Landtagswahlkampf:Jung und motiviert

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Leatitia Wegmann (Grüne) und Benedikt Klingbeil (SPD) bei einem gemeinsamen Wahlkampftermin im Johanniscafé in Dorfen. (Foto: Renate Schmidt)

Laetitia Wegmann (Grüne) und Benedikt Klingbeil (SPD) sind beide erst 19 Jahre alt und schon Direktkandidaten ihrer Parteien für den Stimmkreis Erding bei der Landtagswahl im Herbst. Sie berichten über die Herausforderungen und ihre Möglichkeiten im Wahlkampf.

Von Simon Kienzl, Dorfen

Ein kleiner Raum, beige Wände, an denen kubistisch anmutende Bilder hängen. An der Decke eine silbrig-glänzende Discokugel. Das genossenschaftlich geführte Johannis Café in Dorfen ist nicht das typische Wirtshaus, in dem bei einer "Hoiben" Wahlkampf gemacht wird. Am Montag luden aber auch zwei besondere Kandidaten zur gemeinsamen Podiumsdiskussion: Laetitia Wegmann von den Erdinger Grünen und Benedikt Klingbeil von der SPD. Beide sind 19 Jahre alt und Direktkandidaten ihrer Parteien für den Stimmkreis Erding bei der Landtagswahl im Herbst. Wirklich untypisch, wenn man bedenkt, dass das Durchschnittsalter im bayerischen Landtag rund 55 Jahre beträgt.

Gemeinsam stehen Wegmann und Klingbeil an diesem Abend an zwei Stehtischen vor den fünfzig dicht gedrängt Versammelten. Nicht wenige von ihnen sind doppelt so alt wie sie selbst. Der SPD-Kandidat Klingbeil sagt: "Ich finde, es ist ein Privileg, sich mit neunzehn Jahren vor dreißig Menschen zu stellen, seine Meinung kundtun und mit ihnen diskutieren zu dürfen. Wirklich toll, dass auch so viele Ältere zur Veranstaltung gekommen sind, sich interessieren und einen als Kandidaten respektieren."

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Und tatsächlich ist Respekt als junger Kandidat anscheinend eben nicht selbstverständlich. Wegmann, die erst vor zwei Jahren die Grüne Jugend Erding mitgegründet hat, erhielt bei Bekanntgabe ihrer Kandidatur über tausend Hasskommentare auf social-media-Kanälen: "Das hat mich sehr getroffen, ich habe dann nicht mehr auf die Plattformen geschaut, alle Benachrichtigungen deaktiviert. Fast immer war diese Kritik aber inhaltslos, und richtete sich gegen mein Alter. Keinerlei Auseinandersetzung mit Inhalten."

Anders im Johannis Café in Dorfen. Hier sprechen Wegmann und Klingbeil zwei Stunden lang über Bildung, Gesundheitspolitik und Klimaschutz. Benedikt Klingbeil eröffnet die Themenrunde mit einen längeren Beitrag zur Bildungspolitik. Es gelte Bildung künftig ganzheitlicher, als "lebenslanges Lernen" zu denken und nicht nur frontales Unterrichten in der Schule. So Klingbeil. Konkret kann sich Klingbeil aber auch für den Schulunterricht einige Verbesserungen vorstellen: Rhetorikkurse für Lehrende, noch mehr Didaktik im Lehramtsstudium, denn "ein guter Lehrer war einer, dem man gern zugehört hat."

Benedikt Klingbeil. (Foto: Renate Schmidt)

Wenn Klingbeil spricht, klingt er wie jemand, der selbst gerade die Schulbahn durchlaufen hat, und deshalb Veränderungen für wirklich notwendig hält. Und tatsächlich hat Klingbeil erst vor wenigen Monaten seinen FOS-Abschluss gemacht. Es sind ganz konkrete Forderungen, die der erst 19-Jährige seinerseits rhetorisch gekonnt formuliert.

