Süddeutsche Zeitung

Wohnungsnot:Mietobergrenzen steigen

Jobcenter Aruso muss nachbessern, was Berechnungsgrundlage für "angemessene Unterkunftskosten" ist. Bedarfsgemeinschaften finden kaum noch günstige Wohnungen, weil der Markt leer gefegt ist

Von Thomas Daller, Landkreis

Die Mietpreise im Landkreis Erding haben in den vergangenen Jahren rasant angezogen. Seit 2015 haben sie sich in manchen Kommunen um 26 bis 29 Prozent gesteigert. Das schlägt auch auf das Jobcenter Aruso Erding durch, das die Unterkunftskosten für Hartz IV-Empfänger übernimmt. Aufgrund der Marktlage hat das Jobcenter nun neue Obergrenzen für "angemessene Unterkunftskosten" errechnet. Der Kreisausschuss hat den neuen Mietobergrenzen in der vergangenen Sitzung zugestimmt. Sie sollen zum 1. Januar 2019 in Kraft treten.

Aruso-Chefin Monja Rohwer erläuterte im Kreisausschuss, dass man die "angemessenen Kosten" für die Unterkünfte der Hilfesuchenden neu justieren müsse. Dies habe man zuletzt 2015 getan. Da die Mieten seither so stark gestiegen seien, müsse man auch die tatsächlichen Kosten neu regeln. Aruso habe daher den Wohnungsmarkt im Landkreis Erding ausgewertet und in vier Regionen eingeteilt. Die Mieten in der Region 1 seien nicht nur am teuersten, sondern auch am stärksten gestiegen. Aruso erachte nun nicht mehr 9,50 pro Quadratmeter als "angemessen", sondern gehe von 12 Euro aus. Zur Region 1 zählen Erding, Oberding, Ottenhofen, Finsing, Neuching und Moosinning. Je nach Wohnungsgröße betrage die Steigerung 26 bis 29 Prozent. In der Region 2 betrugen die Mietsteigerungen seit 2015 je nach Wohnungsgröße zwischen 12,5 und 17,6 Prozent. Region 2 umfasst die Gemeinden Forstern, Pastetten, Wörth, Eitting und Berglern. Dort hielt Aruso vor drei Jahren noch Nettomieten von 8,50 Euro pro Quadratmeter für angemessen, künftig werden es zehn Euro sein. In der Region 3 liegen die angemessen Mieten um 50 Cent darunter, aber auch mit vergleichbaren Steigerungen. Region 3 umfasst den Großteil des Landkreises mit der Stadt Dorfen und Gemeinden wie Taufkirchen, Wartenberg, Fraunberg oder Lengdorf. Günstiger lebt es sich nur noch in Region 4, die die vier Holzlandgemeinden und St. Wolfgang umfasst.

Monja Rohwer erläuterte, dass etwa 20 Prozent der rund 1100 Bedarfsgemeinschaften nach der aktuellen Definition "unangemessen" wohne. Aruso erkenne diese höheren Kosten an, weil die Bedarfsgemeinschaften durch ihre Suche auf dem Wohnungsmarkt nachweisen könnten, dass sie keine günstigere Wohnung finden könnten. Vor allem ältere Menschen wolle man auch nicht zu einem Umzug zwingen. Der Markt für günstige Wohnungen im Landkreis sei leer gefegt. Daher sei es an der Zeit, die Obergrenzen anzuheben, "damit unsere Bestandskunden mehr Geld bekommen". Die jährlichen Kosten für diese Anhebung bezifferte sie auf etwa 240 000 Euro.

Rohwer hatte zudem erwähnt, sie gehe davon aus, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften auf absehbare Zeit nicht steigen, sondern sinken werde. Thomas Bauer (CSU) hakte nach, woran das liege. An den anerkannten, erwerbsfähigen Flüchtlingen, sagte Rohwer. Sie hätten eine Integrationsquote von etwa 40 Prozent. Nach dem Erlernen der Sprache und einer Ausbildung würden sie Arbeit finden und auf eigenen Füßen stehen. Sie gehe auch für 2019 von einer Integrationsquote von 40 Prozent aus, zudem kämen weitaus weniger Flüchtlinge nach als in den vergangenen Jahren.

Josef Sterr (CSU), der frühere Bürgermeister von Dorfen, monierte die Einstufung der Kleinstadt in die vergleichsweise günstige Region 3. Das könne er für kleinere Ortsteile wie Eibach oder Schwindkirchen gelten lassen, nicht aber für das teure Stadtgebiet. Rohwer stimmte zu, doch eine kleinteiligere Einstufung würde die Arbeit der Aruso zusätzlich komplizieren.

Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) betonte, dass jede neue Wohnung, die im Rahmen der Wohnungsbaugenossenschaft des Landkreises neu geschaffen werde, bei den Mieten um 16 bis 17 Prozent unter dem Satz der Aruso liege: "Die Obergrenze ist kein Problem, das Problem ist, dass zu wenig Wohnungen vorhanden sind."

Gertrud Eichinger und Ulla Diekmann (beide SPD) betonten, die neuen Sätze seien eine "Anpassung an die Realität". Wer Hartz IV beziehe, habe es ohnehin schwer, eine Wohnung zu bekommen und in eine günstigere umzuziehen sei angesichts des Wohnungsmarktes kaum möglich. Die neuen Obergrenzen sollten allerdings kein Freibrief für weitere Mieterhöhungen sein. Die Mitglieder des Kreisausschusses stimmten dem Vorhaben einstimmig zu.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2018
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