Wolfgang Krombholz im Gespräch:"Das kann man heute niemandem mehr zumuten"

Wolfgang krombholz

Rahmenbedingungen für Ärzte lassen sich verändern, sagt der Isener Arzt Wolfgang Krombholz.

(Foto: KVB)

Wolfgang Krombholz bleibt an der Spitze der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Bereitschaftspraxis am Klinikum hält er für eine gute Idee

Interview von Regina Bluhme, Isen/München

Wolfgang Krombholz hat 1984 in Isen eine Praxis eröffnet, in der er hausärztlich und psychotherapeutisch tätig war. Lange Jahre war er im Bayerischen Hausärzteverband aktiv und sparte dabei nicht mit Kritik an der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). 2011 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden der KVB gewählt, und mittlerweile sieht der 66-Jährige die Arbeit der Körperschaft auf einem guten Weg. Das finden wohl auch die Kollegen: Vor kurzem wählten sie den Isener erneut an die Spitze der Vereinigung. Ein Gespräch mit Wolfgang Krombholz über die ärztliche Versorgungslage im Landkreis, das Pilotprojekt Bereitschaftspraxis am Klinikum und das gewandelte Berufsverständnis des Medizinernachwuchses.

SZ Erding: Herr Krombholz, erst einmal Gratulation zur Wiederwahl. Als eine der wichtigsten Aufgaben haben Sie die Gewinnung von Medizinernachwuchs genannt. Stehen im Landkreis Erding auch schon Praxen leer?

Wolfgang Krombholz: Grundsätzlich liegt der Landkreis Erding im sogenannten Speckgürtel von München und ist verkehrstechnisch gut angebunden. Das ist ein wichtiges Kriterium, und man kann sagen, dass der Landkreis für den Medizinernachwuchs durchaus attraktiv ist. Der Landkreis wurde im hausärztlichen Bereich nach einer bundesweiten Systematik in einen Nord- und Südteil aufgeteilt. Insgesamt liegt der Versorgungsgrad im hausärztlichen Bereich bei 110 Prozent. Dieser Grad beschreibt das Verhältnis der Zahl der Hausärzte zur Einwohnerzahl. 110 Prozent ist eine gute Quote.

Es gibt die Zahl, dass im Landkreis in den nächsten Jahren 30 bis 40 Prozent der niedergelassenen Ärzte in Rente gehen. Ist das richtig?

Das kann man so sagen. Im fachärztlichen Bereich tasten sich circa 30 Prozent der Mediziner ans Rentenalter heran. Bei den Hausärzten sind sogar 35 Prozent über 60 Jahre alt.

Wie klappt bisher die Suche nach einem Nachfolger?

Ich wüsste aus dem Stegreif niemanden im Landkreis, der bislang vergebens nach einem Nachfolger für seine Praxis gesucht hat. Zum Teil erfolgt die Übergabe ja überlappend, das heißt, der Praxisbesitzer arbeitet noch eine ganze Zeit gemeinsam mit seinem künftigen Nachfolger, der sich meist noch in Ausbildung befindet.

Und immer öfter sind es Frauen.

Wir sprechen mittlerweile von einer Verweiblichung des Berufs - aber das ist kein Schimpfwort. Im Gegenteil. Es beschreibt, dass sich viel verändert hat beim Blick der Studierenden auf ihren künftigen Beruf. Und ich finde das gut. Zum Beispiel wird jetzt einfach mehr Wert gelegt auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da teilen sich zum Beispiel zwei oder drei junge Ärztinnen eine Praxis. Das ist doch gut. Natürlich legt der Nachwuchs viel Wert auf den Arztberuf, aber wichtig ist ihnen auch Freizeit, ein Sozialleben. Das gilt auch für die jungen Männer.

Was halten Sie von dem Vorschlag von Gesundheitsministerin Melanie Huml , fünf Prozent der Medizinstudienplätze für diejenigen zu reservieren, die sich als Hausarzt in ländlichen Gebieten verpflichten?

Den Grundgedanken finde ich nicht falsch - wenn die Ausbildung zum Allgemeinmediziner dann auch eine eigene Qualität erhält und den Aufgaben und Anforderungen des Hausarztberufs entspricht.

