Süddeutsche Zeitung

Vorweihnachtszeit:Man hat sich arrangiert

Mit dem Erdinger Christkindlmarkt waren viele anfangs nicht zufrieden. Auf ihren Glühwein wollen sie aber nicht verzichten

Von Vanessa Neuss

ErdingMaßgeschneiderte Holzhütten stehen nebeneinander, alle gleich groß, alle aus dem gleichen Holz, alle mit dem Rücken zur Straße. Zum ersten Mal veranstaltet die Stadt Erding den Christkindlmarkt in dieser Form. Eine kleine Bühne auf dem Schrannenplatz umringt von 14 Buden umringt. Die Eisfläche steht jetzt auf dem Kleinen Platz und ist auch keine Eisfläche mehr, sondern eine aus Kunststofff. An dem neuen Zuschnitt des Christkindlmarktes gab es viel Kritik: sowohl an den einheitlichen Hütten als auch an der Kunststoffbahn und daran, dass die Schlittschuhläufer nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Mittlerweile hat sich die Bürgerschaft offenbar damit arrangier. Der Christkindlmarkt ist recht gut besucht. Und die Standbetreiber sind weitgehend zufrieden.

Rundherum um die circa 200 Quadratmeter große Kunststoffbahn wird mittags gesaugt, gekehrt und gereinigt, auf der Eisfläche herrscht Leere. Lediglich die Eisfiguren, mit denen Kinder Schlittschuhfahren lernen können, stehen herum. Am Nachmittag gesellen sich einige Kindern zu den Figuren - hin und wieder auch ein Jugendlicher oder ein Erwachsener. Ein 24-Jähriger leiht sich Schlittschuhe aus, schnallt sie an und begibt sich vorsichtig aufs Plastik. Doch mit ihnen Fahrt aufzunehmen, ist gar nicht so einfach. Die Kufen gleiten nicht, sondern rutschen immer wieder zur Seite weg. Im Vorfeld gaben Hersteller und Stadt daher auch schon bekannt, dass scharfe Kufen dringend nötig seien, um problemlos zu gleiten. Also runter vom Eis und den kostenlosen Schleifdienst neben der Eisbahn beanspruchen. "Die Schleifmaschine ist heute kaputt", sagt der Mann. Mit stumpfen Kufen wird die neue Eiszeit kein Highlight. Die Begleitung des 24-Jährigen hat schärfere Kanten und gleitet weitaus eleganter über das Kunsteis. Eine ältere Frau beobachtet das Treiben und fragt skeptisch: "Und das funktioniert echt mit dem Plastik? Das kann ich mir nicht vorstellen." Laut Pressesprecher Christian Wanninger sind die Reaktionen aus der Bevölkerung "im überwiegenden Teil positiv", wie er auf Nachfrage mitteilt.

Mit einem Dringlichkeitsantrag hatte die Bayernpartei Erding gefordert, die Eiszeit abzubauen, weil sich Mikroplastikteilchen von der Kunststoffeisbahn ablösen würden und sie eine Gefahr für Mensch und Tier darstellten. OB Max Gotz (CSU) wies diesen Vorwurf allerdings zurück. Er bezeichnete sieht Antrag als "Vorboten des Kommunalwahlkampfes". Der verwendete Kunststoff entspreche dem, der auch in Metzgereien oder Bäckereien benutzt werde. Auch der Bund Naturschutz sehe darin keine Gefahr, sagte Gotz am Dienstag in der Sitzung des Planugns- und Bauausschusses auf Nachfrage von Johanna Heindl (FW). Er sei traurig darüber, dass in Erding diese Unsicherheit geschürt werde. Betreiber und Besucher fühlten sich wohl. Und er betonte, dass es sich dabei um eine freiwillige Leistung der Stadt Erding handle. Gotz erinnerte des Weiteren daran, dass die neue Lage der Schlittschuhbahn auch gewählt worden sei, weil die Rettungswege für die umliegenden Häuser so leichter frei zu halten seien.

Seit dieser Saison kümmert sich um die Organisation des Christkindlmarktes nur noch die Stadt Erding selbst, im vergangenen Jahr war sie bereits für die Ausschreibung zuständig. Eigene Hütten sind nun nicht mehr zugelassen. Einheitliche Buden gäben ein stimmigeres Gesamtbild, erklärt dazu Wanninger. Eine Besucherin wärmt sich die Hände an ihrer Glühweintasse und sagt: "In den letzten Jahren war es schon noch schöner mit der echten Eisbahn mittendrin. Da war was los."

Vor drei Jahren waren es auch noch 28 Stände, heuer nur noch 18. Doch manches ist gleich geblieben: In der Luft liegt der Duft von gegrillten Würstchen und Glühwein. Die kulinarische Verpflegung dominiert insgesamt den Weihnachtsmarkt. Wer Kunsthandwerk und Geschenkartikel sucht, wird in vier Buden fündig. Sophia Obrist rückt dazu die geschnitzten Jesusfiguren in der vordersten Reihe zurecht. Alle Holzfiguren seien zwar maschinell vorbearbeitet, sagt sie, aber händisch nachgeschnitzt und bemalt. Die Südtirolerin verkauft die Arbeiten der Holzschnitzerei Oswald Amort zum ersten Mal am Weihnachtsmarkt in Erding und sagt: "Es könnte noch mehr los sein." Doch nachmittags und am Wochenende würden schon einige Erdinger vorbeischauen. Jaspreet Mangat sitzt hinter selbstgebastelten Dekoartikeln und selbstgemachter Marmelade in der Hütte der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Auch die AWO ist in diesem Jahr zum ersten Mal vertreten. Mangat wechselt sich mit anderen Mitgliedern des Elternbeirats beim Verkauf ab. "Es läuft gut", sagt er. Allerdings habe er auch keinen Vergleich zu den vorherigen Jahren.

Die Meinungen der Standbetreiber, die schon öfter auf dem Christkindlmarkt waren, gehen ein wenig auseinander. Klaus Seitz verkauft an seinem Stand seit 15 Jahren Schals, Mützen und Handschuhe. Für ihn hat sich nichts verändert. "Es ist alles wie immer", sagt Seitz. Der Stand des Kreisjagdverbandes ist zum fünften Mal vertreten und versorgt Besucher mit Wildvariationen. Die Verkäuferin berichtet von einem Rückgang der Besucher: "In unserem ersten Jahr war eindeutig am meisten los." In den vergangenen Jahren sei es immer weniger geworden. Das führt die Verkäuferin allerdings auf die Vielzahl von Weihnachtsmärkten in der Umgebung zurück. Die Besucher würden sich einfach anders verteilen, glaubt sie.

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SZ vom 14.12.2019
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