Die Grünen-Kandidatin Wegmann bezeichnet demgegenüber die Gesundheitspolitik als ihr persönliches Prioritätenthema. Dafür brenne sie, die nach einem FSJ nun bei den Barmherzigen Brüdern selbst in der Pflege arbeitet: "In unserem Gesundheitssystem sehe ich ein Missverhältnis zwischen dem, was langfristig den größten Gesundheitserhalt bringen würde und was kurzfristig wirtschaftlich ist. Gesundheit muss sich leider an die Regeln des Kapitalismus halten, das finde ich sehr, sehr schwierig." Aber Wegmann wolle eben nicht nur kritisieren: "Wenn ich nicht zufrieden bin, will ich zeigen, wie es besser funktionieren könnte."

Laetitia Wegmann, Bündnis 90/Die Grünen. (Foto: Renate Schmidt)

Das sei der Grund für ihre Kandidatur. Sie wolle zudem zeigen, dass es nicht stimmt, dass die Jugend unpolitisch und arbeitsscheu sei. Das höre man nämlich immer wieder. Und eines ist sicher, der Wahlkampf ist derzeit tatsächlich viel Arbeit für sie: "Vor allem auch sehr viel Organisatorisches. Mal hab ich Frühschicht und sollte schauen, dass ich am Abend davor keine Wahlkampfveranstaltung mache. Weil um 10 oder 11 Uhr nach Hause kommen und am nächsten Tag um 5.30 zur Arbeit zu müssen, das ist schwierig."

Die beiden halten nicht nur eine Rede, sie reden auch miteinander

Warum tut man sich so etwas an? Muss man es, um sich als Jugend Gehör zu verschaffen? Genau in diese Kerbe schlägt eine Frage der Moderatorinnen im Johannis Café: "Was ist für dich das schlimmste an der Politik der Alten?" Klingbeil entgegnet: "Ich würde Politik der Alten nicht pauschalisieren, ich glaube nicht, dass alle die älter sind, diese Politik haben und fortsetzen wollen." Er selbst möchte Politik für alle machen, nicht nur für die 18- bis 25-Jährigen. Auch für alle, die ihn nicht gewählt haben. Diese Antwort wirkt reflektiert und überlegt, gerade wenn man sich an den Tonfall einer der hitzigsten Ereignisse des bisherigen Wahlkampf, die Demo in Erding zum Heizungsgesetz zurückerinnert. Wegmann lehnt eben eine solche Form von Politik ab: "Es hat mich so geärgert, wie CSU und Freie Wähler mit stumpfesten Populismus punkten wollen."

Klingbeil und Wegmann halten bei ihrer Podiumsdiskussion jedenfalls nicht nur eine Rede, sondern reden mit dem Publikum, sprechen miteinander, machen Notizen während der andere das Wort hat. Klingbeil betont, dass er den Menschen auch gerne zuhöre und im Wahlkampf schon enorm viel gelernt habe. Viel Tatendrang und vielleicht auch Idealismus. Ein Satz Klingbeils bringt es gut auf den Punkt: "Ich habe das Gefühl, dass die Politik oft nur ganz viele kleine Schritte macht, der große Schritt wird aber nicht gewagt. Wie aus Angst, fallen zu können." Aber um den seinerseits großen Schritt in den Landtag zu schaffen und die ihnen wichtigen Themen anzugehen, stehen für beide Kandidaten erstmal noch viele kleine Schritte an: Täglich mindestens eine Veranstaltung in der heißen Phase des Wahlkampfs und hunderte Gespräche am Wahlstand.

Aber gerade darauf freuen sie sich, wie sie sagen. Auch wenn es manchmal drei Termine an einem Tag sind, wie diesen Mittwoch, so Klingbeil. "Worauf ich mich nicht freue, ist der Tag der Wahl. Nicht weil ich ein schlechtes Wahlergebnis fürchte, sondern weil dann der Wahlkampf vorbei ist. Ein Abschnitt geht zu Ende, in dem ich schon jetzt so viel lernen durfte. Aber mal schauen, wie es dann weitergeht."

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