Eine Wohnung in günstiger Lage, mit einer Miete unter dem ortsüblichen Preis, in Erding. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Die Baugenossenschaft Erding hat es sich seit 103 Jahren zur Aufgabe gemacht, genau diese Wohnungen in der Großen Kreisstadt zu errichten und zu verwalten. Gerade tut sich wieder was. An der Görresstraße sollen insgesamt 30 neue Mietwohnungen für kleine und mittlere Einkommen entstehen.
Insgesamt rund 500 Wohnungen hat die Baugenossenschaft Erding aktuell in ihrem Besitz. Das letzte Neubauprojekt befindet sich im Wohngebiet Thermengarten. Dort wurden 2021 insgesamt 16 Wohnungen errichtet. Zuletzt war die Baugenossenschaft mit der Sanierung und Instandsetzung des Bestands beschäftigt und seit dem Amtsantritt der Vorstände Karsten Vieth und Paul Reill 2021 mit einer internen Neuausrichtung.
Die beiden Vorstände haben für alle Gebäude Gutachten in Auftrag gegeben, um zu sehen, wo und in welchem Umfang es Sanierungsbedarf gibt, erzählen Karsten Vieth und Paul Reill beim Gespräch in der Geschäftsstelle. Das erste Bauprojekt unter dem neuen Vorstand soll auf dem Areal an der Görresstraße entstehen. Dort befinden sich aktuell drei dreigeschossige Mehrfamilienhäuser. Zwei der Bestandsgebäude werden saniert, das dritte, Hausnummer 16 bis 18, wird abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Eine Sanierung wäre wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll gewesen, wie sich herausgestellt habe, so Vieth. Darüberhinaus wird auf dem Grundstück der bisherige Garagenhof abgerissen und überbaut. Eine Tiefgarage ist geplant.
Dass den Architektenwettbewerb das Büro DWA aus dem Landkreis Erding gewonnen hat, habe sie umso mehr gefreut, sagen Vieth und Reill. Den Zuschlag erhielt Architekt David Wolfertstetter aus Dorfen. Er schätze das Material Holz schon aufgrund des ökologischen Gedankens sehr, erklärt Wolfertstetter. Alle Gebäude, ob im Bestand und neu errichtet, sollen eine Holzfassade erhalten und „gestalterisch als eine große Einheit“ in Erscheinung treten.


Die Errichtung der neuen Gebäude ähnle ein wenig dem Lego-Bauen, erklärt der Dorfener Architekt. Sämtliche Bauteile werden vorgefertigt angeliefert, sowohl die bereits mit Dämmung versehenen Fassaden, die Parkettböden oder die geweißelten Wände. Diese Modulbauweise ermögliche ein schnelles und wirtschaftlich günstigeres Bauen, betonen Vieth und Reill. Wie Wolfertstetter informiert, werden in den beiden Neubauten zwei- bis drei Zimmerwohnungen entstehen, die Zimmeraufteilung in den alten Gebäuden ändere sich nicht.
Seit der Gründung 1922 hat die Baugenossenschaft Erding Höhen und Tiefen erlebt, hat mit explodierenden Kosten oder auch personellen Querelen gekämpft. Bauen bleibt teuer. Einen Weg, weitere Projekte zu stemmen, sehen die Vorstände der Baugenossenschaft in einer Zusammenarbeit mit großen Unternehmen in Erding. Auch diese suchten händeringend bezahlbare Wohnungen für ihre Mitarbeiter. Eine Kooperation könnte zum Beispiel so aussehen: Gegen einen bestimmten Investitionsanteil erwerben Unternehmen temporäre Belegungsrechte.


Neu eingeführt wurde nach Amtsantritt des neuen Vorstand-Duos ein eigener Regiebetrieb mit Handwerkern. Wer heute einen Elektriker suche, müsse mitunter lange auf einen Termin warten. In den Wohnungen der Baugenossenschaft Erding stehe der betriebseigene Handwerker meist innerhalb eines Tages vor der Tür, so Karsten Vieth. Die eigenen Handwerker kämen der Genossenschaft letztlich auch günstiger. Zudem werde der Service auch anderen Hausverwaltungen angeboten, eine zusätzliche Einkommensquelle.
Die frei finanzierten Wohnungen der Baugenossenschaft stehen grundsätzlich jedem Wohnungssuchenden offen, erklärt Paul Reill. Welche Wohnungen im Angebot sind, wird aktuell auf der Homepage angezeigt. Voraussetzung für eine Bewerbung ist aber eine vorherige Wohnungsbesichtigung. Erst im Anschluss können die Unterlagen auf der Homepage hochgeladen werden. Auch diese online-Möglichkeit ist eine Neuerung.
Ein kleiner Anteil des Bestands der Baugenossenschaft sind auch öffentlich geförderte Wohnungen, die von der Stadt Erding vergeben werden. Voraussetzung für die Zuteilung ist ein Wohnberechtigungsschein, so Reill.
Erwünscht ist eine bunte Mischung an Mietern
Grundsätzlich sei eine „bunte Mischung“ an Mietern erwünscht, betonen beide Vorstände. So könne eine Ghettobildung vermieden werden. Wer sich um eine Wohnung der Baugenossenschaft Erding bewirbt, muss nicht Mitglied sein. Mit Abschluss eines Vertrags unterzeichnet der neue Bewohner oder die Bewohnerin aber dann ein Beitrittsformular. Zugleich muss ein Geschäftsanteil erworben werden. Diese Anteile werden bei Kündigung der Mitgliedschaft wieder zurückgezahlt, so Reill.
Am Donnerstag waren Paul Reill und Karsten Vieth in Ingolstadt auf einer Tagung des Arbeitskreises Oberbayern im Verband Bayerischer Wohnungsunternehmen. Themen waren die Entwicklung bei den Mieterstrompreisen und E-Mobilität. Die beiden Erdinger Vorstände hofften auch auf einen Austausch mit anderen Genossenschaften zum Thema EDV. Die bisherige Anlage soll erneuert werden.
Am Vortag der Tagung hat das Bauprojekt an der Görresstraße eine erste Hürde genommen, denn der Stadtentwicklungsausschuss hat den entsprechenden Bebauungsplan befürwortet. Ein gutes Signal dafür, dass es im Stadtrat ebenfalls positiv weitergeht. Die beiden Vorstände haben bereits das nächste Projekt im Auge. An der Manzingerstraße sollen sogar 100 neue Wohnungen für kleine und mittlere Einkommen entstehen.