rohstoffknappheit nicht mehr leisten. "Das Ziel ist nicht, keinen Müll mehr zu produzieren. Das Ziel ist, den Müll als eigene Ressource zu sehen", macht Lersch deutlich.

Doch sie gibt auch zu, dass das Prinzip noch etwas utopisch anmutet. "Natürlich lässt sich das nur durch den Mehrwerthof nicht eins zu eins umsetzen", sagt sie. Im Moment gehe es auch eher darum, das Konzept, das auf dem Hof angewendet werden soll, einer breiteren Masse vorzustellen: "Wir wollen Anstöße setzen und die Leute sensibilisieren und zum Nachdenken bringen", so Lersch.

Zumindest bei einigen Besuchern könnte das Konzept der zirkulären Gesellschaft Eindruck hinterlassen haben. Einen Ansturm auf die Veranstaltung gab es zwar nicht, aber vor allem am frühen Nachmittag war der Bürgersaal gefüllt. Ob in naher Zukunft eine ähnliche Aktion stattfinden wird, ist noch unklar, genau wie die detaillierten Pläne für den Mehrwerthof: "Die Stadt möchte auf jeden Fall Räume für die Werkstätten zur Verfügung stellen", so Schürch. Allerdings sei noch nichts unterschrieben worden. Dingfest gemacht würde alles vermutlich im ersten oder zweiten Quartal des nächsten Jahres.

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