Wartenberg:Total verpennt

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Geschlafen wird auch nicht beim Anbau an die Klink Wartenberg. Derzeit wird schon am Innenausbau gearbeitet. (Foto: Privat)

Pilotprojekt der Klinik Wartenberg untersucht Schlaf-Wach-Rhythmus bei der Personaleinsatzplanung

Von Gerhard Wilhelm, Wartenberg

Schlafmangel kostet die deutsche Volkswirtschaft jährlich fast 50 Milliarden Euro, Tendenz steigend, wie Studien zeigen. Würde man Arbeitnehmer nach ihrem "Chronotyp" arbeiten lassen, also je nachdem ob sie Eulen, Lerchen, Frühtypen, Spättypen sind, hätte dies unmittelbar Auswirkungen auf die Wirtschaft. Dies hat inzwischen auch die Gesundheitsbranche erkannt und Studien in Auftrag gegeben, die den Zusammenhang von Arbeitszeiten und den natürlichen, genetisch basierten Schlaf-/Wachrhythmus des Menschen untersuchen. Die Klinik Wartenberg nimmt mit der Teilnahme an der Studie "Chronotyp-orientierte Personaleinsatzplanung", kurz COPEP, jetzt eine Vorreiterrolle in der Gesundheitsbranche ein, wie Irene Hilf, die Pressesprecherin der Klinik mitteilt.

Eingebettet sei die Studie in das Gesamtprojekt "Chronobiologie in der Klinikpraxis", das bereits Ende 2018 zusammen mit dem Chrono-Experten Michael Wieden vom Unternehmen Aliamos in Ratingen initiiert wurde. Klinik-Geschäftsführer Constantin von Stechow sei bei einer Veranstaltungsreihe in Kontakt zu dem Experten gekommen und man habe eine Teilnahme beschlossen, da die Klinik bereits seit ein paar Jahren ein umfangreiches betriebliches Gesundheitsmanagement aufgebaut habe und stetig weiterentwickelte, wie Hilf mitteilt. Dafür sei die Klinik von der AOK Bayern mit dem Zertifikat "Gesundes Unternehmen" in Silber ausgezeichnet worden und habe beim bundesweit ausgeschriebenen Gesundheitspreis Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) 2019 den zweiten Platz belegt. Die Beschäftigung mit der Chronobiologie werde als weiterer Entwicklungsschritt in diesem Bereich gesehen.

Dass die Berücksichtigung des Chronotypen bei der Arbeitszeit-, aber auch der Lebensgestaltung durchaus sinnvoll sei, haben auch die Kostenträger im Gesundheitswesen erkannt, wie die Pressesprecherin schreibt. Menschen, die entgegen ihrer Veranlagung arbeiten und schlafen, bauten mit der Zeit ein immer größeres Schlafdefizit auf, welches wiederum zu Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Sucht oder Diabetes führen könne. Daher werde das Projekt in der Klinik Wartenberg von der AOK Bayern und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) gefördert. "COPEP ist ein wichtiges Element innerhalb unseres Gesamtprojektes Chronobiologie", begründet Klinik-Geschäftsführer Stechow die Teilnahme.

Die Teilnahme der Klinik-Mitarbeiter ist absolut freiwillig, wie Hilf mitteilt. Knapp die Hälfte der Belegschaft haben durch eine Blutentnahme ihren Chronotypen ermitteln lassen. Dieser sei im Erbgut des Menschen hinterlegt. Die Auswertung der Blutproben erfolgte an der Berliner Charité - vollständig anonymisiert, um die persönlichen Daten der Studienteilnehmer zu schützen. Zusätzlich haben die Teilnehmer einen standardisierten Fragebogen ausgefüllt und in persönlichen Interviews mit Experten der Firma Aliamos seien den Mitarbeitern die Ergebnisse aus Bluttest und Fragebogen erläutert und die optimalen Arbeits- und Schlafenszeiten unter Berücksichtigung der individuellen Situation mitgeteilt worden. Im nächsten Schritt will die Klinik neue Arbeitszeitmodelle entwickeln, die die Chronotypen mehr als bisher berücksichtigten. In ein paar Monaten, in denen nach den neuen Arbeitszeitmodellen gearbeitet wurde, erfolge eine Abfrage per Fragebogen, ob sich die Teilnehmer wohler, ausgeschlafener und leistungsfähiger fühlen.

"Die Klinik Wartenberg leistet hier Pionierarbeit", sagt Studienleiter Thomas Kantermann, der seit Jahren zur Chronobiologie und ihren Auswirkungen auf den Arbeitsalltag forscht. "Für uns Wissenschaftler ist eine große Anzahl an Daten enorm wichtig, um verlässliche Aussagen treffen zu können. Es gibt bislang nicht viele Arbeitgeber, die diesen Bereich ernst nehmen und sich hier engagieren." Kantermann ist Prof. Dr. habil. an der Hochschule für Oekonomie & Management in Neuss.

© SZ vom 19.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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