Eine Praxisübernahme kann ganz schön teuer werden, wenn man zum Beispiel die Einrichtung erneuern will. Gibt es dafür finanzielle Mittel von der KVB?

Wir können Zuschüsse geben, aber nur in sogenannten unterversorgten Gebieten, also im hausärztlichen Bereich bei einem Versorgungsgrad von unter 75 Prozent. Da liegt Erding klar drüber. Allgemein kann man sagen, dass man für eine neue Praxisausstattung schon mit mindestens 150 000 Euro rechnen muss. Eine Ausstattung, die 50 Jahre alt ist, kommt weder beim Medizinernachwuchs noch bei jüngeren Patienten gut an. Und gerade älteren Kollegen ist zu sagen, dass Praxen, die gut und modern ausgestattet sind, auch gerne übernommen werden.

Die KVB hat im vergangenen Jahr die Bereitschaftspraxis am Klinikum Erding übernommen. Diese Einrichtung gehört zu einer von insgesamt acht Pilotregionen. Nimmt die Praxis dem Bereitschaftsdienst die abschreckende Wirkung auf junge Ärzte?

Ich weiß noch, wie ich in der Isener Gegend viele, viele Bereitschaftsdienste absolviert habe. Jeden Sonntag und jede Nacht bereit sein, das kann man heute niemandem mehr zumuten. In der Bereitschaftspraxis hat der Arzt feste Zeiten, die er selbst organisieren kann. Unterstützung gibt es durch sogenannte Poolärzte. Bayernweit haben sich 600 von diesen bei uns gemeldet, die Dienste übernehmen. Die Patienten wissen wiederum, wo und wann sie außerhalb der regulären Sprechzeiten Hilfe finden und die Notaufnahme am Krankenhaus wird ebenfalls entlastet. Wir sind gerade in der Testphase, aber wir werden das System auf jeden Fall auf ganz Bayern ausdehnen.

Wie ist das Pilotprojekt Erding bislang angelaufen?

Ich war erst neulich zu einem Vortrag im Erdinger Krankenhaus. Dort habe ich von ärztlicher Seite erfahren, dass das Projekt gut läuft und die Umsetzung als positiv empfunden wird. Von Problemen wurde mir nichts mitgeteilt. Im Gegenteil: Ich habe erfahren, dass sich wieder mehr niedergelassene Ärzte selbst zum Dienst einteilen lassen. Mein Dank gilt allen Kollegen, die solche Dienste übernehmen und hervorragende Arbeit leisten.

Sie haben früher einmal dafür plädiert, dass die Hausärzte die KVB verlassen sollten. Jetzt sind Sie zum zweiten Mal zum KVB-Vorstandsvorsitzenden gewählt worden. Was hat Ihre Ansicht geändert?

Ich habe gesehen, dass man die Rahmenbedingung für die Ärzte verändern kann. Zum Beispiel ist es uns in Bayern beim Thema Arzneimittel gelungen, klare Regeln für die Medikamentenverschreibung zu erreichen. Die Ärzte wissen jetzt genau, wo sie stehen, was zum Beispiel Menge oder Ziel betrifft. Wir wollen einen solchen Schutz vor Regressen auch bei den Heilmitteln der Physiotherapie oder der Krankengymnastik.

2016 gab es intern Reibereien zwischen Haus- und Fachärzten. Ist der Streit beigelegt?

Insgesamt hat die KVB 25 400 Mitglieder, darunter Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten. Der Vorstand wird von einer Vertreterversammlung mit 50 Mitgliedern gewählt. Ich wurde als Vorstandsvorsitzender wieder gewählt; mein erster Stellvertreter, ein Facharzt, wurde ebenfalls wiedergewählt, und neu im Bunde ist die zweite Stellvertreterin, eine Fachärztin für Psychotherapie. Alle Berufsbereiche sind vertreten und wir arbeiten im Team.

Sie hatten keinen Gegenkandidaten. Es läuft für Sie und die KVB, oder?

Ich wurde mit 44 von 50 Stimmen wiedergewählt und bin sehr zufrieden.

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