Wasserwacht Erding:Baywatch auf Bayerisch

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Bei Sonne am Weiher, bei Sturm am Isarkanal: Seit 1949 kümmern sich Freiwillige um die Sicherheit an Seen und Flüssen. Doch nicht jeder hat für ihre Arbeit Verständnis.

Sarah Ehrmann

In Badeshorts, ein Handtuch in der Hand, steht ein Mann vor dem Holzhaus der Wasserwacht am Kronthaler Weiher. Er hat einige Jungen auf dem Baukran am anderen Ende des Sees sitzen sehen. "Nicht dass am Ende was passiert", will er die Wasserwacht informieren. Es ist Freitag, und eigentlich haben die Rettungsschwimmer keinen Dienst. Doch Robert Kähnert und Alex Genstorfer haben die weißen Logo-Shirts an und hören augenblicklich auf, das große Rettungsboot und den Einsatzwagen zu inspizieren. Sie schnallen leuchtend orangefarbene Rettungswesten um, springen in das kleinere Boot und jagen mit 50 PS auf das Naturschutzgebiet zu.

Seit 1949, also seit mehr als 60 Jahren, ist die Wasserwacht Erding im Einsatz. Sie wird gerufen, wenn ein Auto in den Isarkanal gerutscht ist oder eine Planierraupe in den Kiesweiher, die Erdinger Therme wegen Verdachts auf einen Gasunfall Alarm schlägt oder wenn es Extremeinsätze gibt wie die Jahrhundertflut in Dresden. Fast 30 000 Stunden haben die 155 aktiven Ehrenamtlichen allein im vergangenen Jahr für die Wasserwacht geleistet - die vielen Stunden der regulären Wachdienste noch gar nicht eingerechnet, dabei verschlingen gerade die besonders viel Zeit. "Die Wachteams müssen viel leisten", sagt der Vorsitzende der Wasserwacht Erding, Siegfried Ippisch. "Wo andere zum Baden gehen, müssen sie aufpassen."

Im Sommer sind an jedem Samstag ab 13 Uhr und am Sonntag von 10 bis 19 Uhr die Wasserwachtstation am Kronthaler Weiher und die Wache im Erdinger Freibad mit einem Wasserwachtteam besetzt: Zehn bis zwölf Ehrenamtliche, vom Teenager bis zum Langgedienten verarzten aufgeschürfte Knie und Insektenstiche, kühlen umgeknickte Knöchel und trocknen Tränen.

Doch vor allem sind sie in Sekunden einsatzbereit, wenn ein Hilferuf tönt, wenn ein Kind vermisst wird oder ein Schwimmer einen Krampf bekommt. Etwa 80 Verletzungen habe es allein in diesem Jahr gegeben, und das obwohl der Sommer in großen Teilen verregnet war, sagt Walter Rauscher, einer der "Alten" bei der Wasserwacht in Erding. 21 Einsätze hatte die First-Responder-Gruppe, die Helfer vor Ort, nach denen die Personen ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.

Die Wachdienste stellen eine der drei Säulen der Wasserwacht dar neben dem Umweltschutz und der mobilen Wasserrettungs-Schnelleinsatzgruppe (SEG). 35 bis 40 aktive SEG-ler tragen Piepser bei sich, oder werden per SMS über Notfälle in der Wasserrettung informiert. Dann eilen Rettungstaucher, Boots- und Leinenführer, Wasserretter und Sanitäter in die Zentrale des Bayerischen Roten Kreuzes Erding, wo die Wasserwacht im Kreisverband die größte Gemeinschaft darstellt und die Fahrzeuge deponiert sind, schnappen ihre Kiste mit der notwendigen Ausrüstung und schwingen sich in eines der beiden Einsatzfahrzeuge der Wasserwacht.

