Vortrag in Vaterstetten:"Jeder ist wichtig für die Energiewende"

Kemfert DIW

Claudia Kemfert ist viel in Deutschland unterwegs. Auf dem Foto weilt sie gerade in Berlin.

(Foto: Marc Darchinger/oh)

Wirtschaftsexpertin Claudia Kemfert referiert am Mittwoch, 10. Juli, über Chancen und Probleme des Umstiegs.

interview Von Franziska Bohn, Vaterstetten

Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist eine gefragte Rednerin in Sachen Energiewende. Sie hält Vorträge in Städten wie Wien, Berlin oder Frankfurt. Am Mittwoch, 10. Juli, kommt Kemfert nach Vaterstetten. Dort wird sie über die wirtschaftlichen Chancen der Energiewende sprechen.

SZ: Was motiviert Sie, in einen kleinen Ort wie Vaterstetten zu kommen?

Claudia Kemfert: Ich bin viel in Deutschland unterwegs und besuche auch gerne kleinere Kommunen, um über die Energiewende vor Ort zu sprechen. Es ist für mich interessant zu erfahren, welche Auswirkungen, Chancen und Herausforderungen es in verschiedenen Regionen gibt. Die Energiewende wird von unten gemacht, von Bürgern vor Ort. Jeder ist wichtig für die Energiewende. Vaterstetten ist eine sehr aktive Kommune, die vielfältige Aktivitäten zu diesem Thema macht. Man erkennt, da gibt es etliche engagierte Menschen und viel Unterstützung für die Energiewende. Es wird ein lebendiges Vaterstetten im Sinne der Energiewende gelebt. Damit kann es ein Vorbild sein auch für andere Kommunen in Deutschland. Gerade in Bayern benötigen wir viele engagierte Gemeinden, die die Energiewende tatkräftig umsetzen wollen und können.

Was lernen die Bürger in Ihrem Vortrag "Die wirtschaftlichen Chancen einer klugen Energiewende"?

Mir geht es um die wirtschaftlichen Chancen einer klugen Energiewende. Wie funktioniert und was bringt die Energiewende vor Ort? Welche Rahmenbedingungen brauchen wir? Es gibt großen Nachholbedarf beim Ausbau der Windenergie. Der Ausstieg aus der Kohle muss vom Einstieg in die erneuerbaren Energien begleitet werden. Gleichzeitig geht es um eine schnelle Verkehrswende. Stichworte: weniger Verkehr, bessere Verkehrslenkung, Elektromobilität. Auch hier brauchen wir angepasste Rahmenbedingungen.

Gibt es auch eine nicht-kluge Energiewende?

Natürlich! Nicht sonderlich klug ist eine Energiewende, die sich Ziele vornimmt und nicht erfüllt. Die die falschen Signale sendet, nämlich zum Erhalt der konventionellen Energien. Die drei Schritte vorwärts geht und dann vier zurück. Eine kluge Energiewende dagegen vermeidet Hinderungsprozesse und hebt sie auf und hat erneuerbare Energien im Blick. Wenn man die Energiewende klug gestaltet, schafft man wirtschaftliche Chancen, neue Arbeitsplätze und regionale Wertschöpfung.

Macht die Bürokratie es kleinen Gemeinden schwerer?

Die verschärfte Abstandsregelung für Windräder, die sogenannte 10-H-Regel, ist in Bayern ein Hindernis; sie sollte so schnell wie möglich abgeschafft werden. Solche Regeln erschweren den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Kommunen wollen nicht behindert werden. Das ist nicht nur in Vaterstetten zu spüren; das gilt auch für den Ausbau von Solarenergie und für die Förderung einer nachhaltigen Verkehrswende. Es gibt viele bürokratische Vorgaben, schwierige Genehmigungsverfahren und im Nachhinein obendrein Einsprüche. So braucht es immer mehr Kraft und Zeit, neue Anlagen zu installieren. Doch Kommunen, die zukunftsorientiert denken, sollte man es leicht machen, auch so zu handeln.

Muss die Politik mehr Druck auf Unternehmen ausüben?

Es braucht nicht Druck, sondern Rahmenbedingungen, die es unattraktiv machen, an fossiler Energie festzuhalten. Eine zukunftsorientierte verantwortungsbewusste Politik macht es für Unternehmen dauerhaft wirtschaftlich attraktiv, in erneuerbare Energien, ins Energiesparen oder Elektromobilität zu investieren. Unternehmen brauchen Planungssicherheit, also Rahmenbedingungen, die verlässlich sind und nicht ständig neue Regelungen zugunsten der fossilen Vergangenheit schaffen.

Wird die Energie durch die Energiewende teurer?

Nur, wenn man lange am Alten festhält und das Neue behindert. Am teuersten und unnötig ist es, wenn man zwei Systeme parallel aufrechterhält. Je schneller wir umsteigen, desto eher ergeben sich Skalierungseffekte. Die erneuerbaren Energien werden immer billiger. Es ist besser, man steigt konsequent um; dies ist technisch und ökonomisch effizient.

Wie stehen die Chancen, dass Vaterstetten die Energiewende bis 2030 schafft?

Wer will, findet Wege; wer nicht will, findet Gründe, sagt der Volksmund. Chancen sind immer da. Vaterstetten nutzte im vergangenen Jahr 36 Prozent erneuerbare Energien. Interessant ist auch das Ziel, das Nahwärmenetz in diese Planungen einzubeziehen. Wenn man die Sache beherzt angeht, kann auch eine Gemeinde wie Vaterstetten 100 Prozent erneuerbare Energien erreichen.

Der Vortrag findet am Mittwoch, 10. Juli, von 19.30 Uhr an im Saal des katholischen Pfarrzentrums in Vaterstetten statt. Der Eintritt ist frei.

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