Wartenberg:Fünf Millionen, die alles auf den Kopf stellen

Wartenberg: Vesna Vekic und ihr Ehemann Michael Rötzer leben in Wartenberg. Dort haben sie sich für 1,5 Millionen Euro ihr Traumhaus gebaut, die "Villa Medici".

Vesna Vekic und ihr Ehemann Michael Rötzer leben in Wartenberg. Dort haben sie sich für 1,5 Millionen Euro ihr Traumhaus gebaut, die "Villa Medici".

(Foto: Renate Schmidt)

Vesna Vekic hat vor zehn Jahren in Günther Jauchs SKL-Show gewonnen. Danach änderte sich ihr Leben gravierend - nicht nur zum Besten.

Von Tahir Chaudry, Wartenberg

"Wenn Sie genau das schreiben, was wir Ihnen erzählen, dann wird Ihnen keiner glauben", sagt Michael Rötzer, Ehemann von Vesna Vekic (53), die 2005 in der SKL-Show von Günther Jauch fünf Millionen Euro gewann. Seitdem ist viel passiert. Etliche Gerüchte schwirren um das Ehepaar und ihr Luxusleben. "Mittlerweile sind wir deshalb vorsichtiger, was Öffentlichkeit betrifft", erzählt Vekic. In den letzten Jahren haben sie viele wichtige Lektionen gelernt. Sie haben erkannt: Man kann es vielen nicht recht machen.

"Vom Schicksal auserwählt"

"Das Schicksal hat uns auserwählt, und wir müssen mit diesem Geschenk behutsam umgehen", sagt Vekic und beide nicken sich einig zu. Vor ihrem Gewinn waren sie selbstständige Unternehmer, die relativ zufrieden mit ihrem Arbeitsleben waren. Vekic, die Tochter kroatischer Einwanderer und gelernte Krankenschwester, führte eine Modeboutique und ihr Ehemann eine Werkstatt in Erding. "Wir waren auch vor unserem Gewinn relativ glücklich mit unserem Leben, besonders weil wir unsere Leidenschaft zum Beruf machen konnten."

Dann aber sollte der Tag kommen, der alles auf den Kopf stellte. Auf der Fahrt ins Fernsehstudio zur Finalsendung in München sagen sich beide: "Wir wollen Minimum 5000 Euro, damit wir unseren Heizöltank vollmachen können. Und sollte es mehr sein, bleibt alles beim Alten." Ein Vorsatz, den sie Wochen später jedoch revidieren müssen.

Exklusive Einladungen der Superreichen

Vekic spricht dann von einem Filmriss, den sie heute nur noch über Bilder von damals rekonstruieren kann. "Es verlief wie im Rausch, Schlag auf Schlag. Zack! Fünf Millionen", sagt sie. Zeit, eine bis dahin noch knappe Ressource, ist plötzlich mehr als ausreichend vorhanden, um die neu gewonnen Freiheiten und Möglichkeiten zu genießen. "Kein teures Restaurant, kein luxuriöses Hotel, kein VIP-Empfang wollten wir auslassen", erinnert sich Rötzer. Es folgen exklusive Einladungen von den Superreichen auf ihre Yachten und in ihre Luxusvillen.

Man fühle sich wie ein Star, sei immer im Mittelpunkt und schwebe von Genuss zu Genuss, gestehen beide. "Das Schönste ist, nicht mehr zu müssen, sondern zu können: arbeiten, reisen, feiern und genießen", findet Rötzer.

Rückblende: Was war bei Jauch geschehen? In einem spannenden Finale zählt Vekic wohl die längsten Minuten ihres Lebens. In der vorangegangenen Sendung hatte sie bereits zwölf Fragen richtig beantwortet und damit den Millionenthron eingenommen. Doch im Endkampf: das große Bangen. Ihr Gegner kommt ihrem Rekord Frage um Frage gefährlich nahe, scheitert jedoch völlig unerwartet und macht Vekic zur fünffachen Millionärin. Schon vor der Show hatte sie sich vorgenommen, allen Kandidaten, die nicht vom Zufallsgenerator ausgewählt werden, 4000 Euro von ihrem Gewinn zu schenken - insgesamt sind es 88000 Euro für 22 Kandidaten. "Glück ist das einzige, das sich vervielfacht, wenn man es teilt", meint Rötzer. Beide glauben, dass sie möglicherweise für ihre noblen Absichten belohnt wurden.

Plötzlich entfernen sich Freunde

Vekic erfüllt sich mit dem Gewinn ihren ersten Traum: zwei kleine Olivenbäume für die Terrasse. "Das habe ich mir schon immer sehnlichst gewünscht, konnte es mir aber nie leisten", erinnert sie sich. Zuerst läuft noch alles wie gewohnt. Doch mit der medialen Aufmerksamkeit erfährt in ihrer Heimatstadt sogar der letzte, dass die beiden nun Multimillionäre sind. Sie öffnen sich: mehrere Homestories, Talkshow-Auftritte, unzählige Interviews geben Einblicke in ihr Luxusleben.

