Wartenberg:Kratzer im Vorzeigeobjekt

Wartenberg: Die "Gik" und ihre Betreuer in der Wartenberger Heimvolksschule haben gute Jahre hinter sich. Momentan ist man aber aus der Erfolgsspur geraten.

Die "Gik" und ihre Betreuer in der Wartenberger Heimvolksschule haben gute Jahre hinter sich. Momentan ist man aber aus der Erfolgsspur geraten.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Ganztagesintensivklasse in Wartenberg muss um ihr gutes Image bangen. Der Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen.

Von Wolfgang Schmidt, Wartenberg

Die Einrichtung gilt als Vorzeigeobjekt des Landkreises Erding, als Beweis, dass mit der richtigen Methode auch notorische Leistungsverweigerer in ihr Umfeld integriert werden können: Seit dem Schuljahr 2008/2009 werden zehn Schüler von der siebten bis zur neunten Klasse in der sogenannten Ganztagesintensivklasse (Gik) in der privaten Heimvolksschule in Wartenberg unterrichtet. Dabei handelt es sich um in der Regelschule gescheiterte Jugendliche mit Defiziten im Lern- und Leistungsbereich, die ihre vielleicht letzte Chance bekommen, einen Schulabschluss zu machen. Darüber hinaus werden die Schüler mit intensiver Betreuung auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Bis vor kurzem wurden dem Projekt wahre Lobeshymnen gesungen. Jetzt hat der Lack Kratzer abbekommen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Der zuständigen Staatsanwaltschaft Landshut liegt eine Strafanzeige gegen zwei Betreuer der Gik vor. Die darin erhobenen Vorwürfe haben es in sich. Es geht um den Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen. Wie Oberstaatsanwalt Markus Kring der SZ sagte, befinden sich die Ermittlungen noch im Anfangsstadium. Die zuständige Polizeidienststelle wurde in die Ermittlungen mit eingeschaltet - eine Rückmeldung liegt bei der Staatsanwaltschaft noch nicht vor.

Es soll in der Gik zu vereinzelten körperlichen Übergriffen und üblen Beleidigungen gekommen sein. Am schwersten aber wiegt der an den Tag gelegte Umgang mit Medikamenten, die einzelnen Schülern, die unter ADHS leiden, ärztlich verschrieben worden waren. Die Betäubungsmittel seien leicht zugänglich gelagert und unregelmäßig bis gar nicht eingenommen worden. Es soll sogar vorgekommen sein, dass einem Schüler, dessen Medikamente aufgebraucht waren, einfach die eines anderen gegeben wurden.

Nach Informationen der SZ sei der Schulleiter wiederholt auf die Verfehlungen aufmerksam gemacht, ohne etwas unternommen zu haben. Gegen ihn ist deshalb eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Staatlichen Schulamt in Erding anhängig. Dessen stellvertretende Leiterin, Ursula Kopplinger, sagte, ihre Behörde sei für die Dienstaufsichtsbeschwerde der falsche Adressat. Da es sich bei der Heimvolksschule um eine private Einrichtung handele, sei die Regierung von Oberbayern zuständig. Und an diese Stelle sei die Dienstaufsichtsbeschwerde weitergeleitet worden.

Der Direktor der Heimvolksschule gab der SZ nach Rücksprache mit seinem Dienstherrn, dem seraphischen Liebeswerk in Altötting, nur eine dürre Antwort. Es handele sich um ein schwebendes Verfahren, derzeit finde die Aufklärung statt, die Vorwürfe würden geprüft. Für weitere Auskünfte solle man sich an die Regierung von Oberbayern wenden. Dort erfährt die SZ, die zuständige Sachbearbeiterin befinde sich gerade in Urlaub.

Der Landkreis Erding lässt sich die Einrichtung eine schöne Stange Geld kosten. Er übernimmt Personal- und Sachkosten von jährlich 40 000 Euro, die 26 Gemeinden schießen selbst noch einmal jeweils 2000 Euro zu. Anfang 2013 hat der Erdinger Kreisausschuss darüber hinaus beschlossen, zusammen mit Sponsoren neben einer bereits angestellten Sozialpädagogin weitere knapp 40 000 Euro in die Beschäftigung eines Arbeitstherapeuten zu investieren. Dazu kommt ein Zuschuss des Freistaates Bayern von gut 20 000 Euro, weitere Gelder fließen aus Sponsoring und Spenden, wobei namhafte Beträge von der Flughafen München GmbH - etwa die 5000 Euro zur Finanzierung des gemeinsamen Frühstücks - von den Trägern fest einkalkuliert werden können. Für Landrat Martin Bayerstorfer (CSU), gewissermaßen der Erfinder der Gik, war das immer gut angelegtes Geld. Er bedauere die Vorfälle, sagte er. Er hoffe aber, dass sich die Probleme von den zuständigen Stellen schnell lösen ließen.

Am Wartenberger Projekt bestand von Anfang an ein großes Interesse. Ein Fernsehteam von BR alpha widmete 2011 der letzten Chance der "Hundsbuam" sogar einen Film. Ein Jahr lang wurde die Gik begleitet und eine 94-minütige Dokumentation gedreht. Heraus kam ein ungeschminkter Blick in das ganz normale Leben von Problemkindern. Harry, Lucas und die anderen wurde quasi über Nacht zu kleinen Filmstars, die ihre ganz spezielle Botschaft mitteilen konnten. Zeitungsartikel über die Gik wurden deutschlandweit veröffentlicht, die positive Ausstrahlung für die Heimvolksschule und damit auch für den Landkreis Erding war enorm.

In das neue Schuljahr wird die Gik im Vergleich zu 2013/2014 mit einem stark veränderten Betreuerteam gehen. Unter anderem werden ihm zwei tragende Säulen der ersten Stunde nicht mehr angehören, die das Wesen der Betreuungsform entscheidend mitgeprägt haben. Wie die SZ erfahren hat, sollen Unstimmigkeiten über die Methoden in der Gik zu dieser Trennung geführt haben.

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