Bade- oder Eisunfälle, eine Rettung aus der Luft oder das Einziehen einer Ölsperre - anders als die Wasserwacht Erding ist die SEG im gesamten Landkreis und darüber hinaus zuständig. Doch Ippisch beobachtet mit Sorge, wie in Zukunft die Mitgliedschaft in der SEG mit dem Berufsalltag zu verbinden ist. Chefs müssen mitziehen, wenn ihre Mitarbeiter zwölf Mal im Jahr plötzlich die Arbeit fallen lassen. "Die Toleranz ist da, aber rückläufig", sagt er.

Dabei ist die Arbeit der Wasserwacht nicht nur geschätzt, sondern auch notwendig. Ständige Weiterbildungen und Aufklärungsveranstaltungen sollen Unglücke am See verhindern, doch immer wieder kommt es zu Unfällen. Die Einsätze sind anspruchsvoll, körperlich und seelisch. Immer wieder ziehen die Wasserwachtler Leichen aus dem Wasser. Professionalität und Übung helfen gegen Aufregung, Angst und hemmendes Mitleid. "Man lernt mit der Zeit, damit umzugehen", sagt Rettungsschwimmausbilder Jürgen Langner. Mit dem Heldenmythos aus Baywatch habe die Arbeit wenig zu tun, das Team ist das Wichtigste. Genauso die Aufarbeitung im Team. "Wir sitzen zusammen, reden über alles, lassen alles raus, machen eine Nachbesprechung - so haben wir bisher jeden Einsatz verarbeitet", sagt Walter Rauscher.

Nicht jeder hat Verständnis

Und längst nicht jeder Einsatz ist mit Leid verbunden. Das Engagement im Dienste des Naturschutzes bereitet immer wieder auch große Freude. Nirgendwo sonst könne man so wunderbar Piraten mit dem kleinen Sohn spielen, wie beim Müllsammeln vom Naturschutzboot aus, erzählt Jürgen Langner. Auch das Tauchen auf den Grund der Sempt oder des Weihers nach dem Motto "Ramadama", birgt so manche Überraschung: Autobatterien, Fahrräder und einmal ein Schwert und eine Pistole mit Munition. Das zu finden, entschädigt für so manchen Fehlalarm. Dabei ist der den Wasserwachtlern lieber als gar keine Reaktion: "Lieber einmal zuviel alarmiert, als einmal zu wenig", sagt Ippisch.

Schließlich macht den Wasserwachtlern das, was sie tun, auch richtig Spaß. "Wir sind traurig, nicht froh, wenn wieder ein Wachdienst wegen Regens abgesagt wird", sagt Viktoria Lindner, die mit ihren 18 Jahren zu den Jüngeren gehört. Nachwuchssorgen treffen die Wasserwacht nicht. Zu interessant sind die Angebote, den Motorbootführerschein oder den Tauchschein zu machen. Aber Geldsorgen, die hat auch dieser ehrenamtliche Verein. Die Wasserwacht Erding erhält finanzielle Unterstützung vom Land Bayern, von der Stadt Erding und durch die Schwimmkurse. Der übrige Bedarf muss durch Aktionen wie die "Weiher-Feia", Fördermitgliedschaften und Spenden finanziert werden.

Doch nicht immer stoßen die Wasserwachtler mit ihrer Arbeit auf Verständnis. Manchmal ärgern sich Badegäste, wenn sie mit dem Boot üben, andere, dass sie nicht jeden Tag im Einsatz sind. Auch die drei Teenager, die auf dem Baukran über dem Schild, "Baden verboten, Lebensgefahr!" sitzen und jetzt hinuntergepfiffen werden, fühlen sich eher schikaniert als gerettet. "Kommt jetzt runter, da sind schon Leute gestorben", ruft Alex Genstorfer. Kleinlaut und fluchend treten die Jungen den Rückzug an, da fällt Genstorfer noch etwas ein "Und nehmt eure Flaschen mit." Rettungseinsatz trifft Umweltschutz.

© SZ vom 05.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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