Vekic erlebt mit der Zeit, wie sich alte Freunde schrittweise von ihr entfernen, weil sie von ihr erwarten, dass sie ihr neues Vermögen mit ihnen teilt. Bald läuft ihre Boutique nicht mehr wie zuvor. Die Kunden fordern unmögliche Rabatte, und es wird immer häufiger geklaut. "Sie glaubten, ich hätte wegen dem Geldsegen kein Geld mehr nötig", sagt Vekic. Auch Rötzer will seine Werkstatt unter den erschwerenden Umständen nicht mehr führen. Mit ihrem Mann, den sie drei Monate nach ihrem Gewinn heiratet, bleibt sie dem Landkreis Erding treu, zieht allerdings in die Gemeinde Wartenberg.

Eine Villa für 1,5 Millionen

Für stolze 1,5 Millionen Euro baut sich das Paar dort sein Traumhaus auf einem 2000 Quadratmeter großen Grundstück. Für die Einrichtung der "Villa Medici" lassen sie sich von Luxushotels und Anwesen der Promis inspirieren. Ein Jahr später ist es schließlich vollbracht.

"Es ist wie ein Geburtstag, ein Hochgefühl, und man steht im Mittelpunkt, aber dann kommt der nächste Tag und das Leben geht weiter", sagt Vekic. Die Verhältnisse sollen sich von nun an normalisieren. Sie überdenken ihren bisher zu offenen Umgang mit ihrem finanziellen Glück. "Gönnen können ist nicht die Stärke der meisten Menschen. Es gibt zu viele Neider da draußen", weiß Rötzer. Auch bemerken beide, dass dieses Leben im Rausch anstrengend sein kann. "Es war uns zu einengend, zu oberflächlich, und zu sehr wurde man auf sein Vermögen reduziert", sagt Vekic. Viel Energie, Zeit und Geld sei allein auf die Frage draufgegangen: Wie wirke ich auf diese priviligierte Gesellschaft und wie kann man sich angemessen revanchieren?

Existenzängste werden zu Verlustängsten

Sie lernen wichtige Lektionen: Ihr Geld vermehrt sich nicht von selbst, es löst nicht alle Probleme und fordert mehr Verantwortung von ihnen. "Die alten Existenzängste vor dem Gewinn wurden zu Verlustängsten", sagt Rötzer. Von außen sehe alles sehr einfach aus. Es sei schön, finanziell sorgenfreier zu sein und sich Dinge leisten zu können, bei denen man früher hätte überlegen müssen. Vekic sieht sich in ihrer Meinung von früher bestätigt: "Es gibt Dinge, die man sich mit Geld nicht kaufen kann: Gesundheit, Liebe, Anerkennung und Zufriedenheit." Wenn es um die Reichen geht, dann werde zu viel mit Klischees gespielt, glauben beide. Im Reality-TV müsse eben vieles gestellt sein, denn man brauche die eindrücklichen Bilder vom großen Glück. "Zu schnell werden heutzutage Menschen zu Stars, die nach billiger Aufmerksamkeit gieren. In unserer Gesellschaft wird nicht mehr Leistung honoriert, sondern der Erfolg - womit auch immer", sagt Rötzer

Eine Selbsthilfegruppe für Millionäre

Während sie von ihrem langjährigen Lernprozess berichten, läuft am Fenster des Cafés ein verwirrter hilfloser Mann mit verdreckter Kleidung vorbei. Das Ehepaar zeigt sich betroffen über die Situation ihres Bekannten, der früher ein erfolgreicher Geschäftsmann war, bei dem es nicht mehr läuft, weil das "Leben nicht mehr so mitspielt". "Die meisten Menschen, die plötzlich reich werden, sind total überfordert und fühlen sich allein", glaubt Vekic. In der Wissenschaft nennt sich das "Sudden-Wealth-Syndrom". Demnach könne schnelles Geld zu Depressionen, Schuldgefühlen und Paranoia führen. Man fürchte, alles wieder zu verspielen, und fühle sich von der ganzen Welt verfolgt.

Deshalb hat Vesna Vekic einen Club der Millionäre gegründet, eine Art "Selbsthilfegruppe". Mindestens einmal jährlich trifft man sich, um etwas gemeinsam zu unternehmen und sich auszutauschen. Mittlerweile sind daraus echte Freundschaften entstanden. "Man respektiert sich gegenseitig, berät sich und ist nicht neidisch aufeinander", sagt Rötzer. Vekics persönlicher Rat an jeden, der plötzlich reich wird: einen kleinen Teil des Geldes für sich herausnehmen, das restliche Geld ein Jahr lang parken und keine grundlegenden Entscheidungen treffen, bis der Rausch vorbei ist.

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