Süddeutsche Zeitung

Warteraum Asyl:18 Busse in 24 Stunden

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Insgesamt sind am Fliegerhorst bisher 4600 Flüchtlinge angekommen. Nicht alle lassen sich registrieren. Kritik an der Organisation weist Camp-Leiter Heiko Werner jedoch zurück.

Von Sebastian Fischer, Erding

Ein Großteil der im Warteraum Asyl ankommenden Flüchtlinge werden nach ihrer Ankunft ordnungsgemäß registriert. Von bislang insgesamt 4600 Flüchtlingen, die in Bussen aus den Grenzregionen nach Erding gebracht worden sind, wurden die Daten von 4100 erfasst. Dies erklärte Camp-Leiter Heiko Werner am Dienstag. Er wies Kritik von Landrat Martin Bayerstorfer an der Organisation des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zurück. Bayerstorfer hatte beim Besuch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière am vergangenen Samstag angemahnt, dass die Identität vieler Asylbewerber nicht festgestellt würde.

Insgesamt haben seit Inbetriebnahme des Warteraums 700 Flüchtlinge in Eigenregie das Camp verlassen - also nicht in Bussen des Bamf, die sie auf die Bundesländer verteilen. Ein Großteil dieser 700, nach Angaben des Bamf etwa 560, haben das Camp allein am vergangenen Wochenende verlassen. Dies sei laut Werner auf einen Kommunikationsfehler zurückzuführen. Dem Bamf ist es gesetzlich untersagt, Flüchtlinge zur Kooperation zu zwingen. Allerdings hat das Bamf alle Helfer im Camp gebrieft, den Asylbewerbern nicht zur selbstständigen Weiterreise zu raten und sie nicht explizit auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Dies, so Werner, sei in einer Nachtschicht am Wochenende missachtet worden. Er weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass keineswegs die meisten dieser 560 Flüchtlinge nicht registriert waren.

Der Vorfall sei ein Einzelfall. "Viele Menschen arbeiten an einer Sache, die sie zuvor noch nicht so gemacht haben", erklärt er. Der Warteraum Asyl ist einer von deutschlandweit zwei. "Mir ist wichtig, dass kein Mensch zu Schaden kommt und keine systematischen Fehler gemacht werden", sagt Werner. Als Beleg für die Funktionstüchtigkeit des Systems, nach dem im Warteraum Flüchtlinge erfasst, untergebracht und weiterverteilt werden, nannte er am Dienstag die Daten der vergangenen 24 Stunden: Es kamen 18 Busse mit insgesamt 1099 Menschen an, 738 wurden im selben Zeitraum weiterverteilt. 1079 wurden registriert, 13 verweigerten die Registrierung. Auch dies kann das Bamf aufgrund der Gesetzeslage nicht verhindern. Die Datenerfassung muss von zivilen Kräften übernommen werden.

Ein weiterer Kritikpunkt Bayerstorfers ist die Zuständigkeit des Erdinger Jugendamts für die im Warteraum ankommenden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Dies untermauerte er im Gespräch mit der SZ am Dienstag. Er habe vom Bamf die Zusage bekommen, keine Jugendlichen in Obhut nehmen zu müssen: "Doch am vergangenen Wochenende waren es insgesamt 69."

Werner sagt: "Da hat Herr Bayerstorfer nicht richtig gelesen." Zwar sei es korrekt, dass am Wochenende 69 unbegleitete Minderjährige angekommen seien, jedoch gebe es eine Einverständniserklärung der Sozialminister aller Bundesländer, wonach "erkennbar dazu fähige" Jugendliche nicht, wie es das Gesetz vorsieht, nach der ersten Registrierung dem Jugendamt übergeben werden, sondern wie alle anderen Flüchtlinge weiterverteilt werden. Von den 69 Jugendlichen sei nur ein Mädchen zu ihrem Schutz nicht weitergereist. Mehr Jugendliche seien auch im Schnitt an den Tagen davor nicht in Obhut genommen worden. Werner lobte die Zusammenarbeit in der Sache mit den Mitarbeitern des Landratsamtes. Nur für die Grundsatzkritik des Landrats hat er kein Verständnis: "Es ist richtig, dass er für seine Rechte einsteht." Nur in der jetzigen Notsituation darauf zu pochen: "Das ist nicht zielführend."

Bayerstorfer weist auch in anderen Bereichen die Zuständigkeit von sich: etwa bei der Trinkwasserversorgung oder der Entsorgung des Mülls, den Flüchtlinge an der Bundesstraße 388 hinterlassen. Werner besteht jedoch auf die Zuständigkeit Bayerstorfers: "Wenn sich ein Chemiekonzern ansiedeln würde, wäre er dafür ja auch zuständig - und würde von den Steuern profitieren." Er hofft weiter auf Kompromissbereitschaft und will in dieser Woche die Kapazität des Camps auf 2500 erhöhen und die ersten winterfesten Zelte in Betrieb nehmen. Für die Abnahme der ersten zwei waren am Dienstag Vertreter der Stadt Erding zu Gast.

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Quelle:
SZ vom 28.10.2015
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